Der Traum eines kleinen Mädchens...(128) Drucken
Geschrieben von: Uta Ludwig   
Mittwoch, 23. Mai 2012 um 15:34

Anton macht auf wichtig und intrigiert

 

 

Seitdem Polly hautnah eine Kolik bei dem Fuchswallach Burgos miterlebt hatte, beobachtete sie ihre Lieblingsponys noch genauer. Zwar musste Burgos operiert werden, befand sich nun aber auf dem Weg der Besserung. Polly durfte die Besitzerin zweimal in die Tierklinik begleiten, um sich dort von seiner Genesung zu überzeugen. Es war noch einmal gut gegangen für ihn. Ein Glück für Gudrun, die ihren ersten Burgos erst vor Kurzem verloren hatte.

 

Polly hatte von ihrem Taschengeld eine Flasche Salatöl gekauft und mit in den Reitstall gebracht. Sie wollte es ihren Lieblingen über das Futter geben, damit sie keine Kolik bekämen. Aber der Pitter, Pferdepfleger und für die Fütterung im Reitstall Hubertus zuständig, lehnte ihr Vorhaben ab. Das sei nicht nötig. Dabei wollte Polly doch nur einer Verstopfung vorbeugen. Der Pitter kapierte das aber nicht. Er wollte sich nicht in seinen Zuständigkeitsbereich reinpfuschen lassen.

 

Polly hatte in der Tierklinik den Gesprächen zwischen den Ärzten und Gudrun zugehört. Dabei hatte sie den Rat mit dem Salatöl aufgeschnappt. Später kam sie dazu, als Gudrun in der Tränke den anderen Pferdebesitzern davon erzählte. Einige Klugscheißer behaupteten, dass ausschließlich Diestelöl oder nur die hochwertigsten Öle gut für Pferde sein würden. Aber Polly wusste es besser. Der Arzt in der Klinik hatte Gudrun empfohlen, nur ein paar Tropfen über den Hafer zu geben, egal von welchem Salatöl. Es sollte aber in jedem Fall pflanzlich sein. Polly hatte das genau gehört.

 

Jedenfalls fiel Polly auf, dass mehrere Flaschen mit Salatöl in der Sattelkammer herumstanden. Also hatten doch einige der Privatpferdebesitzer sich den Fall mit Burgos zu Herzen genommen. Alle hatten nämlich mit Gudrun und den Fuchs mitgebangt. Nun durfte das Pferd morgen schon wieder in der Klinik abgeholt werden.

 

Die Einstaller und alle, die mitmachen wollten, hatten gesammelt. Aggi wollte einen „Begrüßungs-Kranz“ für Burgos an dessen Box heften. Gudrun wusste natürlich nichts davon. Es sollte eine Überraschung werden. An den Kranz wollten alle Freunde Möhren, Zückerchen, Leckerlis und eine Flaschen Sonnenblumenöl befestigen. Auf einer Grußkarte durften alle unterschreiben, die etwas dazu gegeben hatten. Bei Burgos Ankunft in seiner Box morgen Nachmittag würde sich Gudrun sicherlich riesig darüber freuen.

 

Polly und ihre Freunde von der Pony-Abteilung hatten auch mitgemacht. Obwohl Gudrun oft unnahbar wirkte und sich nicht viel um die jüngeren Reitkollegen scherte, beteiligten diese sich gerne. Die Kinder und Jugendlichen sprachen untereinander darüber, und es wurde ihnen doch bewusst, dass ein faires und sportliches Miteinander in so einer Stallgemeinschaft oder Verein etwas sehr cooles waren. Polly war erstaunt über so viel Mitgefühl. Sie selber fühlte sich besonders verpflichtet, weil Gudrun genau an dem Tag, als die Kolik auftrat, Polly hatte Burgos reiten lassen.

 

Noch während die Kinder und Jugendlichen über ihren eigenen Zusammenhalt in der Clique nachdachten, erschien Anton. Der hatte sich im Winter ja sehr um Polly bemüht. Es waren seitdem erst ein paar Monate vergangen, als er sich ständig in Pollys Nähe herumdrückte. Das war sogar den anderen aufgefallen. Sie machten ihre Späße darüber und zogen Anton und Polly damit auf. Die Situation erreichte ihren Höhepunkt, als Rolf Anton überredete, auf seinem Rih Reitstunden zu nehmen. Zuerst war das nur als Scherz gemeint. Aber als Anton in einer stillen Stunde auf das Angebot  zurück kam und Rolf bat, ihm doch tatsächlich das Reiten beizubringen, wurde die Situation brenzlich. Gleich beim ersten Mal fiel Anton runter und prellte sich das Steißbein. Von den Kindern hatte das keiner gesehen, erfahren hatten sie es dennoch am nächsten Tag, und das höhnische Gelächter war groß. Anton zog sich zurück. Seitdem kam er nur noch selten in den Stall.

 

Deswegen erfuhr er auch heute erst von Burgos` Kolik. Er ließ sich alles genau erklären, den ganzen Ablauf. Sein plötzliches Interesse für die Einzelheiten eines Pferdes betreffend, stieß auf Erstaunen. Aber jeder wusste noch eine Kleinigkeit hinzuzufügen. Die Kinder lachten fröhlich und nannten nachher Anton den Burgos-Kolik-Professor.

„ Ja“, sagte Anton auf einmal ganz ernst. „Ihr wisst ja, alles hängt immer mit allem zusammen. Ursache und Wirkung, versteht ihr?“ fragte er bedeutend. Damit hatte er die volle Aufmerksamkeit auf sich gelenkt. In diesem Moment wandte er seinen Blick auf Polly. Ruhig schaute er sie an. Dann sagte er: „Es ist schon auffallend, dass Burgos ausgerechnet dann eine lebensbedrohliche Kolik erleidet, kurz nachdem Polly ihn geritten hat.“

 

Polly blieb die Luft weg. Zu keiner Zeit hätte sie diesen Zusammenhang hergestellt. Schneeweiß war ihr Gesicht. Keinen klaren Gedanken konnte sie fassen, keine Erwiderung geben. Es fehlten die Worte. Taumelnd stand sie auf. Sie verließ das Reitstall-Gelände. Sie lief den Feldweg lang, der ins nirgendwo führt. Sie bemerkte es gar nicht. Reiten und Kolik, Kolik und Reiten, wo war der Zusammenhang? Was hatte die Kolik mit ihrem Reiten zu tun? Die Gedanken überschlugen sich in ihrem Kopf. Konnte das sein? Anton hatte in einem Recht. Es war das erste Mal gewesen, dass sie auf Burgos getrabt war. Es war auch das erste Mal. dass Burgos eine Kolik bekommen hatte. Aber ein Zusammenhang zwischen beidem…

 

Polly ließ sich ins Graß am Wegesrand fallen. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass ihr Tränen die Wangen herunter liefen. Es war so ungerecht. Was wollte Anton andeuten? Warum so etwas gemeines ihr, Polly, gegenüber zu unterstellen? Wieso machte er das? Was, wenn er seine Andeutungen Gudrun mitteilte? Pollys Ruf wäre für alle Zeiten ruiniert. Niemand würde ihr mehr sein Pferd auch nur zum Trockenreiten überlassen, geschweige denn einmal zum richtigen Rieten. Hatte Anton sich das so mit Absicht ausgedacht?

 

Polly hörte ihren Namen rufen. Es war Aggi, die den Weg entlang auf sie zukam. Die anderen hatten sich große Sorgen um Polly gemacht. Womit keiner von ihnen gerechnet hatte, war, dass Anton diese Ungeheuerlichkeit noch toppte. Bei deren Ankunft im Stall, lief er zu Gudrun hin und machte sie auf „seinen Zusammenhang“ aufmerksam.

 

„Blödmann“, rief sie nur Anton hinterher und ging schnurstracks ein Liedchen summend in den Stall. Für sie hatte das dumme Geschwätz keine Bedeutung. Sie hatte es schon wieder vergessen.

 

Aber Martine hatte Angst um Polly. Sie suchte Aggi, um der alles zu erzählen. Die war sofort losgelaufen, um Polly in den Feldern zu suchen. Das war gut so. Völlig zerstört lag Polly am Boden und weinte lautlos vor sich hin. Natürlich gelang es Aggi, Polly zu trösten und wieder aufzurichten. So ein grottentief dummes Geschwätz von einem Nicht-Reiter hatte keinerlei Bedeutung für irgendwen. Polly soll doch mal um sich schauen, wie schön die Welt sei. Aggi machte sie auf die herrlichen Tiere des Stalles aufmerksam, die blühenden Pflanzen, die imposanten Bäume und die vielen Freunde aus ihrer Clique. Polly blickte um sich. Es stimmte. Die Welt war schön. Ganz besonders zu dieser Jahreszeit.

(Fortsetzung folgt…)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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