Der Traum eines kleinen Mädchens...(146) Drucken
Geschrieben von: Uta Ludwig   
Donnerstag, 18. Oktober 2012 um 12:21

 

Herr Neureich und der Trainer prügeln sich...

 

 

Polly konnte ihre Beauty behalten. Sie freute sich auf  jeden Tag im Reitstall,  um sich dort um ihr Pferd zu kümmern können und es zu reiten. In den letzten Tagen war die Stimmung bei ihr und unter ihren Freunden sehr gut. Petra, die sich sonst immer etwas mürrisch und einsilbig gab, zeigte sich ausgesprochen aufgeschlossen in der Clique. Sie hatte, wie nicht anders erwartet, ein Groß-Pferd erhalten, nachdem ihr Pony Diana verkauft worden war.

 

Inzwischen nahmen schon einige mehr von Pollys Freunden aus der Jugend-Clique an der Turnier-Abteilung teil. Sie alle waren ehrgeizig und trainierten regelmäßig. Jeder wollte ein großer Turnierreiter werden. Die Mädchen sprachen oft über ihre Vorbilder aus dem Turniersport. Bei ihnen kamen sie alle aus dem Dressursport, bei den Jungs spielten dies keine besondere Rolle. Nur wenn die Mädchen mal wieder in  Überzahl waren, gaben sie zu, dass auch sie Vorbilder hatten. Meistens allerdings aus dem internationalen Springsport.

 

Seltsamerweise bewunderte Carl-Alfred einen deutschen Springreiter sehr. Es handelte sich nicht um Ludger Beerbaum oder Meredith Michaels-Beerbaum, sondern um Ulli Kirchhoff. Aber natürlich besaß Carl-Alfred kein Autogramm von Ulli Kirchhoff. Es war nur bei den Mädchen üblich, so viele Autorgramme wie möglich zu sammeln. Hier hatte Brigitta die Nase vorn, weil ihr Vater so überaus engagiert war und den Aufwand auf sich nahm, mit der ganzen Familie an vielen Wochenenden zu großen Reitturnieren zu fahren.

 

Dort hatten dann Brigitta und Martine viele Gelegenheiten, erfolgreiche Reiter um ein Autogramm zu bitten. Neulich erst ergatterte Brigitta ein Autogramm von Adelinde Cornelissen aus den Niederlanden. Nicht nur das, sondern, und das wog viel mehr, sie erfragte sogar ein Autogramm vom berühmten niederländischen Trainer Sjef Janssen. Das war jener international bekannte Trainer, der die Olympischen Spiele in London abwarten musste, um danach den tollen Hengst Totilas, der sich in deutschem Besitz befindet, trainieren zu dürfen. Das Problem damals war der Umstand, dass er als niederländischer Coach vom holländischen Team nicht gleichzeitig einen deutschen Aspiranten trainieren durfte.

 

Mit diesem Autogramm übertraf Brigitta ihre Freundinnen. Dabei tat Brigitta auch noch so, als würde sie den Sjef Janssen von nun ab auch noch persönlich kennen. Es wäre daher nur eine Frage der Zeit, wann sie einmal zu Totilas in den Stall käme und gleichzeitig auch vom Reiter Matthias Rath ein Autogramm erhalten würde. Wenn das zuträfe, sagten sich Polly und die anderen Mädchen, dann könnten sie ihre Autogrammsammlungen gleich verbrennen.

 

Brigitta war sowieso so ein spezieller Fall. Ihr Vater, der Herr Neureich, pushte sie immer in den Vordergrund. Er setzte alles daran, dass seine Tochter eine große Dressurreiterin werde. Brigitta nahm immer noch an der Turnier-Stunde bei Herrn Weber teil. Zusätzlich aber kutschierte ihr Vater sie mit ihrer Rappstute ein mal in der Woche nach Düsseldorf zu einem besonderen Trainer. Polly hatte den Namen zwar noch nie gehört und deswegen auch sofort wieder vergessen, aber insgeheim beneidete sie ihre Kollegin. Ihre eigenen Eltern duldeten mehr das Reiten, als dass sie Polly unterstützten. Polly war sehr wohl bewusst, dass Herr Neureich eine Menge Geld in Brigittas Ausbildung stopfte, wozu ihre eigenen Eltern wiederum in keiner Weise bereit waren.

 

Gestern fand wieder die Jugend-Turnier-Stunde bei Herrn Weber statt. Pünktlich um siebzehn Uhr stand der Reitlehrer in der Bahn. Genauso pünktlich fand sich auch Herr Neureich ein, der stand allerdings außerhalb hinter der Bande. Die jungen Reiter kannten das schon von ihm. Sie hassten es. Kaum war die Löse-Phase mit Leichttraben beendet und Herr Weber ließ aussitzen, da meldete sich Herr Neureich und sagte zum Beispiel, dass seine Tochter noch fünf Minuten länger zum Lösen ihres Pferdes benötige.

 

Als von dem Trainer das Kommando „Aussitzen“ kam, schrie Herr Neureich in die Bahn: „Brigitta, Du trabst weiter leicht…“

 

Herr Weber reagierte überhaupt nicht darauf. Polly und Anja schauten sich in dem Moment an und verdrehten die Augen. Immer diese Extrawürste!

 

„Abteilung bilden!“, kam das nächste Kommando. Dabei bestimmte Herr Weber, dass Carl-Alfred mit seiner Schimmelstute die Tete übernehmen sollte. Diese Stute rannte immer so hektisch, dass Carl-Alfred sie kaum hinter einem anderen Pferd unter Kontrolle bringen konnte.

 

„Brigitta, setz Dich davor. Solana kann nicht hinter einem anderen Pferd her laufen!“, mischte sich Herr Neureich wieder ein. Dabei brüllte er wieder von der Bande aus in die Reitbahn und überging die Anweisungen des Trainers zum wiederholten Male.

 

Diesmal ritt Petra auf ihrem neuen Pferd gerade neben Polly. Wieder warfen sich die Mädchen Blicke zu und verdrehten die Augen. Der Vater von Brigitta ging allen gehörig auf den Zeiger.

 

Polly sah, dass der Nacken von Herrn Weber dunkelrot aus dem Hemdkragen hervorschaute. Er sagte aber immer noch nichts. Er ließ die Abteilung Schlangenlinien an den langen Seiten und durch die ganze Bahn reiten. Dabei erläuterte er, dass es auf die Umstellung und die jeweilige Biegung des Pferdekörpers ankäme. Er wollte bei den Pferden eine größere Durchlässigkeit erreichen.

 

Polly wusste, dass das häufige Umstellen und Handwechseln auch dazu führte, die Pferde einfacher an den Zügel zu reiten. Der Trainer nutzte die schnell aufeinanderfolgenden Lektionen auch dazu, die Konzentration der jungen Reiter auf die gestellten Aufgaben zu fokussieren.

 

Bei Beauty stellte sich ein Erfolg schnell ein. Polly gab sich große Mühe, die Umstellungen von der rechten zur linken Hand korrekt zu reiten. Eine Pferdelänge geradeaus, dann andere Hand. Dabei zählte sie die Schritte von Beauty, die das Pferd geradegestellt sein musste. Fünf bis sieben Schritte geradeaus, dann neue Stellung.

 

Während Beauty immer weicher wurde und auf ihrem Gebiss kaute, ging die Rappstute von Brigitta durch. Sie rannte einfach geradeaus an der langen Seite der Bahn. Sofort schrie Herr Neureich: „So ein junges Pferd muss erstmal seinen Takt finden und geradeaus laufen!“

 

Herr Neureich schrie nun dauernd irgendetwas von der Bande aus. Dann maulte er, der Weber mit seinen Scheiß-Schlangenlinien sei es Schuld, dass die Stute seiner Tochter nur noch rennen würde. Das junge Pferd sei für immer verdorben, Herr Weber hätte überhaupt keine Ahnung!

 

„Abteilung durchparieren zum Schritt!“, kommandierte Herr Weber. Langsam stapfte er in Reitstiefeln durch den Hallenboden auf die Bandentüre zu. Er öffnete sie und verlangte von Herrn Neureich, den Ort zu verlassen und das augenblicklich. Herr Neureich störe seinen Unterricht.

 

Herr Neureich, der ziemlich dick war, trat seinerseits auf Herrn Weber zu, baute sich vor ihm auf und schrie zurück, wenn sein Pferd in der Bahn wäre, hätte er alles Recht der Welt, es zu beaufsichtigen. Schließlich befinde sich seine Tochter und das Pferd in der Ausbildung. Außerdem seien beide so veranlagt, einmal zur Weltspitze zu gehören und das ließe er sich von so einem Wald- und Wiesentrainer nicht versauen.

 

Herr Neureich machte noch einen Schritt auf Herrn Weber zu, brüllend, dass er sich seine talentierte Tochter und das Spitzenpferd in dieser Stunde nicht für alle Zeiten kaputt machen ließe.

 

Herr Weber blieb ruhig und wich aber zurück in die Bahn. Herr Neureich, seinerseits nun mit hochrotem Kopf, folgte ihm. Das nahm der Trainer zum Anlass, nun endgültig sich eine Störung seiner Reitstunden durch Außenstehende zu verbieten. Seinerseits wurde er nun ebenfalls laut und verwies den schimpfenden Pferdebesitzer der Bahn. „Mich schreit keiner an!“, brüllte Herr Neureich, holte aus und Schlug Herrn Weber seine Faust ans Kinn. Der ging zu Boden.

 

Polly und die anderen hatten schon lange angehalten. Nun sahen sie Ihren Dressurtrainer am Boden liegen. Nur langsam rappelte der sich wieder auf und kam auf die Füße. Sein Kopf war voller Sand. Er stürmte auf den Wüterich zu und schlug ihn mit voller Wucht gegen die Brust und ins Gesicht. Herr Neureich taumelte. Er wehrte sich. Der Trainer und Brigittas Vater prügelten sich vor allen jungen Reiter, die eigentlich nur etwas Dressur reiten wollten.

 

Schließlich sprang Martine von ihrem Pferd, ließ es einfach stehen und lief in den Stall. Sie holte Joachim. Es kamen auch andere.

 

Schnell wurden die beiden Streithähne auseinander gebracht. Beide Männer bluteten am Kopf. Herr Neureich hielt sich den Arm. Er tat ihm weh. „Selber Schuld!“, dachte Polly. Der hätte schon längst mal eins auf  die Zehn bekommen müssen. Der störte doch immer die Trainerstunde der Jugendlichen, wenn seine Tochter mit ritt. Soll die doch mit ihrer Superstute woanders hingehen! Hier brauchte die keiner!

 

Polly ritt ihre Beauty trocken. Anja ritt neben ihr. Beide Mädchen fürchteten die Konsequenzen dieser Eskapaden. Noch nie hatte man erlebt, dass sich zwei Erwachsene so prügelten, wie kleine Schuljungen. Und das nur wegen Schlangenlinien.

 

Polly und Anja befürchteten, dass Herr Weber nun nicht mehr kommen würde. Er hatte ja lauthals angekündigt, dass er sich so ein Verhalten bei seiner Trainerstunde nicht bieten lassen würde. Recht hatte er. Eigentlich. Aber wer sollte die Jugendlichen sonst auf Turniere vorbereiten? Polly hatte keine Ahnung. Aber sie wollte doch noch viel besser werden, wollte doch bald mal auf einem Turnier eine Prüfung gewinnen. In diesem Moment hätte sie Herrn Neureich ermorden können.

 

(Fortsetzung folgt…)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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