Der Traum eines kleinen Mädchens...(136) Drucken
Geschrieben von: Uta Ludwig   
Mittwoch, 01. August 2012 um 13:02

Ein Traum ging in Erfüllung...

 

Erst vergangenes Wochenende war Polly aus dem Urlaub zurückgekehrt. Noch am gleichen Tag machte sie sich auf den Weg in den Reitstall. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte der Familienurlaub ganz ohne sie stattfinden können. Sie wäre viel lieber jeden Tag in ihren Reitstall gegangen, hätte sich den ganzen Tag, von morgens bis abends, dort aufzuhalten, das wäre echtes Glück gewesen. Aber der Familienrat hatte nun mal anders entschieden. Und sie musste sich  fügen. Ihre Sommerferien schienen von vornherein total versaut.

 

Noch auf der langen Autofahrt nach Bayern ahnte sie nicht, dass dieser harmlose, langweilige Familienurlaub in der Bergen für sie die allergrößte Wendung in ihrem Leben bedeuten würde. Mit der Beschreibung dieses Umstandes begann sie, ihren Freunden im Reitstall Hubertus die sich überschlagenden Ereignisse zu erzählen. Das Wesentlich aber ließ sie weg. Das erzählte sie noch nicht.

 

Polly schilderte in ausschweifenden Worten den Reitstall, den sie am Urlaubsort besuchen durfte. Sie beschrieb den jungen Reitlehrer, der nicht so langweilig war wie Herr van Hopps. Er sah umwerfend gut aus und gab einen Unterricht, bei dem man wirklich etwas lernen konnte. Dabei hatte er darauf verzichtet, seine Reitschüler so anzubrüllen, wie Herr Weber sich  wöchentlich bei den Turnierreitern im Stall Hubertus hervortat. Und der in Bayern war soooo süß gewesen! Polly verdrehte die Augen. Sie schwärmte. „Hast Du dich verliebt?“ fragte Maria in völliger Unschuld. Polly stutzte und blickte ihren Freunden in die gespannten Gesichter. „Ja, hab ich“, bestätigte sie. Aber nicht in den Volker. Das, allerdings, sagte Polly nicht.

 

Sofort wollten die Mädchen alles über den Reitlehrer wissen, Haarfarbe, Augenfarbe, groß oder klein von Statur, breite Schultern und überhaupt alles. „Konnte der gut reiten? So gut wie Joachim?“, fragte Harald, dem das ganze Gesülze von „sooo süß“ auf den Zeiger ging. „Natürlich“, war die knappe Antwort. „Hast Du die Handynummer von dem süßen Reitlehrer? Wie heißt der überhaupt?“ fragte Anne, „komm auf den Punkt.“ Polly hatte. Aber nicht, weil sie sich in ihn verliebt hätte. Es gab einen anderen Punkt.

 

Polly hatte die großen Neuigkeiten noch nicht erzählt. Sie hatte bis dahin noch nicht damit gerechnet, dass jemand ihr unterstellte, verliebt zu sein. Sich in einem Reitstall im Urlaubsparadies zu verlieben, wäre ein Traum aller ihrer Freundinnen gewesen. Doch Polly träumte einen ganz anderen Traum.

 

Die Jungs verschwanden hinter die Reithalle, dorthin, wo im letzten Jahr ein Skelett gefunden wurde. Den gruseligen Ort hatten sie zu „ihrem Treffpunkt“ gemacht, falls das blöde Gesülze der Tussen zu ätzend wurde. Dorthin würden die Mädchen wohl kaum folgen.

 

Die Mädchen blieben vorne bei den Fahrrädern  unter sich. Sie wollten jede Einzelheit über den coolen Reitlehrer erfahren. Wie aufgeregte Hühner schnatterten sie durcheinander. Dass Polly die Haarlänge von Volker, dem Urlaubsreitlehrer, nicht in Zentimetern angeben musste, war alles. Schließlich zog sie ein zerknittertes Foto aus der Reithosentasche, auf dem vordergründig ein dickes braunes Pferd zu sehen war, das von einem Jungen am Strick gehalten wurde.

 

„Ist er das?“, fragten die Freundinnen. „Das ist Volker. Mein Volker“, ergänzte Polly schnell. „Der ist doch wirklich süß, oder?“, fragte sie eifrig in die Runde. Anne seufzte. Sie würde nie so einem coolen Reiter begegnen, ihre Eltern fuhren nie in den Urlaub. Und hier in Hubertus….. Keine Chance! So tolle Typen tauchten hier nie auf. Joachim hin oder her. Der war ohnehin zu alt.

 

 

„Das Pferd auf dem Foto sieht so lieb aus“, sagte Marion leise. Keiner hatte auf das Pferd geschaut, nur auf den „süßen Volker“.  „Nicht wahr?“, sagte Polly. „Das ist Beauty und sie ist eine Schönheit“, fuhr sie fort. „Findet ihr sie auch so schön?“, fragte sie vorsichtig in die Runde. Erst dann schauten die Mädchen das Pferd genauer an. „Es ist genauso süß wie Dein Volker“, sagte Anne. „Durftest Du sie reiten?“, fragte Cordula interessiert.

 

In dem Moment kam Pollys Mama um die Ecke mit einem Tablett voller Getränke für alle. Die Mädchen sprangen auf, und Maria wurde geschickt, um den Jungs Bescheid zu sagen, sie sollten wieder dazu kommen. Für jeden gab es etwas zu trinken. Pollys Mama verschwand erneut mit dem leeren Tablett.

 

„Wieso ist Deine Mama um diese Tageszeit im Stall? Musst Du jetzt schon nach Hause?“ fragte Cordula. Polly tat geheimnisvoll. „Nein, nach Hause muss ich nun auf keinen Fall. Wir warten“, sagte sie, ohne weitere Erklärungen abzugeben. Martine schaute sie verständnislos an und schüttelte den Kopf. Ihre Freundin benahm sich wahrlich komisch. Sie musste verliebt sein. Daran bestand kein Zweifel. So ein Verhalten…

 

Während diejenigen von ihrem Ferienerlebnissen erzählten, die ebenfalls mit ihren Eltern wegfahren musste oder die jeden Tag in den Reitstall kommen durften, stellten die Mädchen immer wieder Fragen nach dem coolen Volker. Ob Polly noch mehr Fotos hätte, wo er vielleicht besser drauf zu sehen wäre? Sie wollten wissen, ob Polly Volker wiedersehen würde. Plane Polly, in den Herbstferien wieder nach Bayern zu reisen, um Volker zu treffen? Und so kam eine Frage nach der anderen. Cordula wollte wissen, ob Volker Spring- oder Dressurreiter wäre. Sie interessierte sich für dessen reiterliche Qualifikation. Anne, Brigitta und Martine und überhaupt die anderen Mädchen wollten ganz intime Dinge über Volker wissen. „Hat der Tatoos?“ fragte Brigitta. Polly wusste es nicht Sie hatte keines gesehen. Enttäuscht hielt Brigitta von da ab den Mund.

 

„Was ist los? Wartest Du auf jemanden?“ fragte Martine. Ihr fiel auf, dass Polly andauernd zur Auffahrt schaute oder auf das Display ihres Handys. Dabei flackerten ihre Augen aufgeregt. Ständig stellte sie ihr Fahrrad ab, nur um sich dann wieder auf dessen Gepäckträger zu setzen. Das war die Position, die alle einnahmen, wenn sie vor dem Stall abhingen.

 

Noch während Martine Polly fragend anschaute, bog ein silberner LKW in die Zufahrt zum Reitgelände ein. Seitlich waren ein Spring- und ein Dressurpferd aufgemalt Ein fremder Pferde-Transporter kam an. Es war nicht der übliche, der normalerweise neue Schulponys mitbrachte. Den Kindern war der LKW völlig unbekannt.

 

Ein junger Mann kletterte aus dem erhöhten Führerhaus heraus. Anne blieb der Mund offenstehen. Brigitta und Petra auch. Sie starrten den Jungen an. „Das ist doch Dein Volker!“ rief da Anne. Er war es. Pollys Freunde nuckelten an den Strohhalmen ihrer Getränke. Aber die Mädchen schienen völlig erstarrt. Volker sah göttlich aus und er kam direkt auf sie zu.

 

„Hallo, Polly! Hast Du schon sehnsüchtig gewartet?“ rief er Polly lachend  entgegen. Die wurde rot vor… vor…vor was denn eigentlich? Voller Freude, und ein bisschen verlegen rannte sie dem Volker entgegen, fasste ihn bei der Hand und drehte ihn direkt wieder zu seinem Fahrzeug um. Sie zog ihn hinter sich her. Dabei war ihr völlig bewusst, dass jede einzelne ihrer Bewegungen registriert würde.

 

Dann ließ Volker die Rampe herunter. Voller Neugierde starrten alle zum LKW, wo nun Polly ein kleines, dickes Pferdchen herabführte, an den erstaunten Freunden vorbei in den Stall. Ihre Mama hatte dafür gesorgt, dass eine Box fertiggemacht wurde, während die Kinder draußen abhingen.

 

Nicht nur Pollys Mama wischte sich eine Träne weg. Die Freude ihrer Tochter war unbeschreiblich. Die konnte ihr Glück immer noch nicht fassen. Erst, als Volker hinter sie trat und seinen Arm um sie legte, merkte sie, dass ihr alle in den Stall gefolgt waren. Sie standen versammelt vor Beautys neuer Box. Volker  drückte sie und gab ihr ein Küsschen auf die Wange. „Viel Glück mit Deiner Beauty“, sagte er -  und dann wollte er etwas zu essen haben. Schließlich hatte er eine lange Fahrt hinter sich.

 

Polly hätte nie gedacht, dass alle ihre Freunde sich so für sie mitfreuen würden. Jedes Detail musste sie erzählen, wie es dazu kam, dass ihr Papa Beauty am Urlaubsort kaufte, er war doch ständig gegen ein eigenes Pferd für seine Tochter gewesen, hatte täglich stur alle möglichen Gründe gefunden, kein Pferd zu kaufen.

 

Immer wieder erzählte Polly ihren Freunden, dass sie an den ersten Tagen jeweils einen Schwarzwälder Fuchs reiten musste, erst am fünften Urlaubstag lernte sie Beauty kennen. Von da an war sie von diesem Pferd nicht mehr zu trennen. Und so zog Beauty in den Reitstall Hubertus ein. Die Stute gehörte Polly, war Pollys erstes eigenes Pferd. Der Traum vom eigenen Pferd hatte sich erfüllt.

 

(Fortsetzung folgt…)

 

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