Ludger Beerbaum: "Carsten Otto Nagel kommt ins Finale um den Weltmeistertitel" Drucken
Geschrieben von: Dieter Ludwig   
Donnerstag, 07. Oktober 2010 um 15:10

 

Die deustche Jubel-Equipe nach Goldgewinn (von links) Carsten-Otto Nagel, Meredith Michaels-Beerbaum, Marcus Ehning und Janne-Friederike Meyer

(Foto: Kit Houghton/ FEI)

 

Lexington. In Deutschland ist die Springreiter-Welt wieder in Ordnung. Zwölf Jahre nach dem letzten Titelgewinn in Rom wurde eine Equipe wieder Weltmeister, dabei erstmals mit zwei Damen im Team. Und Equipechef und Bundestrainer Otto Becker wurde in Lexington nach eigenen Worten auch erstmals Weltmeister, und mit ihm sein Co-Trainer Heiner Engemann.

 

 

Morgens um sieben war auch in Italien die Welt wieder in Ordnung, jedenfalls bei Ulrich Kirchhoff. In Arezzo griff der Olympiasieger von 1996 zum Mobil-Telefon und „hatte gleich beide – Otto Becker und Heiner Engemann - an der Strippe. Ich habe ihnen gratuliert und gesagt, welch` tollen Job sie gemacht haben". Er habe schon vor der Abreise prophezeit, dass Deutschland „Silber holt. An Gold hätte ich nicht gedacht“. Für ihn waren die Amis die klaren Fvaoriten. Dabei stürzten die Gastgeber um den Teamtitel brutal ab. Die Equipe – bestens vertraut mit Parcours und Boden im eigenen Land – belegte gerade mal den zehnten Platz. Und was sicher noch bitterer aufstößt, lediglich Laura Kraut auf Cedric erreichte die dritte Qualifikation mit 30 Startern zum Erreichen des eigentlichen Finals der vier Letzten von 121 Teilnehmern aus dem Auftaktspringen. Ulli Kirchhoff, zuhause inzwischen in Mailand: „Das ist die Strafe dafür, dass die Amis kein Turnier in Europa ausließen, jetzt waren die Pferde müde.“

 

Selten wurden die US-Amerikaner so gedemütigt. Und auch der gerne als großer und weiser Coach gelobte George Morris stand hilflos am Ausritt, emotionslos verfolgte er die teilweise Chaotenritte seiner Mannschaft. Ganz schlimm der aus Kanada übernommene ehemalige Weltcupsieger Mario Deslauriers, der auf Urico regelrecht hirnlos gegen die zweifache Kombination im entscheidenden Umlauf um die Medaillen anritt und nur Dank seines Wallachs nicht aus dem Sattel flog, auch nicht viel besser McLain Ward, der schon beinahe als heimlicher Weltmeister gefeierte  zweimalige Team-Olympiasieger. Er, der nach dem Zeitspringen hinter Deslauriers Zweiter war, räumte in den beiden anstehenden Prüfungen auf der wunderbaren belgischen Stute Sapphire richtig auf: Kein Patzer am ersten Tag, dann gleich zwölf Fehlerpunkte – Aus, Schluss, Amen.

 

Becker und Engemann – ein gutes Team

 

Cheftrainer Otto Becker (51) und sein um knapp ein Jahr jüngere Kompagnon Heinrich-Hermann Engemann haben alles richtig gemacht, was sich leicht sagt, wenn gewonnen wurde. Aber sie verfielen vorher nicht in Panik, als zum Beispiel der Rudelführer Ludger Beerbaum nicht richtig in die Spur kam und von sich aus absagte. Da hätte bei einigen mehr als das Hemd geflattert. Nicht so bei Becker und Engemann. Sie kommen aus dem Sport, sind beide unabhängig, nicht im Pferdehandel verwickelt. Alles wird be- und abgesprochen. Beide vertrauten mit dem Ausschuss auf neue und auch bekannte Kräfte. Zum Beispiel auf die gerademal 28 Jahre alte Janne-Friederike Meyer. Die Blonde aus dem Norden bewies dennoch im Vorfeld mehr als Können, auch Courage, nämlich nicht mit einem kleinen Kondenzstreifen in der Hose zu den wahrlich nicht gerade einfachen Nationenpreisen in Rom, Rotterdam oder Aachen angetreten zu sein. Sie bestand die wirklichen Examina mit Bravour. Nun ist die deutsche Exmeisterin gar Weltmeisterin und sagte hinterher: „Ich war teilweise völlig durcheinander, ich wusste manchmal nicht, wie viele Galoppsprünge ich zwischen den Kombinationen wählen sollte. Ich habe teilweise meinem Wallach vertraut.“ Und was hatte Otto Becker ihr geraten? „Vertraue auf Deinen Instinkt“, hatte er gesagt.

 

„Carsten-Otto erreicht das Finale...“

 

Für den daheim gebliebenen Ludger Beerbaum (47) ist eines bereits klar: „Carsten-Otto Nagel kommt ins Finale. Diese Stute macht keinen Fehler mehr. Die würde auch keine Stange runter treten, wenn die Weltmeisterschaft noch sechs Wochen dauern würde.“ Für den viermaligen Olympiasieger und deutschen Rekord-Nationen-Preisreiter („die deutsche Equipe hatte einen großartigen Auftritt“) stehen um die Weltmeisterschaft neben dem zweimaligen deutschen Derbygewinner und Vize-Europameister Nagel auf der Holsteiner Stute Corradina auch Brasiliens Olympiasieger von Athen Rodrigo Pessoa auf Rebozo, der Belgier Philippe LeJeune auf Vigo d`Arsouilles und Kanadas Goldmedaillen-Gewinner von Hongkong, Eric Lamaze auf Hickstead.

 

In der dritten Wertungsprüfung am späten Freitagabend (ab 23.30 Uhr MEZ) sind alle vier deutschen Teilnehmer dabei, ganz vorne Carsten-Otto Nagel aus Wedel, der über seine Corradina nur sagte: „Sie springt wie von einem anderen Stern. Sie ist einfach unglaublich.“ Der 48 Jahre alte hagere Holsteiner, der eine Teilnahme bei Olympia 2008 als ersatzmann verweigerte,  ist bisher mit 3,24 Fehlerpunkten Dritter hinter Pessoa (2,8) und LeJeune (3,11), auf Platz 4 folgt Lamaze (3,390).

 

In der Warteschleife kreisen aber auch vor der dritten Qualifikation der Kanadier John Pearce (3,7) auf  Chianto, Schwedens Olympia-Zweiter Rolf-Göran Bengtsson auf Ninja La Silla (5,37), der Saudi-Araber Khelad Al Eid auf Presley Boy (6,2) und der Ire Billy Twomey auf Serenade (6,5) – Kirchhoffs Mit-Favorit für das Finale.

 

Janne-Friederike Meyer weist bisher auf Rang 15 nunmehr 9,31 Fehlerpunkte auf, Meredith Michaels-Beerbaum mit Checkmate bisher 9,79 Fehlerpunkte drei Plätze dahinter, und Reitästhet Marcus Ehning (Borken) auf  Plot Blue hat bisher 12,77 Strafpunkte, damit wird  der dreimalige Weltcupsieger auf Position 27 geführt.  Er bedankte sich nach dem Mannschaftserfolg vor allem bei seinen Mitreitern und sagte: „Ich danke euch, dass ich Weltmeister werden durfte.“ Otto Becker sagte: „Auch ich bin erstmals Weltmeister geworden. Ich bin stolz und glücklich. Wir haben einfach eine tolle Truppe.“

 

Ein bisschen „Moos“ gab es auch...

 

Nicht gerade üppig ist das Preisgeld dieser 6. Weltreiterspiele, dafür wird auf der anderen Seite genommen von den Veranstaltern, was nur zu greifen ist. So kostete das Hotelzimmer für den Mannheimer Spring-Ausschuss-Vorsitzenden Peter Hofmann 500 Dollar, umgerechnet 380 Euro – pro Nacht...

 

Deutschland als neuer Weltmeister erhielt umgerechnet 22.800 Euro, an Vizeweltmeister Frankreich gingen 15.200 und an Belgien als WM-Dritter 10.300 – pro Team, versteht sich. Für einen Parkplatzschein mussten die Mannschaften pro Wagen rund 800 Euro hinlegen.

 

 

 

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