"Sammelbecken" Para-Reiter... Drucken
Geschrieben von: Yannika Hecht/ "Die Rheinpfalz"   
Montag, 27. April 2015 um 13:02

Mannheim. Kann ein Querschnittgelähmter gegen einen Reiter antreten, dem ein Bein  fehlt? Um einen Vergleich zu ermöglichen, werden die Sportler  in der Para-Dressur verschiedenen  „Grades“ zugeordnet. Da Gerechtigkeit zu schaffen, ist nicht die einzige Herausforderung für die Reiter mit Handicap.


Hanne Brenner ist seit einem Reitunfall 1985 inkomplett querschnittgelähmt. Sie kann auf Krücken gestützt laufen, und damit gehört die 51-Jährige  in die Kategorie 3 oder „Grade III“, wie es im Para-Dressursport heißt. In diesem „Sammelbecken“, wie es die viermalige Paralympicssiegerin nennt, treten unter anderem auch Blinde an und Sportler, denen Gliedmaßen fehlen. Es ist eine befremdliche Liste, die die verschiedenen Grades aufführt und ihnen die unterschiedlichsten Behinderungen zuordnet. Doch solch eine Kategorisierung ist notwendig, um einen fairen Wettkampf der „Paras“ zu ermöglichen – es tritt nur gegeneinander an, wer vergleichbar leistungsfähig ist.

 

Doch  kann ein  Contergan-Geschädigter, dem  Gliedmaßen fehlen, auf dem Pferd das Gleiche leisten wie ein Blinder? Die Frage kann auch Hanne Brenner nicht beantworten. „Die Klassifizierung ist eine Geschichte, die immer wieder diskutiert wird“, sagt sie, „aber irgendwo muss man einfach den Schnitt ziehen.“ Wie der Schnitt momentan gezogen wird, gefällt der Reiterin allerdings nicht ganz. Früher gab es vier Kategorien, Grade I  mit den stärksten  bis Grade  IV mit den leichtesten Beeinträchtigungen. Doch seit den Paralympics 2012 in London    ist der erste Grade untereilt in Ia und Ib. Unnötig kompliziert, findet Brenner und hofft, dass sich daran künftig  wieder etwas ändert.

 

Von Menschen, die am ganzen Körper gelähmt auf den Rollstuhl angewiesen sind, bis zu Reitern, die mithilfe einer Prothese  beinahe wie  „normale“  Sportler  auf dem Pferd sitzen, werden alle nach Muskelkraft, Gelenkbeweglichkeit und Koordination beurteilt. Und da ist  nicht nur für den Zuschauer beeindruckend, was möglich ist. Auch Brenner, Deutschlands  mit Abstand erfolgreichste Para-Dressurreiterin, begeistert es, wenn beispielsweise ihre Kollegin Bettina Eistel mit dem Fuß ausholt, um die Gerte zu schwingen, weil sie keine Arme hat.

 

Doch Hanne Brenner betont auch immer wieder, welchen Anteil die Pferde am Erfolg der „Paras“ haben – wenn das Tier beispielsweise unterscheiden muss, ob sein Reiter eine Spastik hat oder einen Befehl geben möchte.   „Die Pferde sind nicht nur unsere Arme und Beine, sie sind auch unsere Partner. Sie beginnen Verantwortung für ihre Reiter zu tragen, sie kämpfen für einen“, sagt Brenner.

Ihre Partnerin ist die 20-jährige Stute Women of  the World, die, wie Brenner feststellt, trotz ihres Alters besser läuft als je zuvor. Auf ihr wird sie auch beim Mannheimer Maimarktturnier reiten.

 

Die Auswahl der Pferde verläuft anders als im Regelsport. „Wir kaufen meist Pferde, die eine Macke haben“, erklärt Brenner schmunzelnd. Ein maßgeblicher Grund: die Finanzierung. In Deutschland  betreiben die „Paras“ ihren Sport als Amateure und sind anderweitig berufstätig. Es stehen keine große Sponsoren hinter ihnen, selten sind die Wettbewerbe gut dotiert – teure Pferde  sind also nicht zu bezahlen.

 

Doch mit viel Zeit wird auch aus einem Pferd mit Macke und dem Reiter mit Handicap  ein eingespieltes Team. „Letztendlich wird nur das Pferd beurteilt“, erklärt Brenner: „Es muss verstehen, was ich will, und die Kampfrichter bewerten nur, was das Pferd macht.“ In Sachen Handicap vertritt sie einen  klaren Standpunkt: „Ich bin überzeugt davon, dass jeder Reiter sein Handicap hat, auch wenn er keines hat.“ Schließlich seien Naturtalente mit  perfekter Körperhaltung auch im Regelsport kaum anzutreffen.

 

 

 

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