Am Anfang war Waldrum - jetzt ist Andreas Wöhler Drucken
Geschrieben von: Norbert Herbst/ DL   
Dienstag, 19. Januar 2016 um 15:36

 

Gütersloh. Im Grunde genommen geht die Geschichte des Vollblutgestüts Ravensberg auf einen Schnapsbrenner zurück, und den Ruhm begründete eine Stute namens Waldrum. Inzwischen genießt das Gestüt weltweit Anerkennung nicht zuletzt durch Trainer Andreas Wöhler.

 

Die Historie des um 1900 von dem Schnapsbrenner Paul Niemöller gegründeten Gestüts Ravensberg ist eng verknüpft mit der Geschichte der Waldrun. Obwohl erst 1949 vom Niemöller-Enkel Reinhard Delius erworben, ist sie die Stammmutter einer der erfolgreichsten Blutlinien im deutschen Turfgeschehen.

Neun Fohlen brachte die Tochter des großen Vollblutvererbers Alchimist als Ravensbergerin zur Welt. Drei Derbys, viele Klassiker und Grand-Prix-Rennen haben ihre Kinder und Kindeskinder inzwischen gewonnen. Dazu wurden drei ihrer Nachkommen zum „Galopper des Jahres“  gewählt. Fürwahr eine stolze Bilanz. Eine paar Topnamen aus der Familie der Waldrun gefällig? - Bitteschön: Windstille, Windbruch, Wilderer, Waidmannsdank, Wiesenklee, Windwurf.

Den letzten großen Erfolg verzeichnet Waldpark. Er gewann 2011 das 142. Deutsche Derby in Hamburg. Der braune Hengst ist ein Sohn der Wurftaube, die in den 1990er Jahren auf der Rennbahn für Aufsehen sorgte. Waldrun ging 16-jährig nach der Geburt eines Hengstfohlens an inneren Blutungen ein.

Das Gestüt Ravensberg gehört zweifelsohne hierzulande zu den renommiertesten Adressen im deutschen Turfgeschehen. Zeiten, in denen es in Gütersloh-Spexard mangels großer sportlicher Erfolge etwas ruhiger zuging, gehören längst der Vergangenheit an. Vor allem seit Andreas Wöhler auf der 1994 in eine Trainingsstätte umfunktionierten 30 Hektar großen Anlage das Zepter schwingt, ist der Erfolg dort Dauergast. Der Vertrag läuft noch bis 2024.

Pferde-Stars und Sternchen werden vor den Toren der ostwestfälischen 95.000-Einwohnerstadt, Stammsitz des weltweit wirkenden Bertelsmann-Konzerns und des nicht weniger bekannten Haushaltgeräteherstellers Miele, für die nationalen und internationalen Galopprennen fit gemacht. In Ostwestfalen schlägt der Puls des Pferderennsports, darf behauptet werden.

Andreas Wöhler oder über 2.000 Siege


Andreas Wöhler, Filius des viel zur früh im Alter von 52 Jahren verstorbenen ehemaligen Champion-Hindernisjockeys und Toptrainers Adolf Wöhler, ist seit November 2004 Pächter des Galopperzentrums und mittlerweile einer der ganz Großen im Trainergeschäft. Auf über 2.000 Siege kann der 53-Jährige in seiner Statistik verweisen. Zweimal (2009 und 2011) grüßte er bereits als Trainer des Jahres. Andreas Wöhler weiß, wie Rennpferde geformt werden. Besitzer aus Nah und Fern laufen ihm die Bude ein.

Wöhler musste einen steinigen Weg gehen, als er 1985 mehr oder minder zwangsweise in die Fußstapfen des Vaters trat. Der hatte in Bremen trainiert und dort mit großem Erfolg (u.a. zwei Derbysiege) gearbeitet. Sohnemann Andreas schmiss nach dem plötzlichen Tod  seines Erzeugers die kaufmännische Lehre drei Monate vor der Abschlussprüfung und stieg in das Trainergeschäft ein. Das war ein Metier, das ihm zwar von klein auf an vertraut war, doch die Tricks und Kniffe der Branche musste der damals 22-Jährige noch erlernen, als er den Vater im heimischen Trainingsbetrieb an der Weser Knall auf Fall ersetzen musste. Mutter Doris war ihm dabei stets eine große Hilfe.

Die Wöhlers hatten Glück. Die Kunden blieben ihnen treu, und Andreas, der als Amateurrennreiter  auf 115 Siege verweisen kann, wuchs schnell in sein neues Aufgabengebiet hinein. Er machte seinen Trainerschein und war auch in zweiter Lehre als Pferdewirt erfolgreich. Schon ein Jahr darauf grüßte er auch als Meister seiner Berufssparte.

Sechs Jahre sollt es indes dauern, ehe der Trainer-Benjamin seine ersten großen Erfolge feiern konnte. Sein erster Gruppe-Sieger hieß 1991 Tao, mit Martessa gewann er sein  erstes klassisches Rennen (133. Preis der Diana), und mit dem unvergessenen Lomitas wurde der Coach Derbyzweiter und landete seinen ersten Gruppe-1-Erfolg.  

Es ging weiter.  Aus dem Top-Trainer ist längst ein Meister seines Fachs geworden. Drei Derbysieger  mit Pik König (1992), Belenus (1999) und Waldpark (2011) hat Wöhler mittlerweile geformt und mit seinen Pferden Topplatzierungen en masse errungen. Seinen Traum, auch auf einen „Sieg in der „Kathedrale des Galopprennsports“ hat er sich mittlerweile ebenfalls erfüllt. Mit Novellist, einem Sohn der Night Lagoon von Monsun,  landete er 2013 in Ascot einen Sieg in den King George VI. and Queen Elizabeth Stakes. „Mein sportlich wichtigster Erfolg, zumal Novellist Bahnrekord lief “, sagt er stolz.

Schon als Jugendlicher weilte der bekennende Fan des Fußball-Bundesligisten SV Werder Bremen mit dem Vater oft auf der britischen Insel und war von dem dortigen Ambiente begeistert. 2014 setzte er in Übersee noch einen drauf. In Australien  gewann der von ihm trainierte Hengst Protectionist überlegen den „Melbourne Cup“. Damit verbunden: Der Gewinn von 2.337.662 Euro. Es war die bisher höchste Summe, die ein deutsches Pferd einheimsen konnte. „Ein unvergessliches Erlebnis“, schwelgt der Meistertrainer  noch heute in bester Erinnerung. „Wenn ein Rennen fast eine gesamte Region lahm legt, ist das für einen Europäer kaum zu begreifen.“

Der Erfolg ließ ihn nicht abheben


Wöhler allerdings bleibt Wöhler. Obwohl in Dortmund zur Welt gekommen und somit westfälisch geprägt, reagiert er heute eher norddeutsch unterkühlt. Große Sprüche und theatralische Auftritte sind seine Sache nicht. Das jedoch passt zur Ravensberger Philosophie. Dort wurde Kontinuität immer großgeschrieben. Andreas Wöhler hält es ebenso. Seine 30-köpfige Belegschaft - darunter vier Jockeys und mit Eduardo Pedroza und Jozef Bojko zwei absolute Spitzenleute -  ist eine harmonierende Multikulti-Truppe, die für seine rechte Hand, Ehefrau Susanne, „längst ein verschworener Haufen“ geworden ist. Die gestandene bayrische Frohnatur („Ich wollte immer einen Mann, der Trecker fahren konnte, und den habe ich bekommen“), erledigt im Unternehmen die umfangreichen Büroarbeiten. Zudem ist die gebürtige Münchnerin für die kurzweiligen Internetbeschreibungen der rund 100 Pferde, die im Trainingszentrum aufgestallt sind, zuständig. So richtig heimisch geworden sind die Wöhlers in Ostwestfalen aber noch immer nicht. „Mit den Freunden hält sich das in Grenzen“, macht Susanne Wöhler aus ihrem Herzen keine Mördergrube, „es kommt schon vor, dass wir spontan nach Bremen zu Bekannten fahren.“ Ehemann Andreas relativiert ein wenig. „Um soziale Kontakte im größeren Rahmen zu knüpfen, sind wir auch viel zu viel auf Achse“.

Gleichwohl sind die Wöhlers mit ihrer sportlichen Heimat sehr zufrieden. Obwohl der Stadtkern Güterslohs nur ein paar Kilometer entfernt liegt, lässt sich in der Abgeschiedenheit der Gemarkung „Ohlen Brooke“, einst eine moorige Heidelandschaft, trefflich in Ruhe mit den Vollblütern arbeiten. Ein Wechsel ins fernöstliche Ausland, etwa  nach Hongkong,  kommt für die Wöhlers ohnehin nicht in Frage. „Dort sind Pferde nichts anderes als Sportgeräte. Das entspricht nicht meiner Philosophie vom Galopprennsport“, gewährt  der Experte Einblick in seine Trainerseele.

Andreas Wöhlers hat auch in diesem Jahr noch viel vor. Im August geht’s nach Chicago in die USA. Dort wird er mit Wake Forest, der im im Besitz des Wolfsburger Fußballmanagers Klaus Allofs und der Stiftung Fährhof steht, einen Vierbeiner im mit einer Million Dollar dotierten Arlington-Rennen an den Start bringen. Ein weiterer Starter in einem anderer Gruppe-1-Rennen wird der im australischen Besitz stehende Goldstream sein.

Derzeit werden 60 Zweijährige in Gütersloh für einen etwaigen Einsatz im Derby 2016 selektiert. „Darunter befinden sich einige Vierbeiner, die uns hoffnungsvoll in die Zukunft blicken lassen“, weiß Wöhler. Ob ein neuer Lomitas  oder gar ein Novellist (Wöhler: “Das waren meine bisher besten Pferde“) dabei sein wird,  bleibt abzuwarten.

Das Gestüt Ravensberg ist zwar mittlerweile in erster Linie ein weltweit anerkanntes Trainingszenrum geworden, doch es besteht auch noch in seiner Ursprünglichkeit. Zum Einen züchtet das kinderlose Ehepaar Wöhler mit zwei Stuten („Die Pferde sind unsere Kinder“), und zum Anderen hat Eigentümer Johann Henrich Delius auch noch einige Galopper auf der Anlage stehen, darunter den 2011er Derbysieger Waldpark, einen Nachkommen aus der erfolgreichen „W“-Linie. So gibt es neben dem Trainingszentrum immer noch das alt-ehrwürdige ostwestfälische Vollblutgestüt Ravensberg, dessen braun-gelbe Farben auch Anno 2016  hell leuchten. Keine Frage: Vor den Toren Güterslohs stimmen die Synergieeffekte.



 

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