Der Fall Deußer/ Tops und die deutsche FN - fast zehn Jahre danach... Drucken
Geschrieben von: Dieter Ludwig   
Mittwoch, 12. Oktober 2016 um 18:03

Dortmund. Fast in Vergessenheit geraten ist die juristische Auseinandersetzung von Daniel Deußer und seinem damaligen Arbeitgeber Jan Tops mit dem deutschen Reiterverband (FN). Ein Ende ist nach bald zehn Jahren nicht abzusehen, mit Aussitzen hält die deutsche FN gegen Tops, dem die Gerichte bisher Recht gaben und der sich mit einem Vergleich nicht abfinden lassen möchte. Es geht um 130.000 Euro.

 

 

Er war noch nichts, weit entfernt von zwei deutschen Meistertiteln, dem Weltcupgewinn, dem dritten Platz bei der Europameisterschaft 2013 mit der Equipe und Olympia-Bronze bei Olympia mit der Mannschaft 2016 in Rio. Er war das erkannte Talent im deutschen Springsport, aber ohne Lobby, ohne eigenes großes Geld und ohne Sponsor. Dann wurde er über den deutschen früheren Ausnahmereiter Franke Sloothaak an Jan Tops in die Niederlande empfohlen, den Mannschafts-Olympiasieger 1992 in Barcelona und einen gewieften Geschäftsmann. Und dort geriet er erstmals in dickere Zeilen bei deutschen Gazetten, als die von ihm vorgestellte Stute Pristina nach einem wahrlich mickrigen mittelschweren Springen 2007 in Florida – einige Tage vor dem Weltcupfinale in Las Vegas mit dem Hengst Air Jordan -  positiv getestet worden war, was aber erst drei Monate später veröffentlicht wurde. Die Rede ist von Daniel Deußer, dem damaligen späteren Weltcup-Zweiten von 2007 in Las Vegas. Im Juli schlug die juristische Abteilung der deutschen FN zu. Gegen einen Ludger Beerbaum hätte man in einem solchen Falle erst einmal angefragt, 0b man dürfe, vielleicht zunächst vorbeikommen zu einer Unterredung. Der heimliche Boss der deutschen Springreiterei dufte sich sogar mal die Zeit einer Sperre aussuchen, die ihm genehm war. Bei Deußer, ohne schützende Hand eines deutschen Sponsors, im Ausland angestellt, wurde die juristische Keule ausgepackt.

 

Gefunden worden war im Urin von Pristina fünf Piktogramm - Bereich mit zwölf Nullen hinter dem Komma – die nicht erlaubte Substanz des Beruhigungsmittels Request 2, verabreicht gegen Flugstress für das Pferd vom Stalltierarzt. Auf der Packung stand u.a., das Naturprodukt wäre in wenigen Tagen abgebaut. Daniel Deußer: „Noch auf dem Flug zur Verhandlung vor dem US-Verband in Kentucky schwor der Veterinär, nichts gewusst zu haben.“

 

Der Reiter als Verantwortlicher nach allgemein gültigem Recht wurde von der entsprechenden Instanz des US-Verbandes zu einer Sperre von drei Monaten ausschließlich für Turniere in den USA verurteilt, obwohl die Kommission einräumte, eine Leistungsbeeinflussung habe das Mittel nicht bewirkt. Die Strafe endete am 31.März 2008. Deußer hatte zudem eine Buße über 2.000 US-Dollar zu entrichten, er nahm die Strafe an.

 

Berufsverbot für Daniel Deußer

 

Die deutsche FN entzog jedoch dem Berufsreiter für fünf Monate die Turnierlizenz für das In- und Ausland. Die einzelnen Turnierveranstalter wurden zudem angewiesen, Deußer keine Starterlaubnis zu erteilen. Gegen den mündlichen Beschluss, so in der Verkündung, könne kein Rechtsmittel eingelegt werden.

 

Deußer beriet sich mit dem Münsteraner Rechtsanwalt Andreas Kleefisch, der verlor fast die Contenance und sagte: „Was hier ablief, war perfide und  pervers. Eine grobe Rechtsverletzung.“ Und er sagte: „Einer Disziplinarkommission kann es nicht gestattet sein, Staatsanwalt, Richter und Vollstrecker in einer Person zu spielen und Beschlüsse, die offenkundig nicht einmal durch das eigene Vereinsreglement gedeckt sind, für sofort wirksam zu erklären.“

 

Kleefisch hatte mit einem Eilantrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vor dem Landgericht Münster Erfolg. Gegen die  FN wurde angeordnet (Aktenzeichen 11 O 139/08), den Beschluss vom 24. März 2008 bis zur Entscheidung in der Hauptsache eine Jahreslizenz für 2008 nicht mit der Begründung zu versagen, es liege ein wichtiger Grund im Sinne des § 20 Ziffer 1 LPO wegen Dopingvergehens in Zusammenhang mit dem Pferd Pristinna während der Wellington Masters Horse Show vor. Dem Antragsgegner wurde bei Vermeidung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 100.000 Euro untersagt, den Antragsteller an der Teilnahme an nationalen und internationalen Reitturnieren zu hindern, soweit dies auf den Beschluss vom 24.04.2008 gestützt werde. Die Kosten dieses Verfahrens wurden dem Antragsgegner auferlegt. Der Streitwert wurde auf 100.000 Euro festgesetzt. Der Antragsgegner wurde außerdem verpflichtet, die nationalen und internationalen Sportverbände sowie die nationalen und internationalen Turnierveranstalter davon in Kenntnis zu setzen.

 

Einwände des Rechtsanwalts:

 

In dem Eilantrag an das Landgericht Münster führte Alexander Kleefisch unter anderem aus:

++ Dass das zuständige Hearing-Komitee des US-Verbandes bindend festgestellt hat, dass Deußer die pflanzliche Substanz nicht dazu eingesetzt hat, um einen Wettbewerbsvorteil zu erlangen

++ Dass er die Strafe akzeptiert hat

++ Dass die Sperre seitens des Verbandes rechtswidrig ist, weil es abweichend von der Verbandssatzung und dem Reglement des Verbandes für derartige Fälle keinen  verbandsinternen Rechtsbehelf gibt

++ Dass die FN erst ein Jahr nach dem rechtskräftig geahndeten Verstoß in den USA aktiv geworden ist und die Ausstellung einer Jahreslizenz verweigerte

++ Dass die FN nicht darauf einging, Deußer habe seine Strafe verbüßt, er wurde zur Verhandlung vor die Disziplinarkommission zitiert. Die gestand ein,  man habe sich mit einer ausdrücklich unauthorisierten Übersetzung des Urteils aus den USA begnügt. Trotz mündlicher und schriftlich vorgetragener ausführlicher Hinweise auf die Rechtswidrigkeit des Tuns verkündete Dr. Ettwig-Georg Wann als FN-Justitiar, der mündliche Beschluss der Disziplinarkommission entfalte sofortige Wirkung, ein Rechtsmittel dagegen existiere nicht. Aus logistischen Gründen sei eine baldige schriftliche Zustellung des Beschlusses nicht möglich. Kein Problem hatte die FN jedoch damit, nämlich zwei Stunden nach Verkündung des Beschlusses eine ausformulierte Pressemitteilung auf der Homepage zu veröffentlichen.

++ Dass eine eingehende Beschlussbegründung nicht erfolgte

++  Dass der Beschluss offensichtlich rechtswidrig ist, weil sich eine ausreichende Grundlage im Satzungs- oder Regelwerk nicht findet, dass die Verweigerung der Startgenehmigung eine faktische Sperre und damit ein Berufsausübungsverbot von fünf Monaten darstellt

++ Dass die Disziplinarkommission keinen wichtigen Grund für den Beschluss hinreichend vortrug und auch keine Begründung dafür abgab

++ Dass für eine derart einschneidende Maßnahme die ausreichende Satzungsgrundlage fehlt

++ Dass die von der Disziplinarkommission ergangene Maßnahme einem faktischen Arbeitsverbot gleichkommt und zwingend einer satzungsmäßigen Grundlage bedarf

++ Dass die Einhaltung des wesentlichen Prozessgrundrechts von den ordentlichen Gerichten voll überprüfbar ist. Verstößt ein Verband gegen das Mehrfachverfolgungsverbot, kann die Dopingsanktion durch das staatliche Gericht in einem Hauptsacheverfahren aufgehoben und dem mehrfach verfolgten Athleten Schadenersatz wegen unrechtmäßigen Verbandsmaßnahmen zugesprochen werden.

++ Dass dem Antragsteller lediglich der rechtskräftig festgestellte Vorwurf zu machen ist, seinem Stalltierarzt vertraut zu haben, und dabei auf einen anerkannten Veterinär.

++  Dass der in den USA bewertete und geahndete Verstoß nach der deutschen LPO allenfalls als leichter Verstoß anzusehen ist, der nicht vorsätzlich begangen wurde und allenfalls als Ordnungsmaßnahme der Verwarnung in Betracht kommt, zumal auch die Behandlung mit Request 2 zum Schutz und Wohle des Tieres auf dem Zwölfstunden-Flug diente

++ Dass die Sperre von  fünf Monaten unverhältnismäßig, grob willkürlich und unzulässig sei.

 

Der Beschluss des Landgerichts Münster wurde übrigens Dr. Wann am 30.April durch die Gerichtsvollzieherin persönlich ausgehändigt. „Höchststrafe“, wie man in juristischen Kreisen spottete.

 

Das Oberlandesgericht Hamm ( AZ I-8 U 195/08 und I-8 U 196/08) bestätigte das Urteil von Münster u.a. damit:

„...Die Voraussetzung für die Verweigerung der Jahresturnierlizenz nach § 20 Ziff. 1 LPO lag nicht vor. Gem. § 20 Ziffer 1 LPO kann die Ausstellung der für die Teilnahme an Leistungsprüfungen erforderlichen FN-Jahresturnierlizenz nur aus wichtigem Grund verweigert werden. Die Vorschrift selbst nennt als wichtigen Grund beispielhaft eine durch die FEI ausgesprochene Ordnungsmaßnahme oder einen Verstoß gegen die sportlich faire Haltung und die reiterliche Disziplin....“ Das OLG Hamm stellte jedoch fest, dass ein solcher wichtiger Grund hier nicht vorgelegen hat.

 

Fortsetzung: Schadensersatz…

 

Die gerichtliche Auseinandersetzung hatte nun eine Fortsetzung vor dem Landgericht in Dortmund. Es ging um Schadensersatz. Das Gericht bestätigte den Entscheid des OLG Hamm und schlug einen Vergleich vor. Darauf konnten sich beide Parteien nicht einigen. Die Siegerseite wollte mindestens 130.000 €, was die FN nicht akzeptierte und behauptete, sie habe kein Geld. Danach begann ein erneuter Schriftverkehr. Es wurde darüber hinaus Stillschweigen vereinbart. Mit einer Summe knapp unter 100.000 € hätte sich Tops wohl abgefunden. Er rechnete vor, sein Bereiter habe wegen der Lizenzverweigerung an 84 Tagen nicht starten können, Anhand des Turnierkalenders und seiner Nennungen hätte er im Idealfall 750.000 Euro an Preisgeldern gewonnen.

 

Seit August 2013 hat sich im Falle FN/ Tops wenig oder nichts mehr getan, Daniel Deußer war im April 2012 von Jan Tops in den Stall Stephex nach Wolvertem bei Brüssel gewechselt. Wie Recherchen ergaben, sollen nun Gutachter versuchen, den Schaden zu ermitteln, der entstand, dass Daniel Deußer durch das rechtskräftig festgestellte illegale Startverbot entstanden ist.

Gutchtachtern und Anwälten erschließen sich dadurch vor allem in erster Linie weitere unerwartete Geldquellen...

 

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