BGH: Beweislastumkehr beim Dienstvertrag im Pferdebetrieb Drucken
Geschrieben von: Offz/ DL   
Donnerstag, 23. Februar 2017 um 16:32

Karlsruhe. Der Bundesgerichtshof kippte zwei Urteile im Falle eines Pferdes eines privaten Einstallers, das sich beim Freilaufen verletzte. Daraufhin klagte der Besitzer auf 40.000 € Schadenersatz gegen den Betrieb, dem das Pferd in vollem Umfang anvertraut war. Zwei Instanzen hatten die Klage abgewiesen, die Revision beim BGH war jedoch erfolgreich.

 

 

Am 12.1.2017 hat der BGH eine Entscheidung verkündet, die nicht unerhebliche Auswirkungen auf Pferdebetriebe haben wird, die ihren Einstallern in der Regel auch Dienstleistungen anbieten. Ausgangsfall war ein Schaden an einem Pferd, welches in einem Betrieb beim Freilaufenlassen verletzt worden ist. Der Pferdebesitzer hatte den Betrieb auf über 40.000.- € Schadenersatz für das danach für Reitzwecke nicht mehr brauchbare Reitpferd verklagt, nachdem er das Pferd nicht nur als Pensionspferd dort eingestallt, sondern auch Vollberitt dazu beauftragt hatte. Die beiden Vorinstanzen hatten die Klage vorher vollumfänglich abgewiesen. Die Revision beim BGH war jedoch erfolgreich und der Rechtsstreit wurde zur erneuten Beweisaufnahme an die Berufungsinstanz zurückverwiesen mit klaren Vorgaben zur Beweiserhebung.

 

Der Tenor der BGH Entscheidung (III ZR 4/16 v. 12.1.2017) lautete wie folgt:

 

a) Zur Einordnung eines Vertrags über den "Vollberitt" eines Pferdes als Dienstvertrag.

 

b) Ist die Schadensursache aus dem Gefahren- und Verantwortungsbereich des Anspruchsgegners hervorgegangen und rechtfertigt die Sachlage den Schluss, dass dieser die ihm obliegende Sorgfalt verletzt hat, so muss er sich vom Vorwurf der Vertragsverletzung entlasten; er hat hierfür darzulegen und gegebenenfalls nachzuweisen, dass ihn kein Pflichtverstoß trifft (Anschluss an BGH, Urteile vom 20. Juni 1990 - VIII ZR 182/89, NJW-RR 1990, 1422, 1423 und vom 5. Oktober 2016 - XII ZR 50/14, BeckRS 2016, 19979 Rn. 31).

c) Eine solche Beweislastumkehr kommt in Betracht, wenn ein vom Beklagten zu betreuendes Pferd bei einem Freilauf in der Reithalle in ungewöhnlicher Weise erhebliche Verletzungen erleidet und der Beklagte die mit dem Freilauf zusammenhängende Betreuung des Pferdes nicht geschultem Fachpersonal, sondern allein einer Praktikantin anvertraut hat, die am Unfalltag erst seit zwei Monaten in seinem Reitstall tätig war.

 

Der Schwerpunkt des dem Sachverhalt zugrundeliegenden Vertrages wurde rechtsfehlerfrei von den Vorinstanzen im Dienstvertragsrecht eingeordnet. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bildet ein beim Pferdepensionvertrag üblich angenommener gemischter Vertrag ein einheitliches Ganzes und kann deshalb bei der rechtlichen Beurteilung nicht in dem Sinn in seine verschiedenen Bestandteile zerlegt werden, dass etwa auf den Mietvertragsanteil Mietrecht, auf den Dienstvertragsanteil Dienstvertragsrecht und auf den Kaufvertragsanteil Kaufrecht anzuwenden wäre. Der Eigenart des Vertrags wird vielmehr grundsätzlich nur die Unterstellung unter ein einziges Vertragsrecht gerecht, nämlich dasjenige, in dessen Bereich der Schwerpunkt des Vertrags liegt (s. etwa Senatsurteile vom 21. April 2005 - III ZR 293/04, NJW 2005, 2008, 2010 und vom 8. Oktober 2009 - III ZR 93/09, NJW 2010, 150, 151 Rn. 16 mwN; BGH, Urteil vom 29. Oktober 1980 - VIII ZR 326/79, NJW 1981, 341, 342). Der BGH verweist jedoch ausdrücklich darauf hin, daß eine solche rechtliche Einordnung nicht ausschließt, auch Bestimmungen des Vertragsrechts heranzuziehen, bei dem der Schwerpunkt des Vertrags nicht liegt, wenn allein hierdurch die Eigenart des Vertrags richtig gewürdigt werden kann (Senatsurteil vom 21. April 2005 aaO; BGH, Urteil vom 29. Oktober 1980 aaO).

 

Oberlandesgerichte ordnen Pferdepensionsverträge schwerpunktmäßig als entgeltliche Verwahrungsverträge ein, was der BGH im vorliegende Fall jedoch keiner abschließenden Klärung unterzogen und den Schwerpunkt wie die Vorinstanzen beim Dienstvertrag (§ 611 BGB) gesehen hat unter Ausschluss des Verwahrungs- und Mietvertragsrechts. Auch wurde vom BGH im vorliegenden Fall ein eventueller Rückgriff auf das Verwahrungsrecht wegen des Schutzes des Pferdeeigentümers vor unzumutbaren Beweisschwierigkeiten verneint.

 

Der BGH kommt jedoch auf anderem Wege zu einer Beweislastumkehr zu Lasten des Dienstvertragsanbieters.

 

Ist nämlich die Schadensursache aus dem Gefahren- und Verantwortungsbereich des Anspruchsgegners (Dienstleisters) hervorgegangen und rechtfertigt die Sachlage den Schluss, dass dieser die ihm obliegende Sorgfalt verletzt hat, so muss er sich vom Vorwurf der Vertragsverletzung entlasten; er hat hierfür darzulegen und gegebenenfalls nachzuweisen, dass ihn kein Pflichtverstoß trifft (s. BGH, Urteile vom 20. Juni 1990, aaO und vom 5. Oktober 2016 - XII ZR 50/14, BeckRS 2016, 19979 Rn. 31 mwN; s. dazu ferner OLG Karlsruhe, NJW-RR 2000, 614; Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 23. Januar 2001, aaO; OLG Hamm, Urteil vom 16. November 2004 - 26 U 100/04, BeckRS 2010, 29812; OLG Braunschweig, Urteil vom 25. März 2015 - 3 U 31/14, BeckRS 2015, 15928 Rn. 27).

 

Der BGH stellt fest, dass diese Grundsätze auch für Pferdebetreuungsverträge gelten (vgl. BGH, aaO) und daher etwaigen Beweisschwierigkeiten des Pferdeeigentümers angemessen Rechnung tragen. Im vorliegenden Fall hat der BGH festgestellt, dass der beklagte Dienstleister keinen Entlastungsbeweis dafür erbracht hat, dass ihm kein Pflichtverstoß unterlaufen ist, weshalb die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen wurde. verbunden mit Anweisungen zur Durchführung der erneuten Beweiserhebung.

 

Folgen für die Praxis

 

Zunächst ist festzustellen, dass die Entscheidung nicht überraschend ist, sondern nur nochmals deutlich macht, dass auch Dienstleistungen von Pferdebetrieben geprägt sind von vertraglichen Sorgfaltspflichten eines Dienstleisters, der für Pflichtverstöße naturgemäß haften muss. Dafür gibt es auch entsprechende Versicherungen für Pferdebetriebe. Die Entscheidung macht auch deutlich, dass nicht der Kunde je nach Sachverhalt solche Pflichtverstöße beweisen muss, sondern zunächst der Dienstleister darlegen und beweisen muss, dass er seine Sorgfaltspflichten vollständig erfüllt hat und keinen Pflichtverstoß begangen hat. Den Dienstleistungsanbieter trifft daher eine sogenannte Beweislastumkehr, welche schon bei der Einordnung von Pferdepensionsverträgen mit dem Schwerpunkt eines entgeltlichen Verwahrungsvertrages bekannt ist.

 

Ein Anbieter von Dienstleistungen im Pferdebetrieb wie hier vorliegend die Ausbildung, Beritt eines Pferdes etc. bis zu Dienstleistungen, z.B. Führen zu Pferdeführanlagen oder zum Laufband, zur Koppel führen, Aufheben beim Hufschmied , Longieren, Laufen lassen, Medikamentengaben etc. muss sich mit den damit verbundenen Risiken intensiver befassen. Allein die Frage der Beweislastumkehr bedingt, dass man als Anbieter solcher Dienstleistungen diese vorher klar als Prozesse/Abläufe beschreibt und dann auch dokumentiert, wer, was an welchem Pferd wie vorgenommen hat. Zudem ist der Anbieter auch gut beraten, das mit der Erbringung solcher Dienstleistungen befasste Personal sorgfältig auszuwählen und zu schulen. Die häufige Praxis, Reitschüler, Praktikanten und/oder ungeschulte Mitarbeiter z.B. aus Osteuropa für solche Dienstleistungen an Kundenpferden einzusetzen fällt im Zweifel dem Pferdebetrieb auf die Füße. Hier gilt es daher vermehrt auf präventive Risikovermeidung zu achten und schlicht Qualitätsmanagement im Pferdebetrieb zu betreiben. Dafür gibt es längst geeignete Software und sonstige Maßnahmen, die man nur konsequent anwenden muss. Sollte trotzdem einmal der Haftungsfall eintreten, ist der frühe Rat eines Pferderechtsanwaltes dringend zu empfehlen. Mitgeteilt von www.pferderechtsanwaelte.de

 

Zuerst Treffen in Vechta am Vortag

 

Bereits zum dreizehnten Mal treffen sich Deutschlands Pferderechtsanwälte auf dem zentralen Deutschen Pferderechtstag am 10. März 2017 , diesmal in Bremen. Diese Veranstaltung hat sich in den letzten zwölf Jahren zur führenden Fach - und Fortbildungsveranstaltung für Rechtsanwälte mit Spezialisierung auf Pferderecht sowie für Pferdesachverständige und Pferdefachtierärzte mit Interesse an juristischen Fachfragen entwickelt. Zu diesem Fachkongress kommen Teilnehmer aus der gesamten Bundesrepublik, der Schweiz, Österreich und den Niederlanden. Auch 2017 wird ein zusätzlichen Expertenforum am Vortag den 9.3.2017 in Kooperation mit dem Oldenburger Pferdezuchtverband im Oldenburger Pferde Zentrum in Vechta angeboten. Schwerpunktthemen sind dieses Jahr neue und wegweisende Zuchtmethoden für eine effektivere Selektion wie die Sattelkörung, die lineare Pferdebeschreibung und die genomische Selektion. Danach beginnt am 9.3.2017 der schon traditionelle Pferderechtsabend mit einem Oldenburger Buffet und kommunikativen Fachgesprächen beim get-together der Branche.

 

Am 10.3.2017 wird die aktuellste Rechtsprechung und neue gesetzliche Entwicklungen zu schuldrechtlichen Fragen beim nationalen und internationalen Handel mit Pferden wieder im Focus sein. Der renommierte Schuldrechtsexperte Prof. Dr. Ansgar Staudinger von der Universität Bielefeld wird seine Pferderechtsexpertise aus vergangenen Pferderechtstagen fortsetzen und erneut vertiefen. Aktuelle Rechtsprechung des 8. Zivilsenats beim BGH wird dann dessen Vorsitzende Frau Dr. Karin Milger anhand konkreter Fälle ihres Senats präsentieren. Der Deutsche Pferderechtstag beschäftigt sich als interdisziplinäre Fachveranstaltung auch 2017 wieder mit veterinärmedizinischen Themen. Im Anschluss an die Zuchtthematik vom Expertenforum am Vortag werden Haftungsfragen in der Reproduktionsmedizin von Pferden sowie deren Folgen und Bedeutung für die Praxis von dem bekannten Reproduktionsmediziner der Tierärztlichen Hochschule Hannover, Prof. Dr. Harald Sieme , erläutert mit besonderen Schwerpunkten von der Besamung bis zum Embryotransfer.

 

Von steigender Bedeutung sind und bleiben Tierschutzfragen in der Praxis mit Pferden, welche in Anbetracht höherer Verfahrenszahlen der Veterinärbehörden in Pferdefällen sowie u.a. dem neuen Verbandsklagerecht in Tierschutzsachen von dem leitenden Veterinär der Landwirtschaftskammer Oldenburg und Pferdefachmann Dr. med.vet. Karsten Zech besprochen werden. In der Praxis kommen oft Haftungsfragen im Zusammenhang mit Verkehrssicherungspflichten in Pferdesportbetrieben, Pferdekliniken und bei Reit- und Zuchtveranstaltungen vor, zu denen der ausgewiesene Experte für Verkehrssicherungspflichten, Rechtsanwalt Dr. Georg Krafft aus München, den Teilnehmern effiziente Risiko- und Haftungsvermeidungsstrategien präsentieren wird. Am folgenden Samstag den 11.3.2017 sind die Teilnehmer zu einer Rundfahrt durch das Oldenburger Zuchtgebiet mit Besuchen bei bekannten Hengsthaltern und Züchtern im Rahmen des Breeder´s Meeting eingeladen und können dabei die Oldenburger Pferdezucht und deren Akteure kennenlernen und vielleicht sogar ihr nächstes Pferd finden.

 

Geleitet wird der Kongress von dem Tübinger Rechtsanwalt Thomas Doeser .

Weitere Informationen findet man im Internet unter www.pferderechtstag.de

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Pressekontakt:equimedia eventagentur tübingen

 

Ansprechpartner:

Rechtsanwalt Thomas Doeser

Robert Gradmann Weg 1

72076 Tübingen

Tel. 07071/600630

Fax 07071/600345

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in Kooperation mit der Deutschen AnwaltAkademie Berlin

 

 

 

 

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