Charlotte Dujardin - oder die Suche nach den verlorenen Wechseln... |
Geschrieben von: Oliver Wehner in "Die Rheinpfalz"/ DL |
Dienstag, 18. August 2015 um 10:16 |
Aachen. Trotz zweimal Gold und einmal Silber reiste Dressurreiterin Charlotte Dujardin nachdenklich nach Großbritannien heim. Die erfolgreichste Teilnehmerin der Europameisterschaften in Aachen will im Training die „verlorenen Einer-Wechsel“ zurückholen…
Es gibt kein „Wunderpferd“ – das ist eine Lehre aus Aachen. Totilas sowieso nicht (mehr), und auch mit Valegro, dem seit drei Jahren mit Abstand besten Dressurpferd der Welt, muss jeder Erfolg hart und dennoch im Einklang zwischen Reiterin und Tier erarbeitet werden. Charlotte Dujardin jedenfalls hat nach der Europameisterschaft trotz zweier Einzel-Goldmedaillen Hausaufgaben mit nach England genommen.
Kristina Bröring-Sprehe ist ein Mensch, der seine Worte mit Bedacht wählt. Doch am Sonntagabend, als sie im Zweiergespräch mit der EM-Silbermedaille um den Hals und der Schärpe über dem Dressurfrack einen denkwürdigen Tag und ein für sie famoses Championat geistig noch mal durchspielte, da rutschte es ihr doch heraus. „Ärgerlich“, sagte sie leise – und das nach der Kür ihres Lebens. Um die Winzigkeit von 0,25 Prozentpunkten, in der Dressur fast weniger als der berühmte Wimpernschlag, hatte sie Gold verpasst. Eine Medaillenfarbe, an die vor dem Turnier überhaupt nicht zu denken war. Denn Valegro und Charlotte Dujardin galten – jedenfalls auf Championaten – als unbesiegbar. Und sind es seit 2012 auch. Olympia, WM, EM – die Britin und ihr Pferd sind die Meister aller Klassen. Und das völlig ohne Glamour drumherum oder zirzensische Effekthascherei.
Die Reiterin: Charlotte Dujardin, die aus Enfield bei London stammt, ist niemand für die Klatschspalten der englischen Boulevardpresse. Wer die 30-Jährige nur von Turnieren kennt, weiß gar nicht, welche Haarfarbe (blond) sie überhaupt hat. Den üppigen, fast an die Kuppel von St. Paul’s erinnernden Reithelm nimmt sie nie ab, ein Schutzschild. Sie spricht mit den Medien eher wenig und wenn, dann unverbindlich – anders als ihr Trainer und Valegro-Mitbesitzer Carl Hester, der den Negro-Sohn mit Hannoveraner und Holsteiner Blut über die Mutterlinie früh in den Stall bekam und behutsam ausbildete.
Das Pferd: Valegro – obwohl niederländischer Herkunft – ist im besten Sinne nicht spektakulär. Dem Viereck nähert er sich nicht im starken Trab, bei dem die Hufeisen wegzufliegen drohen, sondern im Schritt – der unscheinbarsten, aber wohl schwierigsten Gangart. Der 13-jährige Wallach ist perfekt gebaut und bemuskelt, trägt sich von den Top-Pferden selbst am besten. Lastaufnahme mit Leichtigkeit. Er ist ausgeglichen, fein geritten.
Was aber machte das Paar in Aachen so angreifbar – wie 2014 beim CHIO, als Matthias Rath und Totilas die Favoriten schlagen konnten? Charlotte Dujardin ließ durchblicken, dass sie und Valegro mit der Soers etwas fremdeln. Von den drei EM-Prüfungen war nur der Special auf allerhöchstem Niveau. Nach dem Grand Prix wirkte die Reiterin besorgt: „Er ist so beständig. Wenn Fehler passieren, erschreckt mich das.“ Jene in den fliegenden Galoppwechseln in der Kür ließen die Perfektionistin nachdenklich zurück, kaum mal entwich ein Lächeln ihrem gut behelmten Gesicht. Drei Wochen Urlaub mache sie nun, verriet sie: „Und dann versuche ich, mir die Wechsel zurückzuholen.“ Dujardin weiß: Die Konkurrenz holt auf. Kristina Bröring-Sprehe ist niemand für plakative Kampfansagen. „Wir sind noch nicht am Limit“, stellte sie lediglich für sich und ihren Hengst Desperados fest. Das kam dann doch einer Art Drohung nahe. |