Jessica von Bredow-Werndl - die gewünschte Olympiasiegerin Drucken
Geschrieben von: Dieter Ludwig   
Mittwoch, 28. Juli 2021 um 16:57

Tokio. Mit Gold und Silber für die deutschen Dressurreiterinnen endete das Einzelfinale der 32. Olympischen Sommerspiele in Tokio. Das Richten sollte wieder einmal hinterfragt werden…

 

 

Die deutsche Dressur hat bei Olympia wieder einmal voll und ganz das Soll erfüllt. Von vier möglichen Medaillen gewannen sie drei. Zum Abschluss ließ sich Debütantin Jessica von Bredow-Werndl aus dem bayerischen Aubenhausen auch im Einzel mit Gold schmücken, sie siegte in der entscheidenden Kür auf der Trakehnerstute Dalera BB mit 91,732 Prozentpunkten vor Isabell Werth (Rheinberg) auf Bella Rose (89,657) und der früheren zweimaligen Einzel-Goldmedaillengewinnerin Charlotte Dujardin (Großbritannien) auf Gio (88,543). Es war die achte Einzel-Goldmedaille für den deutschen Dressursport seit 1928.

Wer sich nur ein bisschen im Dschungel der Dressurpolitik auskennt, konnte den Ausgang bereits nach dem Auftakt ahnen. Den Grand Prix gewann die blonde Bayerin Jessica von Bredow-Werndl und auch den Grand Prix Special, bis zum Finale lagen für die Richter nicht nur einige Stunden dazwischen, auch - wie üblicherweise bekannt in diesen Kreisen - die Diskussionen, Ansichten, Sichtweisen oder Wertung.

Für den Kenner war klar, dass nach zweimal Erfolg in den vorausgegangen Wettbewerben die Olympiasiegerin nur Jessica von Bredow-Werndl (35) heißen konnte, außer, die Trakehnerstute im Besitz einer internationalen Schweizer Dressurrichterin, wäre aus dem Viereck gesprungen.  Und es konnte auch deshalb kaum erwartet werden, die Reiterin würde forsch nach vorne reiten, auf Angriff mit Blick auf die erste persönliche Olympische Goldmedaille. Dafür läuft eben der Dressurbetrieb in ganz besonders abgesteckten Bahnen. Deshalb erlebte der Betrachter am Fernsehschirm einen recht verhaltenen Ritt der gut sitzenden deutschen Meisterin im Sattel von Dalera, ziemlich fehlerlos, auf Sicherheit, aber auch ohne Höhepunkte. Und die Reiterin sagte später selbst, sie sei auf Vorsicht geritten. Sie gewann, ihr ist kein Vorwurf zu machen. Sie war in der Prüfung mutterseelenallein mit ihrem Pferd Dalera im riesigen Viereck, die Noten wurden von sieben Juroren verteilt.

Wenige Minuten später ritt Isabell Werth (52) mit Bella Rose ihr Programm, mit viel höheren Schwierigkeiten, fehlerlos. Sie sah wie die Olympiasiegerin aus, doch die Richter sahen es eben anders. Und wie im ganz normalen Leben ist der Richter unfehlbar, nicht angreifbar. Er hat immer Recht und muss sich nirgendwo rechtfertigen. Und genau dort, wo menschliches beeinflussbares Empfinden einsetzt, vielleicht somit auch die Meinung keimt, man müsste mal ein neues Gesicht oder Pferd vorne haben, vielleicht deshalb erhielten Jessica von Bredow-Werndl und Dalera die meisten Punkte, und damit waren Isabell Werth und Bella Rose chancenlos, obwohl sie eine fantastische Kür zelebrierten.

Auf Jessica von Bredow-Werndl und Dalera ließen die Juroren für Rhythmus, Kraft und Elastizität, Harmonie, Zusammenspiel von Pferd und Reiter, Choreographie, Einteilung des Vierecks, Schwierigkeitsgrad, Risiko und Musik und Interpretation nur einmal wie aus Versehen eine 8 aufschreiben, ansonsten alle weiteren Noten zwischen 9 und 10, die Höchstnote gar 17 mal, bei Bella Rose hielt sich das Gremium durchaus sehr bedeckt, scheu, obwohl auch die Reiterin meinte: „Besser geht es nicht, ich glaubte, ich hätte es gepackt…“ Und beim Setzen der Reiter  herrschte unter den Richtern ebenfalls Einigkeit: Alle hatten Jessica von Bredow-Werndl auf Rang 1, die anderen – bis auf die Australierin – Isabell Wreth mit Bella Rose auf 2.

Eines wurde jedenfalls wieder einmal sichtbar: Der Dressursport wollte eine neue Galionsfigur. Und die Dressurrichter kamen dem Wunsch nach. Das war schon früher nicht anders, als Christine Stückelberger mit Granat nach vorne ritt, Reiner Klimke mit Ahlerich, Anne-Grete Jensen mit Marzog, Nicole Uphoff und Rembrandt, Isabell Werth mit Gigolo, Anky van Grunsven mit Bonfire oder zuletzt Charlotte Dujardin auf Valegro. Über Isabell Werth, die bei Olympia seit 1992 siebenmal Gold und fünfmal Silber gewann, lässt sich eines sagen: Wie sehr muss die erfolgreichste Dressurreiterin aller Zeiten diesen Sport lieben, um nicht längst abzusatteln…

Kür als Einzelentscheidung

 

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