Pius Schwizer schockte seine Schweizer Landsleute Drucken
Geschrieben von: Max Ammann   
Mittwoch, 18. Mai 2011 um 19:32

 

Zürich. In seiner allwöchentlichen Kolumne in der „PferdeWoche“ streift der bekannte Schweizer Journalist und Erfinder des Springreiter-Weltcups, Max Ammann, Themata, die sich nicht nur die Eidgenossen zu Herzen nehmen. Alles, aber durchaus alles, ist auch übertragbar auf Deutschlands Springreiter. Wie das Beispiel Pius Schwizer...

 

Da liest man in der Zeitung, dass Pius Schwizer, der gegenwärtig erfolgreichste Schweizer Spring­reiter, nicht am CSIO St. Gallen starten wird, sondern am angeblich lukrativeren CSI Hamburg. Man staunt und ist schockiert. Da lässt ein Schweizer Spitzenspringreiter (oder war es der belgische Besitzer seines Spitzenpferdes) den Schweizer CSIO, immerhin eines der großen Freiluft-Turniere der Welt und Bestandteil der FEI Super League, im Stich und wendet sich dem medienmässig unbedeutenderen, aber angeblich attraktiveren Hamburg zu. Unglaublich.
Einige Tage später kam die Entwarnung. Pius Schwizer wird in St. Gallen starten. Entwarnung ja, aber der Schaden war getan. Durch die ur­sprüngliche Entscheidung auf St. Gallen zu verzichten und dem irrtümlich lukrativeren Hamburg nachzureiten, wurde eine Haltung demonstriert, die man nur als unverständlich bezeichnen kann. Tatsächlich sind in St. Gallen 150000 Franken mehr zu gewinnen.
Der Sport, in all seinen Formen, war immer kommerziell und in seinen Methoden immer wieder fragwürdig. Doping war schon vor hundert Jahren ein Thema, auch wenn, so im Pferdesport, erst Mitte der siebziger Jahre dagegen vorgegangen wurde. Aber der Sport hat immer noch seine Aura der Fair­ness, ja seinen Glorienschein. Selbst nach all den Skandalen in der Tour de France möchten wir immer noch glauben, dass die Velofahrer, die so leicht die Berge hinauffahren, dies nur dank ihres Talentes, ihrer Kraft und ihres Trainings tun. Und dass die Medikations- und Dopingfälle nur Einzelfälle sind – es gibt ja überall schwarze Schafe, so wird argumentiert. Hier soll nicht über Doping geschrieben werden, sondern über die gesellschaftliche Struktur des Pferdesports, die, so meine ich, durch die kurzfristige Verweigerung des Pius Schwizer beschädigt worden ist.
Der Sport, jeder Sport lebt in erster Linie davon, dass es faire Wettkämpfe gibt und der Beste gewinnt. Doping oder gekaufte Spiele im Fussball sind Gift für das Image des Sports. Kurzfristig be­schädigen sie die heile Welt, die der Sport eigentlich sein sollte, langfristig mögen sie ihn zum Untergang bringen.
Aber ebenso wichtig ist die Einbindung des Sports ins nationale Empfinden: Das weisse Kreuz auf rotem Grund auf der Brust des Schweizer Fuss­ball- oder Eishockey-Spielers ist ebenso wichtig, wenn nicht wichtiger als die 1. August Rede eines Politikers.
Im Pferdesport sind es zwei Faktoren die dem entsprechen, die Starts in Nationenpreisen und die Teilnahme an den Schweizer Meisterschaften. Beides sind Symbolwerte, die den Sport erst legitimieren. Ignorieren die Spitzenreiter die Nationen­preise und verweigern sie sich den Start bei den Schweizer Meisterschaften, weil lukrative Geld-CSIs im Ausland locken, bedeutet dies mittel- bis langfristig den Tod des Pferdesports. Das grosse Publikum, aufgeschreckt durch Dopingfälle und Pferdemissbrauch, wird sich abwenden, und die vielen Freiwilligen, die die CSIOs, CSIs und die grossen nationalen Turniere ermöglichen, werden sich fragen, ob es sich lohnt, sich weiter zur Verfügung zu stellen, wenn die Reitstars dem grossen Geld im Ausland nachrennen.
Es mag sein, dass der ursprüngliche Entscheid von Pius Schwizer, dem Geld in Hamburg nach­zureiten statt in St. Gallen die Ehre der Schweiz zu vertreten, von Carlina’s Pferdebesitzer beeinflusst wurde. Der Belgier hat ja bereits im letzten Jahr mit einer unglücklichen Intervention irritiert.
Der Pferdesport kostet Geld. Die Spitzenpferde sind siebenstellige Investitionen, der Betrieb eines internationalen Reitstalles mit gegen 20 Pferden bringt Dutzende von Rechnungen, die bezahlt werden müssen. Die Preisgelder haben sich seit 1978, als der Weltcup eingeführt wurde, weit mehr als verzehnfacht. Aber auch die Pferde kosten mehr, und selbst gross­zügige Sponsoren und Mäzenen stossen an ihre Grenzen. Darum wird auch das Bedürfnis der Reiter, möglichst viel zu gewinnen, verstanden. Aber dies darf nicht auf Kosten des sehr delikaten positiven Ansehens gehen, das der Pferdesport in der Öffentlichkeit noch hat.
Pius Schwizers kurzfris­tige Absage am St. Gallen und auch, so hört man, die Absicht einiger Schweizer Spitzenreiter, statt an der Schweizer Meisterschaft an einem reichen Turnier im portugiesischen Estoril zu starten, sind gefährliche Entwicklungen für den Schweizer Pferde­sport.


 

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