Stiftung Sporthilfe - Bollwerk gegen den früheren Ostblock-Sport Drucken
Geschrieben von: Friedrich Mevert   
Mittwoch, 20. Februar 2013 um 09:08

 

Frankfurt/ Main. Wie die Stiftung Deutsche Sporthilfe entstand – als Gegensystem System zur Förderung des Hochleistungssports im früheren Ostblock -  eine Erinnerung.

 

Mit einer „pfingstlichen Nacht“ bezeichnete Willi Daume zwanzig Jahre später den Abend des 12.  Mai 1967, als es ihm in einer Besprechung in Wiesbaden gelang, Josef Neckermann für die Übernahme des Vorsitzes der geplanten Stiftung Deutsche Sporthilfe zu gewinnen. Zwei Wochen später wurde nach Beratungen bis zur buchstäblich letzten Stunde im Anschluss an die 66. Präsidialsitzung der Deutschen Olympischen Gesellschaft (DOG) in Berlin die Stiftungsurkunde für die Stiftung Deutsche Sporthilfe (DSH) dann vor einem Berliner Notar von Willi Daume und Dr. Walter Wülfing für den DSB und Dr. Georg von Opel und Dr. Werner Peterssen für die DOG unterzeichnet.

 

In der konstituierenden Sitzung des ersten Sporthilfe-Vorstandes mit der Wahl von Josef Neckermann zum DSH-Vorsitzenden am 12. Juli 1967 in Frankfurt/Main skizzierte Willi Daume nochmals die Gründe für die Notwendigkeit der neuen Stiftung. Es gelte, dem kommunistischen System des Ostblocks zur Förderung des Hochleistungssports ein anderes System entgegenzustellen und dabei eine Förderungsform zu finden, die den Amateurstatuten entspreche.

 

25 Jahre später, am 26. Mai 1992, gab es in der Frankfurter DSH-Zentrale zwar keine Feier und keine Gratulanten, doch das wurde eine Woche darauf umso eindrucksvoller nachgeholt. Im Park des Schlosses Niederschönhausen in Berlin trafen sich rund 3.000 Gäste, darunter über 250 Olympiasieger, Welt- und Europameister – um mit der Stiftung deren 25.Geburtstag zu  feiern. Prominentester Gast war Bundespräsident Richard von Weizsäcker, dessen Festansprache nachfolgend zitiert wird: „1992 ist ein Jahr der großen sportlichen Ereignisse. Die Olympischen Winterspiele in Albertville mit dem hervorragenden Abschneiden einer seit vielen Jahren wieder gemeinsamen deutschen Mannschaft liegen hinter uns, in wenigen Wochen blicken wir alle nach Barcelona und freuen uns auf spannende Wettkämpfe. Und heute, als Klammer im wirklichen Sinne des Wortes, begeht die Stiftung Deutsche Sporthilfe ihr 25-Jähriges Jubiläum. Wahrhaft ein Grund zum Feiern. Sie hat es verstanden, über zweieinhalb Jahrzehnte einerseits die für das Werben von Fördermitteln aus der Wirtschaft gebotene Aktivität zu zeigen und doch andererseits stets im Hintergrund zu bleiben gegenüber denen, für die sie es tut: die hochtalentierten jungen Sportlerinnen und Sportler.“

 

Als sich der Dressur-Olympiasieger Josef Neckermann („Bettler der Nation“) und Willi Daume vor 25 Jahren zusammensetzten, sei es darum gegangen, „junge Menschen bei ihrem Weg zur und in der sportlichen Spitze dort abzusichern, wo Training und Wettkampf Zugeständnisse an Ausbildung und Beruf erfordern. Sie wollten hier einen Ausgleich schaffen, ohne jedoch im Ergebnis Ausbildung und Beruf zu vernachlässigen, und auf diese Weise Spitzensportler fördern, die im Leben stehen.

 

Es war der sogenannte dritte Weg zwischen Staatsamateur und voll gesponsertem Sportler mit den damit einhergehenden Abhängigkeiten. So war und ist es auch die Folge, dass diejenigen Spitzenathletinnen und -athleten keine Sporthilfe erhalten können, die über Sponsor- und Werbeverträge selbst nachhaltige Einnahmen erzielen.

 

Dabei ist es ohne Zweifel auch heute noch so, dass entgegen manchem Anschein in besonders privilegierten Sportarten die ganz überwiegende Zahl der Spitzensportler auf die Unterstützung der Sporthilfe durchaus angewiesen ist.

Bleiben wir uns immer der Gefahr der Fehlleitungen im Sport bewusst. Von der Gesellschaft, den Medien und Sponsoren geschürte Erwartungshaltungen können dazu verführen, den Körper auszubeuten, die Gesundheit zu schädigen und die Achtung vor der Harmonie des ganzen Menschen, der Einheit von Körper und Geist, zu verlieren. Dabei geht es nicht nur um Doping, dies ist nur die letzte Stufe.

 

Neben ihrer Mittlertätigkeit zwischen Aktiven, Wirtschaft und Gesellschaft hat die Sporthilfe stets darauf Wert gelegt, die Einbindung in schulische und berufliche Bildung, aber auch die Betreuung nach dem Ausscheiden aus dem Spitzensport nicht zu vernachlässigen. Ich wünsche mir, dass es ihr auch weiterhin gelingt, bei aller Förderung der sportlichen Leistung den Sinn für andere Lebensbereiche wachzuhalten, mit dem letztlich erst Zufriedenheit und Erfüllung einhergehen.

 

Mit großer Dankbarkeit konnten wir verfolgen, wie die Sporthilfe frühzeitig die Betreuung von Spitzensportlerinnen und Spitzensportlern aus der ehemaligen DDR zu ihrer Aufgabe gemacht und - da dies angesichts der Größenordnung aus eigenen Mitteln nicht zu bewältigen war - mit Sondermitteln des Bundes ihre soziale Betreuung übernommen hat.

 

Dies war ein wichtiger Beitrag zum Zusammenwachsen der Sportler aus Ost und West, was von der Mannschaft in Albertville so überzeugend bewiesen wurde. Dabei denke ich auch an die Medaillen, die ganz überwiegend von den Sportlerinnen und Sportlern aus den neuen Ländern errungen wurden, aber nicht nur. Es war der harmonische innere Zusammenhalt, der uns beeindruckt hat.

Der weiteren Entwicklung, zumal im Hinblick auf Olympia 2000, will und kann ich nicht vorgreifen und erst recht nicht der Entscheidung des Internationalen Olympischen Komitees. Für uns Deutsche sollte jedoch der Maßstab aller Überlegungen sein, für die Menschen der Stadt und der Region zu planen.

Denn davon bin ich überzeugt: Falls es zu einer Entscheidung für Berlin kommt, werden die Menschen hier, im Zentrum des zusammenwachsenden Europa, mit den Gästen aus aller Welt ein wirkliches Fest der Völkerverständigung, des Miteinander der Kulturen und der gemeinsamen Verbundenheit im Sport feiern.

Der olympische Gedanke, Sport nicht als Selbstzweck, sondern als Chance der persönlichen Entfaltung und als Erlebnis in der Gemeinschaft zu begreifen, rechtfertigt letztlich erst jede Sportförderung und damit auch die Stiftung Deutsche Sporthilfe. Dies gilt für die Spitzensportler selbst wie für uns alle, die wir durch das Vorbild des Leistungssports, der uns so oft begeistert und mitreißt, angespornt werden, uns selbst zu betätigen und sportlich aktiv zu sein.

Der Stiftung Deutsche Sporthilfe wünsche ich weiterhin gutes Gelingen bei ihrer Aufgabe, jungen Frauen und Männern die Chance zum Erreichen sportlicher Höchstleistungen zu geben und dabei den ganzen Menschen im Auge zu behalten.“

 

NOK-Präsident Willi Daume, Initiator und Vordenker des „Sozialwerks des deutschen Sports“, gab als Gründervater der Stiftung aus Anlass des 25-Jährigen Jubiläums der DSB-Presse ein Interview, aus dem - auszugsweise - zitiert wird.

Auf die Frage, ob er 25 Jahre nach der Gründung zufrieden auf sein Werk zurückblicke, antwortete der damals 79-Jährige Daume: „Mehr als das: Die Idee hat sich bewährt. Die vertrauensvolle Verbindung zwischen Sport und Wirtschaft ist nicht nur für die Lösung der sozialen Fragen, sondern für die Entwicklung des Hochleistungssports essentiell geworden. Dieser Prozess steht erst am Anfang. Frühere Berührungsängste sind längst überwunden. Die Deutsche Sporthilfe hat durch ihr Präsidium wie durch ihr Kuratorium die deutsche Sportbewegung mit bedeutenden Persönlichkeiten bereichert und damit auch die gesellschaftspolitische Stellung des Sports in Deutschland und sein Ansehen erhöht. Unausgesprochen hatte ich das von Anfang an mit im Auge. Es ist nicht nur eine Frage von Geld. Aber die Deutsche Sporthilfe hat sich gerade deswegen auch der so schwierigen Aufgabe gewachsen gezeigt, die vielen hinzugekommenen guten und hoffnungsvollen Sportler aus der Sportgroßmacht Ex-DDR genauso zu fördern wie die aus den alten Bundesländern.

Schon die Tatsache, dass es die Stiftung Deutsche Sporthilfe gibt und wie sie arbeitet, war ausschlaggebend, dass die Bundesregierung in diesem außergewöhnlichen Fall half und helfen wird, obwohl die Deutsche Sporthilfe sonst keine öffentlichen Mittel beansprucht. Es gibt insgesamt viel Anspruch auf Dank.“

 

Und die Zukunft der Stiftung DSH vor dem Hintergrund der sich ausbreitenden Kommerzialisierung des Spitzensports beurteilte der Ehrenpräsident des DSB wie folgt: „Ich glaube, unser Modell „Deutsche Sporthilfe“ war weitsichtig genug. Der Hochleistungssport bei der Gründung 1967 war ein anderer als heute. Nicht jeder Wandel braucht ein Fortschritt zu sein. In diesem Fall ist er es. Mehr Chancengleichheit und weniger Lüge, die der Anfang jeder Inhumanität ist. Weltklasse im Sport wäre für uns ohne das Wirken der Deutschen Sporthilfe gar nicht mehr erreichbar - von den erwähnten Problemen, die sich aus der deutschen Vereinigung ergeben, mal ganz abgesehen. Vorbildlich die Beteiligung der aktiven Sportler selbst an den grundsätzlichen und individuellen Entscheidungen. Vorbildlich die Auffassung - nach anfänglichen, verständlichen Irrungen - als dienende und helfende Funktion. Ideenreichtum, finanziell gesund, so schwierig das ist. Wie gesagt, immer die Nähe zum aktiven Sportler. Nicht zuletzt der Ball des Sports, seit Jahren größtes gesellschaftliches Ereignis Deutschlands. Kurz und gut: Möge die fällige Neuorientierung der Organisationsstruktur des Hochleistungssports im vereinigten Deutschland der Modernität der Deutschen Sporthilfe gleichen!“

 

(25 Jahre Stiftung Deutsche Sporthilfe – „Modell für die Welt“, Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte, Teil 201, eine Serie von Friedrich Mevert)

 

 

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