Top-Sportpferde aus der Retorte... Drucken
Geschrieben von: Dieter Ludwig   
Mittwoch, 18. März 2015 um 13:29

Ton Vullers, vom Embryotransfer bei Kühen zu Pferden und noch weiter...

(Foto: Uta Ludwig)

Mariahoop/ Niederlande. 2003 eröffnete der Niederländer Anton Vullers (59) das bis dahin erste „Embryo Transfer Centre“ in Europa auf dem Pferdesektor, nun wird dort auf dem Diergaerderhof am 20. März das weiter entwickelte „Equine Fertility Centre“ vorgestellt – mit vier Fohlen des 2011 im Parcours von Verona tödlich zusammengebrochenen Hengstes Hickstead…

 

 

Vor über 13 Jahren meldete der „Spiegel“, in den USA lebten inzwischen bei ihren Müttern über eine Million Kinder, die ihren Vater nicht kennen. Sie wurden im Reagenzglas gezeugt. „Das ist der nächste Schritt“, sagte damals Anton („Ton“) Vullers. Er meinte die Pferdezucht. Vullers ist Niederländer, 59, Limburger, lebt in Mariahoop. Das Dorf liegt knapp hinter der deutschen Grenze, hat 1300 Einwohner, besitzt zwei Kneipen, eine Bank und eine Kirche, im Kloster hat sich die Sekte „Da Avatara Ashram“ eingenistet, die den wahren Gott verspricht. Und gar nicht weit davon am Boekhorstweg 2  ist der Diergaerderhof zuhause, in einer idyllischen Landschaft auf dem platten Land, mit viel Grün, Baumalleen, da ist gut Pferd zu sein. Hier entstand Europas damals erstes „Embryo Transfer Centre“.

Der Embryo-Transfer bei Pferden ist noch relativ jung, vor allem in Europa. Vor vielen Jahren, so erzählt beispielsweisweise Züchter, Pferdehändler und Turnierveranstalter Ulli Kasselmann, habe er schon in den USA damit experimentiert, nämlich ein befruchtetes Ei der entsprechenden Stute zu entnehmen und einer Leihmutter einzupflanzen. „Damals war man jedoch noch nicht so weit, die ausgesuchte Leihmutter, meist eine Kaltblutstute, musste in Narkose gelegt werden, dann wurde ihr operativ der Embryo eingepflanzt. Doch meist traten Entzündungen auf, der Misserfolg war größer als der Erfolg“, sagt er. Leon Melchior, der das Gestüt „Zangersheide“ im belgischen Lanaken gegründet hat, versuchte es ebenfalls mit Kaltblutstuten, doch auch ihm gelang der große Coup nicht. Vullers: „Die Schwierigkeit lag darin, für die Mutterstute eine andere Stute im gleichen Empfänglichkeitszustand parat zu haben, alles musste synchron ablaufen. Daran scheiterte meist das Vorhaben.“

Doch er und sein sogenannter Para-Veterinär Hans Hurkmans arbeiteten bereits nach einem anderen Verfahren, ihnen gelang, winzige Embryos einzufrieren. Die später aufgetaute Eizelle wird einer rossigen Stute zur gegebenen Zeit implantiert, das Risiko einer Erkrankung ist damit fast ausgeschlossen. Zum Patent wurde das Verfahren nicht angemeldet, damit hätte man zu viele Einzelheiten veröffentlichen „und eigenes Wissen“ (Vullers) preisgeben müssen.

Ton Vullers ist von Hause aus Viehzüchter. Bei Kühen ist der Embryotransfer  längst kein Thema mehr. Damit hatte er Routine und Erfahrung. Seine ganz normalen Kühe trugen beispielsweise die sogenannten Wagyu-Kälber aus, eine japanische Rasse mit blauen Zungen, und einem ganz besonders zartem Fleisch mit einem Kilo-Preis um die 100 Euro. Bei der Vermehrung seiner Kühe durch Einpflanzen von Embryos mittels einer Pipette kam „mir der Gedanke, warum nicht auch Embryotransfers bei Pferden“. Die Kühe schaffte Vullers ab, ihn hatte der Embryotransfer bei Pferden gepackt.

 

Einfrier-Erfinder nahm sich das Leben…

 

Und auch der Zufall stand Pate. Über den bereits erwähnten Hans Hurkmans kam er mit dem Kolumbianer Pedro Jou in Kontakt. Der Südamerikaner war seit sieben Jahren mit der Zucht von Polopferden in Argentinien befasst und hatte schon Routine beim Embryotransfer bei Pferden. Pedro Jou gilt als der Erfinder der Einfriermethode von Embryonen. Als Koryphäe auf diesem Gebiet jagte ihn auch die Mafia, er floh mit seiner kanadischen Ehefrau nach Kanada. In Toronto  arbeitete er zwei Jahre an einem Forschungsinstitut, er nahm sich jedoch aus welchen Gründen auch immer das Leben. Sein Sohn Daniel ist ebenfalls Forscher, er sah das Bienensterben kommen, seit fünf Jahren friert er deshalb Bienensamen ein.

Mit Pedro Jou schloss Ton Vullers einen Pakt. Über die Summe spricht er nicht. Die wunderbare Vermehrung von Pferden sprach sich dafür rasch in der Welt herum. Auch Scheich-Abgeordnete waren fix zur Stelle. Sie gehören inzwischen zum Kundenstamm, in vielen Boxen auf dem Diergaerderhof stehen einige Araberstuten.

Ton Vullers verspricht beim Embryotransfer einen Trächtigkeitserfolg von 72 Prozent. Er schlägt weder einen Hengst noch eine Stute vor, bietet jedoch Mutterstuten zum Leasen an. Der Interessent kann eine Stute, von der er glaubt, sie sei für die Zucht willkommen, mit dem Samen seines ausgewählten Hengstes befruchten lassen. Er kann aber auch seine eigene Stute auf dem Diergaerderhof zur Besamung einstallen.

Fohlen mit ihren Leihmüttern auf großen Weiden in Mariahoop

(Foto: privat/ Vullers)

Der geschäftstüchtige Niederländer findet vor allem bei jenen ein überaus positives Echo, deren wertvolle Stuten beispielsweise Probleme mit der Gebärmutter aufweisen, noch aufnehmen können, aber kein Fohlen mehr zur Welt bringen. Wertvolles Gen-Material kann auch gerettet werden, dass einer Stute nach einem tödlich verlaufenen Unfall oder Eingehen aufgrund des Alters die Gebärmutter nachträglich entnommen wird, „innerhalb eines halben Tages sollte dann die Gebärmutter uns jedoch gebracht werden“, sagt Ton Vullers.

 

Preise unverändert seit Beginn

Pro Tag verlangt Vullers für Box, Futter, Streu, Besamung und dreimal tägliche Ultraschalluntersuchung 10 Euro, das Ausspülen des Eis und die weitere Untersuchung kosten 200 €, bei Trächtigkeit werden 1.800 € fällig. Die Eizelle, der nur 0,018 mm großer Embryo und lediglich unter dem Mikroskop sichtbar, wird in flüssigem Stickstoff bei minus 196 Grad tiefgefroren, ein Verfallsdatum gibt es bisher nicht, der Embryo kann jedoch nur einmal aufgetaut werden. Pro Jahr vermag man einer Stute aufgrund dieses Verfahrens bis sechsmal ein Ei zu entnehmen. Eine Manipulation der Natur wird von den Embryotechnikern nicht gesehen. „Ein gutes Sportpferd wird durch ein gutes Fohlen vielleicht auch zusätzlich wertvoll“, sagt Ton Vullers. Die Stuten können auch rasch wieder im Sport gehen. So wurde beispielsweise die Stute Jubilee d`Ouilly der Französin Penelope Leprevost – in der siegreichen Equipe beim Preis der Nationen 2009 in Aachen – beim Abstecher auf der Heimfahrt in die Normandie in Maria Hoop „gespült“, das Ei  befruchtet mit dem Samen des Hengstes Lando (Silber unter dem Niederländer Albert Voorn bei Olympia 2000) und einer Amme eingepflanzt.

Die ersten Embryo-Fohlen – sie standen am Ende sogar mit ganz vorne unter 250 -  waren auf dem „Z-Festival“ im Juli 2002 auf dem Gestüt „Zangersheide“ in Lanaken zu besichtigen, Quinara Z als auch C`est La Vie von Caretano Z hatten als Mutter die Coriander-Tochter Naomie, aber ausgetragen wurden sie von fremden Stuten, wobei Vullers großen Wert legt „auf gute Leihmütter, weil die ersten vier Monate nach der Geburt für das ganze Leben des Pferdes prägend sind“. Die meisten Trägerstuten holt er („alle vier- bis siebenjährig und mit gutem Charakter“) in der Normandie, „aber inzwischen werden mir auch welche von hier angetragen.“

 

Stute in einem Jahr fünffache „Mutter“

Ein besonderer Coup gelang Ton Vullers, seinen Mitarbeitern und verschiedenen  Veterinären vor einigen Jahren bei der schon 19-Jährigen Holsteiner Stute Covergirl, der einzigen Vollschwester des bekannten Vererbers   Carthago Z.  Covergirl, die sechs Jahre lang nicht aufnahm, wurde in Maria Hoop über Ammen gleich "Mutter" von fünf Stutfohlen, drei von Corland, die anderen von Chigago und Numero Uno.

Ton Vullers arbeitet mit weltbekannten Züchtern zusammen, darunter mit den Deutschen Harm Thormählen und Otto-Boje Schoof aus Holstein. Schoof gab u.a. Viola nach Mariahoop, die „Mutter“ des Olympiasiegerhengstes Cento unter dem deutschen Bundestrainer Otto Becker in Sydney. Auf dem 90 ha großen Areal, mit rund 250 Pferden, steht nun auch Fein Cera, 24 Jahre alt. Sie hatte den US-Amerikaner Peter Wylde bei den Weltreiterspielen 2002 in Jerez de la Frontera zu Einzel-Bronze getragen (bestes Pferd im Finale mit Pferdewechsel) und zu Mannschafts-Gold bei Olympia 2004 in Athen. Harm Thormählen, der die Stute „für viel Geld“ (O-Ton) zurückkaufte: „Ton Vullers hat mir am Telefon gesagt, er sei sich sicher, dass er aus einem Ei der Stute noch ein Fohlen ziehen kann…“ Die Leihmütter, ehemalige Weltklassestuten und deren Geschwister, darunter auch die Vollschwester des Wallachs Lambrasco, mit dem Janne-Friederike Meyer (Schenefeld) in Aachen 2011 den Großen Preis gewann, leben artgerecht in Mariahoop zusammen, in großen, luftigen Laufställen, und sie kommen jeden Tag einige Stunden auf einen davor liegenden Paddock.

 

Neues Zauberwort in Pferdezucht: ICSI

 


Fohlen aus der Retorte - ausgetragen von Leimüttern

(Foto: privat/ Vullers)

 

Der Niederländer an sich ist bekanntermaßen geschäftstüchtig, nicht aufdringlich, vor allem aber klug. Als Marktschreier taugt er nicht. Wenn er sich an die Öffentlichkeit traut, hat er etwas zu sagen. Ton Vullers nun am 20. März. Der bisherige Schriftzug am Diergaerderhof „Embryo Transfer Centre“ ist verschwunden, gewichen dem ziemlich unauffällig gehaltenen Schild „Equine Fertility Centre“. Die Humanmedizin hat nun anscheinend endgültig Einzug gehalten auch in der Pferdezucht. Und die wird in einem Symposium aufgeblättert wie ein Buch. Die Neuheit heißt ICSI, Intrazyptoplasmatische Spermieninjektion, eine künstliche Befruchtung wie in der Humanmedizin, jetzt auch auf dem Pferdesektor. Seit Jahren arbeitet Ton Vullers mit Prof. Dr. John Dumoulin von der Uni Maastricht zusammen, dadurch gelang der Durchbruch.

Das Ton-Vullers-Team, u.a. drei festangestellte Veterinäre, dazu die Ehefrau, zwei Söhne und die Tochter, ist in der Lage, der Gebärmutter einer Stute zu jedem gewollten Zeitpunkt Eier zu entnehmen und zu lagern. In der Retorte wird ein Ei dann mit dem Samen eines Hengstes befruchtet, und in einem geheimen Verfahren entsteht ein Embryo, der einer Amme eingepflanzt wird.

 

Am Freitag „Almauftrieb in Maria Hoop“…

Die Vorgehensweise wird am kommenden Freitag (20. März) in Mariahoop erläutert, eingeladen sind neben John Dumoulin (sein Thema: „Von der Befruchtung im Reagenzglas bei Menschen zur Befruchtung im Reagenzglas bei Pferden“), die eigens aus Kolumbien eingeflogene Dr. Catalina Velez, sie referiert über die Eigenschaften der Eier in der Gebärmutter bei Pferden, Dr. Katrien Smits von der Uni Gent zum Thema „Vom Ei zum Embryo“, und Patrick McVue von der Universität in Colorado/ USA nimmt Stellung zum Thema, wie sich die USA zum Thema „künstliche Befruchtung bei Pferden“ verhalten. Prof. Dr. Tom Stout von der Uni Utrecht greift als letzter Redner das Thema „Von der Wissenschaft zur Praxis“ auf.

Zum illustren Kreis der Wissenschaftler eingeladen wurden außerdem Pferdevermarkter Paul Hendrix (Niederlande), Belgiens Ex-Weltmeister der Springreiter, Jos Lansink, der niederländische Erfolgs-Coach Rob Ehrens, der Sportchef des deutschen CHIO in Aachen, Frank Kemperman, und der bekannte internationale Züchter Cees Klavers, aus dessen Gestüt u.a. der bekannte Hengst Big Star von Nick Skelton (Großbritannien) stammt.

Präsentiert werden auch im Anschluss an das Symposium Nachkommen des Schimmels Cumano, mit dem Jos Lansink in Calgary 2004 den Großen Preis gewann und in Aachen 2006 Weltmeister wurde, und von Hickstead, dem Goldross von Eric Lamaze, der als erster Kanadier 2008 in Hongkong Olympiasieger wurde. Hickstead verendete an einem Aortariss am 9. November 2011 im Parcours während des Weltcupspringens in Verona, direkte Nachkommen hat er anscheinend keine, aber Samen wurde aufbewahrt. Von Cumano sagt man, die Qualität der Spermien sei nicht gerade von überragender Güte. Ton Vullers: „Man muss eben wissen, wie es geht. Dann geht alles.“ Und weiter sagt er: „Das Bestreben ist doch, immer noch bessere Sportpferde zu züchten. Und jeder Züchter denkt und hofft, dass sein Pferd einmal in Aachen startet…“

www.equinefertilitycentre.com

 

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