Der Traum eines kleinen Mädchens...(122) Drucken
Geschrieben von: Uta Ludwig   
Mittwoch, 04. April 2012 um 12:39

Polly macht ihr "Meisterstück"...

 

 

Ferienbeginn. Polly hatte natürlich ganz andere Pläne als ihre Eltern. Die wollten nämlich wegfahren. Irgendwohin, an einen Ort, an dem Polly nicht mit dem schrecklichen Verbrechen konfrontiert würde. Dass es sich um ein Verbrechen in Verbindung mit derm Fund des Skeletts handelte, stand fest. Die Polizei hatte das durch eine Obduktion herausgefunden und im Reitstall davon erzählt.

 

Polly wollte aber unter keinen Umständen weg. Zumal  Reitlehrer Herr van Hopps sie gestern zu sich gerufen hatte, dabei zückte er wieder seine Dose mit Hustenbonbons und bot Polly an, sich einige davon herauszunehmen. Dann eröffnete er ihr, dass sie noch die ganzen Ferien dazu benutzen dürfte, das Pony Star für den Schulbetrieb fertig zu machen. Diese Gelegenheit wollte Polly auf jeden Fall voll ausnutzen. Sonst musste sie für die Reitstunden ja immer einzelne Bons ihrer Zehnerkarte abreißen.

 

Das Eiersuchen am Ostersonntag  für die kleinen Kinder des Reitstalles Hubertus fiel dieses Jahr aus. Zu furchtbar lastete der Skelettfund auf allen. So rechte Freude zu dem Osterfest kam nicht auf.

 

Nachdem die Polizei bestätigt hatte, dass der Mensch, dessen Skelett Polly und Martine in der alten Scheune gefunden hatten, ermordet worden war, sank die allgemeine Stimmung erneut schlagartig.

 

Den kleineren Kindern wurde davon nichts erzählt. Die größeren, wie Polly, konnte man nichts mehr vormachen, Die bekamen das Getuschel der Erwachsenen und die unvorsichtigen Gesprächsfetzen am Tresen schon mit. Der Mensch war erschlagen worden. Polly konnte sich nicht vorstellen, wie man an einem Leichnam, der als solcher gar nicht mehr vorhanden war, sondern nur noch aus alten,  fast zerbröselnden Knochen bestand, einen Mord feststellen konnte. Aber die Großen, die Jugendlichen von der Turnierabteilung, erklärten es nicht nur ihr. Der Gerichtsmediziner hatte scharfe Einkerbungen an der Wirbelsäule festgestellt. Die würden von einem scharfkantigen Gegenstand herrühren, mit dem der Mensch erschlagen worden war.

 

Außerdem wurde bei der pathologischen Untersuchung festgestellt, dass es sich um einen Mann gehandelt haben musste. Weil aber beim DNA-Abgleich im Polizei-Computer nichts gefunden worden war, konnte die Identität nicht festgestellt werden. Wer war der tote Mann?

 

Polly kam seit ihrem siebten Lebensjahr regelmäßig in den Reitstall. Jetzt war sie zwölf Jahre alt. Und der Stall hatte sich zum schönsten Ort auf der Welt entwickelt. Hier ging sie mit ihren geliebten Ponys um, hier hatte sie ihre Freunde. Die Kinder und Jugendlichen fühlten sich hier absolut zuhause. Sie kannten jeden Winkel der Gebäude und fast jeden Reiter, egal, ob er Pferdebesitzer oder Reitschüler war. Die Kinder kannten jedes Gesicht.

 

Durch den grausigen Fund vor vierzehn Tagen war dieser vertraute Ort für alle ein anderer geworden. Sogar für Pollys Freunde Harald und Maria, die jüngeren Kinder des Reitstallbesitzers. Der Ort, der irgendwie auch ihnen gehörte, erschien auf einmal fremd. Jedenfalls die alte Scheune am Grundstückende, dort, wo die Felder anfingen,  kam ihnen zu unheimlich vor. Keiner von ihnen hatte sich  seitdem hinter die Reithalle, über den alten Reitplatz, zu dem halbverfallenen Gebäude begeben.

 

Dennoch kehrte so etwas wie Normalität in den Reitbetrieb zurück. Die Privatleute ritten jeden Tag ihre Pferde, und die Reitschüler buchten wieder ihre Stunden auf den bevorzugten Schulpferden. Herr van Hopps stand regelmäßig in der Reitbahn, sein Unterricht blieb so unspannend wie immer.

 

Polly konzentrierte sich auf Star. Das Problem mit dem Gebiss, vor dem das Pony Angst gehabt hatte, war so gut wie weg. Polly vergaß sogar manchmal, dass es überhaupt ein Problem gegeben hatte. Ihr war schon klar, dass der Reitlehrer aus reiner Sympathie zu ihr angeordnet hatte, sich die ganzen Osterferien noch um Star zu kümmern. Dafür empfand sie Dankbarkeit.

 

Polly hatte in der vergangenen Woche Star schon mit Anne getestet. Die aber hatte ja von der Überempfindlichkeit des Ponys gewusst und war deswegen schon ganz vorsichtig geritten. Heute aber wollte Polly einen finalen Test durchführen. Nur Zweifel wegen der Gefährlichkeit eines solchen Testes ließ sie noch zögern. Sie wollte einen wirklichen Anfänger auf Star reiten lassen. Es müsse jemand sein, der so wie ein neues Kind eine erste Reitstunde nehmen wollte. Aber wer könnte das sein? Und was, wenn der Test schief liefe, wenn Star wieder eine Vollbremsung hinlegte und der betroffene Anfänger vorne runterfallen würde? Die Schuld für so einen eventuellen Sturz läge dann bei ihr, bei Polly. Zu gefährlich, befand sie.

 

Anton kam auf sie zugeschlendert, die Hände voll cool in den Hosentaschen versenkt, die blaue Kappe verkehrt herum auf dem Kopf. Er kam jetzt zu allererst immer zu Polly. Zu ihr führte sein erster Gang, wenn er im Stall erschien. Früher war das nicht so. Aber seit dem Fund… Polly verstand schon, dass es nur deshalb war, weil er aus erster Hand hören wollte, wie Polly und Martine die Knochen fanden. Später musste Polly aber feststellen, dass Anton nicht mehr nach diesem Ereignis fragte und dennoch zuerst zu ihr kam und ein Gespräch anfing. Aber sie hatte ein komisches Gefühl dabei.

 

Anton war immer respektlos. Er erwies sich als ein sehr guter Beobachter und konnte die Erwachsenen  bis ins kleinste Detail nachmachen. Da war er wirklich zum Teil bühnenreif, alle mussten oft und heftig darüber lachen. Dabei äffte Anton gemein und bösartig kleinste Eigenarten der Leute nach, er wusste die Schwächen der Personen besonders zu betonen. So aber schuf er auch Zwietracht zwischen anderen, er aber machte sich darüber dann lustig, vor allem,  wenn dadurch ein fieser  Streit entstand. Polly blieb misstrauisch.

 

Polly gegenüber zeigte sich Anton stets nett. Sie konnte sich über ihn nicht beklagen. Die anderen aber taten ihr oft leid, wenn er sie gerade widerlich auf die Schippe nahm.

 

Jetzt wollte Anton von ihr wissen, wie lange sie reiten würde, zwei Ponys hintereinander und wann sie nach draußen zu den anderen  käme. Polly unterbrach das Putzen und Satteln von Star nicht, sie hörte aber genau zu. Ab und zu schaute sie Anton an, um festzustellen, was in dem vorging. Aber sie konnte nichts Negatives in seinem Gesicht erkennen. Er sprach ganz freundlich, er schien keine Hintergedanken zu hegen.

 

Während sie Anton ansah, kam ihr eine Idee. Anton wäre der richtige für ihren Test. Aber hatte er den Mut, sich auf das Pony zu setzen? Sie hatte Anton noch nie reiten sehen. Auch früher nicht, als er die ersten Male im Reitstall auftauchte. Er interessierte sich überhaupt nicht für die Ponys. Schon deshalb fand Polly ihn verdächtig. Das er sich für nichts interessierte, auch nicht für Probleme bei Pferden, er gab somit den idealen Testpartner ab.

 

Tatsächlich konnte Polly ihn überreden. Dabei musste sie ihm aber versprechen, dass sie Star nicht loslassen würde. Darauf ließ sie sich ein. Hauptsache - der Test funktionierte!  Später könnte sie ja mal so wie aus Versehen den Strick loslassen…

 

Selbstbewusst folgte Anton ihr in die Reitbahn. Polly war sich sicher, dass Anton vor ihr angeben wollte, ihr zeigen wollte, dass auch er ein gutes Bild abgeben würde. Er hatte auch noch das Glück, dass sonst keiner aus der Clique zuschaute. Bevor Polly den Strick auf der richtigen Seite befestigen konnte, machte Anton Anstalten aufzusteigen. Schon lag er im Dreck. Er hatte nicht daran gedacht, den Sattelgurt festzuziehen. Der Sattel hing unter den Bauch des Ponys und Anton „küsste den Boden“.

 

Verlegen lachend richtet er sich wieder auf. „Der hat wirklich keine Ahnung“, dachte Polly. „Hat der all die vielen Jahre nichts mitbekommen?“, fragte sie sich insgeheim. Sie half ihm aufs Pferd und führte das Pony. Sie zeigte ihm, wie man die Zügel richtig hält.  Zur Sicherheit wies sie Anton ausdrücklich darauf hin, nicht heftig am  Zügel zu ziehen, sondern ganz sachte damit umzugehen.

 

Pollys Herz schlug schnell. Die ganze Aktion ließ sie in Schweiß ausbrechen, Wie gerne würde sie den Strick loslassen, nur um zu sehen wie Star sich anstellte. Sie traute sich nicht, sie hatte Angst,  dass etwas passieren könnte.

 

Zum Glück verlangte Anton plötzlich selbst, einmal alleine zu reiten. Polly sollte den Strick abmachen. Zuerst weigerte sie sich. Aus Vernunftgründen. Aber Anton bestand darauf, alleine zu reiten. Damit sah Polly sich aus der Verantwortung entlassen. Sie nahm den Strick ab.

 

Nichts geschah! Star lief ruhig im Schritt auf dem Hufschlag. Polly gab Anweisung, vorsichtig mit den Zügeln zu lenken. Anton fühlte sich immer sicherer. Er trieb das Pony an, damit es schneller laufen sollte. Es trabte an. Anton rutschte bedenklich im Sattel hin und her. Plötzlich nahm er die Hände hoch und zog am Zügel. Star warf den Kopf hoch, trabte aber brav weiter. Es funktionierte! Polly war begeistert. Sie hatte es geschafft. Star konnte in den Schulbetrieb eingesetzt werde.

 

Da hörte sie jemanden in die Hände klatschen. Sie hatte den Reitlehrer gar nicht bemerkt. Der aber sah den Anfänger auf Star rumhoppeln. Das Problem-Pony lief  brav seine Runden, bereit für den Schulbetrieb.

 

„Polly, Du hast einen guten Job gemacht!“, rief er ganz laut. Polly wurde rot. Sie platzte fast vor Stolz.

 

Für sie war das Osterfest bereits gerettet. Ostern konnte kommen…

 

(Fortsetzung folgt…)

 

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