Großer Sport der Parareiter bei den Deutschen Meisterschaften auf Gestüt Bonhomme Drucken
Geschrieben von: Saskia Albrecht/ DL   
Mittwoch, 22. Juni 2016 um 10:09

Ehrung der Meisterin in Grade IV Carolin Schnarre und der Platzierten, links  auf dem Foto die großzügige Schirmherrin der Parameisterschaften, Ulrike Gräfin Walderdorff, Tochter des früheren Springausschuss-Vorsitzenden Otto Schulte-Frohlinde, die zusätzlich jedem Teilnehmer an den Meisterschaften eine wertvolle Pferdedecke schenkte

(Foto: Nadine Harms)

Werder. Bei den Deutschen Meisterschaften der Parareiter auf dem Gestüt „Bonhomme“ in Werder zeigten sich die möglichen Olympiastarter in Top-Form – und welche Schicksale dahinterstecken…

 

 

Die Deutschen Meisterschaften der Para Equestrian Dressage am vergangenen Wochenende auf Gestüt Bonhomme in Werder an der Havel, unweit von Berlin ausgetragen, galten als wichtige Sichtung für die diesjährigen Paralympics in Rio de Janeiro. Die Athleten und ihre Pferde präsentierten sich in Top-Form und boten tollen Sport auf höchstem Niveau. Fünf Sieger und Medaillenträger mit bewegenden Geschichten strahlten in der abschließenden Ehrungszeremonie, in der für alle Teilnehmer die Siegerdecken des Otto Schulte-Frohlinde-Gedächtnispreises, gegeben von Schirmherrin Gräfin Ulrike Walderdorff, im Namen der Familie Schulte-Frohlinde, verteilt wurden.

 

Je nach Schwere der Behinderung sind die Para-Meisterschaften in vier verschiedene Grades eingeteilt. Teilnehmer des Grades I sind dabei am stärksten gehandicapt. Mit großem Einfühlungsvermögen und gemeinsamen Kampfgeist ist es eine große Leistung von Pferd und Mensch sich so aufeinander einzustellen, dass trotz des teils erheblichen Handicaps eine anspruchsvolle Dressur dargeboten werden kann.

 

In Grade I siegte Favoritin Elke Philipp auf Regaliz als heiße Anwärterin auf einen Platz im Para-Team für Rio. 1984 erlitt Elke Philipp im Alter von zwanzig Jahren durch eine Gehirnhaut- und Kleinhirnentzündung eine zentrale Funktionsstörung von körperlichen Ausfällen und Koordinationsstörungen in der gesamten Muskulatur. Mit großem Willen und viel Training schlug die Bayerin eine sehr erfolgreiche sportliche Laufbahn ein. Neben ihren großen Erfolgen im Reitsport feierte Elke Philipp zwischen 1999 und 2004 große Titel im Ski Alpin. Auf dem Silberrang rangierte Alina Rosenberg im Sattel von Nea’s Daboun. Über Bronze freute sich Silvia Logemann mit Danjo AS.

 

In Grade II wurde Steffen Zeibig mit seiner wunderschönen Stute Feel Good  zum Deutschen Meister gekürt. Dem dreifachen Familienvater fehlen von Geburt an der rechte Unterarm, der rechte Unterschenkel und der linke Fuß. Im Regelsport feiert der gebürtige Dresdener Erfolge in der Dressur bis Klasse S und im Springen bis Klasse M. Auf den Paralympics 2008 begeisterte der außerordentlich gefühlvolle Reiter mit der Mannschafts-Silbermedaille. Der Vize-Meister-Titel ging an Claudia Schmidt und Romeo Royal. Den Bronzerang feierte Britta Näpel mit Rodrigo de Ronya.

 

Der Sieg der Deutschen Meisterschaft in Grade III ging an Hannelore Brenner und ihren Wallach Kawango. Durch einen Reitunfall 1986 in der Vielseitigkeit brach Hannelore Brenner einen Lendenwirbel, was zur inkompletten Querschnittslähmung führte. Die toughe Frau kämpfte sich zurück und wurde mithilfe ihrer Trainerin und Lebensgefährtin Dorte Christensen zu einer der erfolgreichsten Para-Sportler überhaupt. Sollten sich die Paralympic-Träume in diesem Jahr erfüllen, wird „Hanne“ Brenner in Rio erstmals mit ihrem sensiblen Kawango antreten. Ihr nun pensioniertes Pferd Women of the World avancierte zum erfolgreichsten Para-Pferd der Welt. Mit der Silbermedaille der Deutschen Meisterschaft schmückte sich Martina Benzinger im Sattel von Frizzantino. Bronze ging an Heidemarie Heidemann und Responsible for me.

 

In Grade IV dominierte Carolin Schnarre mit Del Rusch die Konkurrenz. Die 24-jährige ritt Springprüfungen der Klasse S, bis sie im Jahr 2011 plötzlich fast vollständig erblindete. Durch einen Gendefekt ist die Leitfähigkeit vom Auge über den Sehnerv zum Gehirn blockiert. Nur kleine Bruchstücke kann sie verschwommen noch erblicken. Die gelernte Pferdewirtschaftsmeisterin gab den Reitsport trotz ihrer Behinderung nicht auf und gilt nun als hoffnungsvolle Kandidatin für Rio. Über Silber freute sich Christina Fuchs im Sattel von Guiness. Auf dem Bronzerrang begeisterte Silke Winter mit Dannywell.

 

Einen tollen Erfolg feierte Julia Porzelt im Sattel von Lettenhofs Lovely Daintiness. Mit souveränen Ritten sicherte sich die sympathische Bayerin den Sieg in den Deutschen Jugendmeisterschaften. Die 21-jährige wurde mit Löffelhänden geboren, operativ wurden an jeder Hand drei Finger hergestellt. Beidseits trägt sie Oberschenkel Prothesen, der rechte Ellenbogen ist steif. Mit ihrem Pony „Dainti“ genießt sie die Freiheit der Beweglichkeit und präsentierte beeindruckende Vorstellungen im Dressurviereck. Alina Gack und Prinz freuen sich über Silber. Auf dem Bronzerang strahlt Mara Meyer mit Madira.

 

Rolf Grebe, Bundestrainer der Nachwuchsreiter und Co-Bundestrainer des Para-Teams betonte: „Besonders mit den fantastischen Leistungen der Nachwuchsreiter waren wir in Werder auf Gestüt Bonhomme sehr zufrieden. Wir freuen uns, dass wir solch perspektivreiche Nachwuchsreiter im Team haben.“

 

In der Wertung der Bundesländer lag der Bayerische Landesverband in Führung. Mit Julia Porzelt und Elke Philipp präsentierte Bayern gleich zwei Deutsche Titelträgerinnen.

 

Leistungen nochmals gesteigert

 

Co-Bundestrainer Rolf Grebe berichtete: „Unser Trainergespann mit Cheftrainer Bernhard Fliegl, Britta Bando und mir, ist sehr zufrieden mit den Leistungen der Athleten bei den Deutschen Meisterschaften. Wir konnten noch einmal deutliche Steigerungen feststellen. Besonders schön waren für uns die hervorragenden Bedingungen auf Gestüt Bonhomme. Eine Sichtung in dieser Kulisse und mit der hervorragenden Organisation ist natürlich ideal. Wir möchten uns ganz herzlich bei Rebecca Gutman bedanken, die uns diese Veranstaltung auf ihrer Anlage ermöglichte.“

 

Hinsichtlich der deutschen Medaillenträume für Rio kommentierte Co-Trainer Rolf Grebe: „Wir haben tolle Athleten. Doch die anderen Nationen schlafen auch nicht. Großbritannien, Dänemark und Holland sind sehr stark. Einen direkten Vergleich gab es bisher nicht. Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt!“

 

Noch ist das deutsche Para-Team noch nicht nominiert. Eine Sichtung und zwei Lehrgänge stehen noch aus bis zum sportlichen Großereignis. Am 3. September werden vier fest gesetzte Reiter, zwei Ersatzreiter mit jeweils ihren Pferden und einer Betreuungsperson für Mensch und Pferd, Mannschaftshumanarzt Dr. Stefan Sevenich, Mannschaftstierärztin Dr. Bernadette Unkrüer und das gesamte Trainer-Team nach Brasilien reisen.

 

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