Deutsche Dressur ohne Beispiel - auch an Erfolgen Drucken
Geschrieben von: Dieter Ludwig   
Sonntag, 25. August 2019 um 12:58

Isabell Werth und Bella Rose - oder die Leichtigkeit des Seins...

(Foto: FEI)

Rotterdam. Mit einem bisher einmaligen Triumph für die deutschen Teilnehmerinnen endete zum Abschluss der Dressur-Europameisterschaften in Rotterdam die Kürentscheidung: Alle drei Medaillen nahmen sie mit. Organisation ließ sehr zu wünschen übrig, und die schmucklose Arena hübschte erst an den letzten drei Tagen der Florist Thomas Dietz auf…

 

Die erste Mannschafts-Europameisterschaft fand 1965 in Kopenhagen statt, und das Gewinnerteam hieß vor der Schweiz und der damaligen UdSSR-Equipe Deutschland mit Dr. Reiner Klimke auf Arcadius, Harry Boldt mit Remus und Josef Neckermann auf Antoinette. Danach folgten bis ins Jahr 2005 weitere 20 deutsche Erfolge, der deutsche Dressursport förderte Langeweile, wichtig und schwierig war nur, überhaupt nominiert zu werden. Die deutsche Ausbildungslehre dominierte, dazu kam auch damals bereits die großartige deutsche Zucht. Mit dem Zusammenbruch der UdSSR verschwand die Dressur der damaligen Ostblockstaaten in der Versenkung, die DDR gab es auch nicht mehr, dort hatte man mit sich selbst zu tun, doch Nachbar Niederlande löckte gegen den Stachel, dort in erster Linie Sjef Janssen (heute 69). Er ritt selbst Championate und wurde Bondscoach in seiner Heimat. Ein wahrlich Verbissener, In den Anfängen seines Reiterdaseins beispielsweise fuhr auch zum CHIO nach Aachen, „ganz früh, ich wollte vor allem das Abreiten und Training sehen.“ Er habe viel vom Beobachten, vom Zuhören und Lesen gelernt. Er nahm auch an einem Lehrgang für Beschlagschmiede teil, „ich wollte mir nirgends etwas vormachen lassen.“

Seine nun 51 Jahre alte Ehefrau Anky van Grunsven, später zweimalige Einzel-Olympiasiegerin und Rekord-Weltcupgewinnerin, nach wie vor das große Sportidol im Land unterhalb des Meeresspiegels, sagte mal: „Die Deutschen müssen doch als Mannschaft endlich einmal zu schlagen sein.“ Das war erstmals 2007 bei der Europameisterschaft der Fall in La Mandria bei Turin – Holland vor Deutschland. Die niederländischen Journalisten höhnten gegenüber den deutschen Kollegen: „Jetzt könnt ihr die Fahrräder behalten…“ In Anspielung darauf, dass deutsche Soldaten im Zweiten Weltkrieg vor allem Hollandräder geklaut hatten.

Zwei Jahre später hieß der Europameister wieder Niederlande, dann folgte 2011 Großbritannien mit der großartigen Charlotte Dujardin auf Valegro, 2015 nochmals Holland und seither dominieren wieder deutsche Equipen. Bei der 28. kontinentalen Meisterschaft, von der Klasse und Qualität her wohl das größte Dressurereignis alle zwei Jahre weltweit, zum 24. mal mit einer Goldmedaille für die deutsche Equipe von Bundestrainertrainerin Monica Thedorescu, einst selbst überall und überaus erfolgreich, die sagte: „Hinter allem steckt viel, viel Arbeit und Passion.“ Olympia in Tokio im nächstes Jahr in Tokio ohne Teamgold, das wäre eine mehr als große Überraschung. Doch in der japanischen Hauptstadt stellen nur drei Reiter eine Equipe, fällt nur einer aus, ist eine Teammedaille mitverloren. Und über allen Mannschaften schwebt bedrohlich die teilweise nur schwer vermittelbare sogenannte „Blutregel“. Die kostete nun in  Rotterdam der britischen Mannschaft eine ziemlich sichere Medaille, durch die Disqualifikation von Charlotte Dujardin. Die zweimalige Einzel-Olympiasiegerin hatte mit der Hannoveraner Stute Freestyle im Grand Prix als Teamprüfung hinter Isabell Werth das zweitbeste Resultat erzielt, doch dann wurde bei der zehnjährigen Fidermark-Donnerhall-Stute am Körper wohl durch den Sporeneinsatz ein winziger blutender Kratzer durch den Steward entdeckt – darauf erfolgte nach dem Reglement der Ausschluss aus der Konkurrenz. „Es waren keine drei Millimeter“, sagte Belgiens Springreiter-Coach Peter Weinberg, „ich habe es selbst gesehen. Aber das Reglement will es eben so.“

Isabell Werth und kein Ende…

Nach der Teamentscheidung folgte ein wahres Schaulaufen von Isabell Werth (50) in den beiden Prüfungen um die Einzelmedaillen im Grand Prix Special und in der Kür. Und sie gewann beide mit der 15-jährigen Belissimo-Tochter, jeweils knapp vor der gleichaltrigen Reitmeisterin Dorothee Schneider (Framersheim) auf Showtime, aber im großen Sport und in der Öffentlichkeit zählen nur bei Insidern Punkte, und ein Sieger muss sich nicht entschuldigen, denn über seine Leistung entscheiden andere. In Rotterdam waren es sieben. Und von ihnen wurde im Grand Pix Special nicht weniger als 59 mal für Bella Rose und Isabell Werth die Höchstnote „10“ der jeweiligen Schreibdame diktiert, die Kürvorstellung zu 90,875 waren den Juroren 29 mal die „10“ wert, sechs Richter zückten die Bestmarke für Musik und Interpretation. Ihr Kommentar mit einem Schalk im Gesicht: „Kein Kunststück, bei einem solchen Pferd…“ Und dass Jessica von Bredow-Werndl (Aubenhausen) mit der Trakehnerstute Dalera die Kür zu einem bisher einzigartigen Triumph der deutschen Dressur mit Bronze (89,107) abrundete, zeigt auf, dass die deutsche Lehre von Ausbildung von Pferd und Reiter noch wie vor bindend ist. Und sie hat weiter Gültigkeit.

Inzwischen hat Isabell Werth nicht weniger als 44 Medaillen bei Championaten und Olympischen Spielen seit 1988 eingesammelt, mit einer Freundin und Mäzenin wie Madeleine Winter-Schulze an der Seite wird sie weiter reiten und  auch weiter siegen. „Aber ich weiß, irgendwann kommt auch bei mir der Punkt, an dem ich sage: So, das war es mit dem reinen Turniersport.“ Doch, auch das sagt sie: „Ich werde mein Leben lang immer mit Pferden und diesem Sport verbunden bleiben.“ Der deutsche Verband in erster Linie wäre ihr zu höchstem Dank verpflichtet, auf den Titel „Reitmeister“ legt sie noch keinen Wert, „solange ich selbst reite…“ Eines ist bereits jetzt augenscheinlich: Sie versteht wie keine andere, die Ausbildungslehre ihres großen Meisters Dr. Uwe Schulten-Baumer zu vermitteln, und auch das ist eine nicht erlernbare seltene Kunst, nämlich Erlerntes verständlich weitergeben zu können.

Nicht alles lief glatt im Kralingse Bos von Rotterdam. Fast schmerzlich wurde von vielen Besuchern empfunden, dass das für seine Blumenpracht weltweit gelobte Land nicht in der Lage war, diesen Edelstein auch entsprechend bei einem solchen Championat herauzustellen. Um noch einiges vom Gesamteindruck zu retten, wurde am drittletzten Tag der bekannte Florist Thomas Dietz (59) aus Ratingen bei Düsseldorf engagiert, und der „Parcours-Visagist“ peppte in der Nacht von Donnerstag auf letzten Freitag das Ganze mit Blumen gekonnt wie immer für das Auge, zum Beispiel beim CHIO in Aachen, auf.

Dass kaum Verpflegungsstände in unmittelbarer Nähe des Stadions anzutreffen waren, mag auch daran gelegen haben, dass der Niederländer meist seine Verpflegung und Getränke von Zuhause mitbringt…

 

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