Nun gastiert die Global Champions Tour auch in Berlin... Drucken
Geschrieben von: Dieter Ludwig   
Dienstag, 31. Januar 2017 um 20:19

Valkenswaard. Die Zukunft des Springreitens hat anscheinend endgültig den Hauptsitz in niederländischen Valkenswaard, dort werden neue Geldquellen ausgegraben, aber auch Ideen ausgebrütet – inzwischen im Einklang mit dem Weltverband (FEI) und seinem Präsidenten Ingmar de Vos, der mal Mitarbeiter war bei den Holländern…

 

Am Anfang war zweifellos Paul Schockemöhle (71). Dem Multiunternehmer aus Mühlen im südlichen Teil von Oldenburg schwebte die Idee eines Weltcups vor und später einer Weltliga im Springreiten. 1991 bereits hockte er mit dem ehemaligen Diamantenhändler Isaac Arguetty aus New York zusammen, die beiden hinterlegten zusammen mit dem Mexikaner Alfonso Romo bei einer Schweizer Bank umgerechnet fünf Millionen Euro zur Einrichtung der „Professional Showjumping Association“ (PJA). Beim ersten Finale im Dezember 1994 in Frankfurt/ Main sollte der Sieger eine Million Euro erhalten.

Nach Qualifikationen in der ganzen Welt sollten 48 Reiter teilnehmen, 28 hätten das Halbfinale erreicht, 16 das Finale und daraus wiederum acht die Siegerrunde, die der frühere Springreiter und Parcoursbauer Hauke Schmidt erfand, „dass nämlich jeder der Qualifikanten ohne Fehlerpunkt belastet in den alles entscheidenden Umlauf geht, das erhöht die Spannung“ (Schmidt) und „gibt jedem die Chance, doch noch Sieger zu werden“ (Arguetty). Fernsehgerecht natürlich, zeitlich passend. Prof Dr. Arno Gego, viele Jahre  Parcourschef beim CHIO von Deutschland und Erfinder der „Aachen School of Course Design“ war mit im Boot und sagte: „Die Qualität soll erhöht werden, nicht die Quantität.“ Und er sagte: „Mehr Geld – aber weniger Turniere.“

 

Jan Tops erkannte die Lücke…

 

Der Weltverband (FEI) war dagegen, man vermutete die Gründung einer konkurrierenden Föderation und drohte, wer sich der PJA zuwende, habe das Recht auf Teilnahme an Olympischen Spielen, Championaten und Nationen-Preisen verwirkt. Das Projekt war tot, noch ehe es zu leben begann. Arguetty hatte sicher damals nicht ganz so unrecht, als er meinte: „Im Vergleich zu Tennis, Golf und in England gar zum Dartspiel kommt  Springreiten im Fernsehen beim unbedarften Zuschauer wenig an, Reiten ist zu langweilig, weil nämlich für den ganz normalen sportinteressierten Zuschauer am Fernsehschirm praktisch nichts passiert. Der Zuschauer möchte mitleiden, er will ergriffen werden von großen Momenten, sie körperlich miterleben, Reiten erreicht den Zuschauer nicht oder kaum.“

Nach der groß ausgerufenen Riders Tour, die bald schwächelte,  stieß vehement Johannes, Augustinus, Petrus Tops (50), kurz: Jan Tops (55) in die Lücke. Der Niederländer, Pferdehändler, Team-Olympiasieger 1992 in Barcelona, mit  Wohnsitz im steuergünstigen Monaco, erkannte die Chance.  Er setzte den PJA-Gedanken um. Tops, mit dem angeborenen Instinkt des Holländers für Geschäfte, Turnierstall in Valkenswaard, erfand die „Global Champions Tour“, auf der sich inzwischen die Weltelite gerne tummelt. Start 2006. Jan Tops: „Unser Sport ist so teuer, da muss man doch irgendwann die Chance erhalten, auch auf Turnieren ein ordentliches Preisgeld zu ergattern.“ Die Tour allein machte inzwischen nicht weniger als 18 Reiter zu Millionären, angefangen von Tops-Ehefrau Edwina Alexander aus Australien (3.463.942 €) bis zum Franzosen Kevin Staut (1.038.009), zu den Prämienrittern zählen auch die Deutschen Ludger Beerbaum, Christian Ahlmann, Marcus Ehning, Daniel Deußer, Marco Kutscher und Meredith Michaels-Beerbaum.

 

Kostenapparat von 75 Millionen

 

Anfang April beginnt in Mexiko City die 12. Global Champions Tour mitten in der Stadt auf dem Campo Marte, wo 1968 die Olympischen Reiterspiele stattfanden. Die Serie umfasst 15 Turniere und endet im November wie in den letzten Jahren in Doha. Die juristischen Auseinandersetzungen zwischen Global-Präsident Jan Tops und der FEI sind beendet. Der Weltverband wollte mit allen verfügbaren rechtlichen Mitteln verhindern, dass zu den Einzelkonkurrenzen auch ein Teamwettbewerb installiert wurde. Nun sind die Mannschaftsspringen ebenfalls legal, wobei FEI-Präsident Ingmar de Vos (Belgien) sicher auch ein bisschen hin und hergerissen war, gehörte er doch zum Anfangspersonal der Global Champions Tour. Die Einigung ist aus FEI-Sicht auch leichter verständlich und verdaubarer, geht doch ein Betrag um eine Million Euro als Lizenzgebühr nach Lausanne. Noch mehr kassieren die nationalen Verbände ab, finden Global-Wettbewerbe bei ihnen statt, nämlich insgesamt an die drei Millionen, ohne dabei überhaupt ins Schwitzen zu kommen…

Der komplette Kostenapparat für das Unternehmen Global-Tour beläuft sich auf rund 75 Millionen Euro im Jahr, „das Teuerste daran sind die Flüge mit den Pferden“, sagt Tour-Manager Fred van Lierop (55). An Preisgeld werden 24 Millionen ausgeschüttet, davon 10,5 Millionen in den Teamkonkurrenzen. Das Gewinner-Duo kassiert in Doha 2 Millionen €, 1.350.000 gehen an die zweitplatzierten Reiter und 831.250 € an die Dritten. Die drei punktbesten Mannschaften in der Punktewertung vor dem Finale haben Antrittspflicht beim letzten Springen in Doha, fehlt einer, gibt`s kein Geld.

Wie schon in allen Jahren zuvor ist die Weltrangliste das Entree für die Teilnahme an den Turnieren. Die 30 Erstplatzierten sind Gäste der Veranstaltungen, sie werden mit den Pferden je nachdem wohin für lau eingeflogen, dazu mit Entourage, und gewohnt wird nicht in irgendwelchen Hinterhöfen, First Class, freie Kost und Logis. Allein die Fliegerei holt dem Unternehmen rund 15 Millionen vom Konto. Wer nicht zu den Auserwählten zählt, kann sich auf der Tour einkaufen, doch nicht allein den Start, dazu gehört auch ein VIP-Tisch, der mit rund 25.000 € veranschlagt ist, es kann auch mal etwas mehr sei, wie zum Beispiel im extra für die Tour errichten und gezimmerten Stadion am Strand von Miami Beach. Dort werden 50.000 Dollar genommen – und wer nicht schnell genug ist, kommt gar auf die Warteliste, wie ein Insider vor einem Jahr wusste. Wie sagt Fred van Lierop, der unauffällige Macher im Hintergrund, der nicht zu den Kameras drängt, die Scheinwerfer  gerne seinem Chef überlässt: „Jemand muss die Party schließlich bezahlen…“


„Veranstalter sprechen uns an“

 

Laut Van Lierop „sprechen uns Interessenten nach wie vor an, um Teil der Serie zu werden“. Er wiederum sagt ihnen dann, was dazu gehört, um zur Global Champions Tour gehören zu können, „zum Beispiel die Stallungen für die Pferde, Unterbringung und Versorgung der Pfleger, der Boden in der Arena, Umfeld, Medieninteresse, Atmosphäre, Ausstrahlung als Turnier, der Ort selbst oder die Gegend wie zum Beispiel in Miami Beach, Paris unter dem Eifelturm, vor dem Wasserschloss in Chantilly oder in London vor einem altehrwürdigen Gebäude mit Park“. Wichtig sei auch, „dass Behörden, also die Politik, und Wirtschaft“ offen wären für eine solche Veranstaltung. Viele Städte treten auch selbst als Mitsponsoren auf, schließlich diene die Global Champions Tour auch als Werbeträger. Eines ist ganz klar: „Die Veranstaltung muss topp sein. Von Anfang an, denn wir investieren ja auch“, sagt van Lierop. Das war zweimal nun in Wien nicht mehr der Fall. Nachdem der Rathaus-Platz mitten in Wien zum gegebenen Termin nicht frei war, wurde das Turnier nach Ebreichsdorf in den Pferdesportpark Magna Racino und ein Jahr später auf die Trabrennbahn in der Krieau verlegt, nun hat man zunächst mal eine Turnierpause eingelegt…

Erstmals nach 16 Jahren kehrt der große Reitsport auch zurück nach Berlin in die deutsche Hauptstadt (28. bis 30.Juli), und erstmals die Global Champions Tour, nach dem letzten Weltcupturnier im Velodrom im Osten der Matropole. Fred van Lierop: "Wir verhandeln noch, wo geritten wird, jedenfalls auf einem schönen Platz." Am liebsten wäre den Veranstaltern natürlich ein temporäres Stadion vor dem Brandenburger Tor...

Fred van Lierop denkt auch weiter als von Turnier zu Turnier. Er hat so seine Vorstellungen, wie in zehn Jahren der Springsport aussehen könnte. Der übliche Springsport baut für einen ganz normalen Sportinteressierten außerhalb von Championaten und Olympia kaum Spannung auf, und schon gar nicht, wenn 100 Teilnehmer den gleichen Parcours zu bewältigen haben, immer die gleiche Linie, die gleichen Hindernisse. Und die Parcoursbauer selbst sind auch an feste Regeln gebunden, Höhe der Hindernisse, Abmessungen, Kombinationen. Viele denken bereits darüber nach, groß eingefallen ist noch keinem etwas ganz Besonderes. Paul Schockemöhle: „Wir können die Pferde ja nicht rückwärts springen lassen…“

Nach der Meinung von Fred van Lierop wird sich der Springsport in den nächsten Jahren total ändern müssen, will er im Gespräch und im Interesse bleiben. Der Niederländer meint, die Digitalisierung werde noch stärker auch in den Reitsport eingreifen, „vor allem bei TV-Übertragungen. Da könne man die Werbung viel effektiver einbauen, so, dass sie auch wahrgenommen wird, mit kurzen Einspielungen, die neugierig machen, Fragen aufwerfen, dass darüber gesprochen wird – und das möchte doch Werbung, nichts anderes“, sagt er. Und draußen um den Reitplatz wäre alles wieder wie früher, wieder mit viel Grün und nicht voll gepflastert von Werbebannern…Wäre ja schon mal ein Anfang.

 

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