„Millenium Truck Scania“ - der Rolls-Royce für Pferde… Drucken
Geschrieben von: Dieter Ludwig   
Samstag, 18. November 2017 um 17:58

 

(Foto: Thomas Hartwig)

Füchtorf. Für den europaweit bekanntesten Pferdetransporteur Fritz Johannsmann war in Füchtorf bei Karosseriespezialist Niehoff wieder einmal „Stapellauf“, die Flasche Sekt klatschte nicht gegen die Bordwand – lediglich der Korken hob ab. Das neue Gefährt ist das modernste weltweit, ausgetüftelt bis ins Detail – zum Wohle der fahrenden Pferde und der Umwelt…

 

Maik Freistedt ist LKW-Fahrer, aber kein gewöhnlicher. Freistedt chauffiert Pferde meist durch ganz Europa, oft eine Millionen teure Fracht. Und von seiner Zunft sind für solche Fuhren nicht gerade an jeder Ecke welche zu engagieren, wer hat auch eine Fahrerlaubnis, die über 10.000 € bis zur Aushändigung des Scheins kostet. Sein Chef Fritz Johannsmann (63) weiß das mehr als gut. Und so sagte er auch eines Tages, als Freistedt meinte, er wolle in Zukunft am Steuer eines Scania-Transporters sitzen, es gäbe nichts besseres, oder wieder ins zweite Glied zurücktreten, da sagte der Boss einfach ja, weil er auch schon  wusste, wohin er sich zu wenden hatte.

Maik F. bekam seinen Wunschtransporter, und was für einen. Johannsmann, der ja auch Gott und die Welt kennt, hatte sich nämlich ebenfalls informiert und seine Beziehungen spielen lassen. Und so stieß er auf einen alten Bekannten, Peter Hornig, Mannheimer, Scania-Geschäftsführer von Deutschland-Österreich, Parcoursbauer, Pferdemann, seit 23 Jahren schon kennen sie sich. Scania lieferte den Unterbau, den sogenannten Koffer, den Aufbau, setzten die Fachkräfte beim Karosseriebauer Niehoff in Füchtorf zusammen, in 2.500 Arbeitsstunden, man  werkelte vier Monate. Dann stand der „Rolls-Royce“ – „Millenium Truck Cornado NRW“ Schriftzug auf der Fahrertür -  für Pferde in der Halle. Ein in der Welt bisher einmaliges Gefährt, garantiert richtungweisend.

 

Schlüsselübergabe von Scania-Geschäftsführer Peter Hornig (links auf dem Foto) an Fritz Johansmann unter Beobachtung von Mathias Niehoff, einem der beiden Junior-Chefs des Unternehmens Pferde-Transportfahrzeuge

(Foto: HP Viemann)

Von außen ist der Scania „Friedrich Johannsmann“ mit der zusätzlichen Aufschrift Cornado NRW  ein Pferdetransporter, wie sie überall auf den Straßen unterwegs sind. Der Schein trügt. Der Aufbau lässt sich sieben Zentimeter absenken, so wird das seitliche Ver- und Entladen einfacher, jedes Pferd ist an seinem Platz einzeln erreichbar. Der einzelne Stellplatz kann durch die flexiblen Wände speziell auf das einzelne Pferd abgestimmt werden, Hengste zum Beispiel können nicht mehr über irgendwelche Stangen springen (wo sie früher dann oft hängenblieben), nichts kann mehr zertreten werden, alles ist beweglich und doch so stabil, dass es nicht gleich zerbricht, wenn ein Pferd dagegen tritt. Durch das Absenken des „Koffers“ liegt auch während der Fahrt der Schwerpunkt tiefer, und Dank der Vollluftfederung stehen die Tiere ruhiger. Auf die Einrichtung einer Klimaanlage wurde bewusst verzichtet, „da sich viele Pferde oft erkältet haben“, so Fritz Johannsmann. Die Tiere erhalten über bestimmte geöffnete Klappen von außen frische Luft. Über ein System mit Kameras kann während der Fahrt jedes Pferd – von möglicherweise sieben - überwacht werden. Johannsmann: „Das Wohl der Pferde steht an erster Stelle. Das war immer unser Credo.“

 

„Schwierigkeiten“ nach der „Jungfernfahrt“…

 

Die „Jungfernfahrt“ des Scania-Cornado NRW erfolgte am 8. November von Münster nach Ankum, Maik Freistedt fuhr die Pferde von Michael Klimke zum Dressurturnier nach Ankum ins dortige PSI-Sportzentrum. Das Entladen verlief dabei nicht ganz reibungslos, die Klimke-Pferde wollten den „Koffer“ nämlich gar nicht verlassen und konnten nur durch die bekanten Lekker-Würfel von Pharmaka aus dem Transporter gelockt werden, wie der frühere deutsche Meister und Anwalt Michael Klimke schmunzelnd erzählte, so sauwohl hätten sich die Pferde auf dem neuen LKW gefühlt…

 

Der Motor des „Luxus-Schlittens“ liefert 450 PS, doch entscheidend ist während der Fahrt das Drehmoment der Kraftmaschine, das Schalten im richtigen Augenblick, um ein möglichst gleichbleibendes Tempo zu erhalten, ruckartiges Abbremsen oder Beschleunigen zu verhindern. Das Kommando zum Schalten kommt vom Computer, ablesbar auf einem Display. Das Führerhaus ähnelt durchaus dem Cockpit eines Flugzeugs, mit allerlei Instrumenten und natürlich Fernsehgerät und automatisch ausfahrbarer TV-Schüssel. Und der Motor arbeitet so sauber jenseits der bisher existierenden "grünen Plakette", dass dafür ein Umweltspreis zu vergeben wäre. Ein Transporter dieser Bauart und Qualität kostet rund 300.000 Euro, ein entsprechender Hänger mit allem Comfort für sieben Pferde verschlingt nochmals 150.000 €.

 

Wie alles begann…

 

Die Anfänge des Unternehmens Niehoff (inzwischen 17 Mitarbeiter) gehen auf  1959 zurück, damaliger Auslöser war Dr. Curt Löwe, Pferdezüchter in Füchtorf und auch „Leibtierarzt“ der nach wie vor unvergessenen Wunderstute Halla von Hans Günter Winkler, wie Seniorchef Heiner Niehoff erzählt.

 

Fritz Johannsmann spezialisierte sich auf Transporte von Pferden 1975. Eigentlich wollte er Reiter werden, in der Military, wie man früher zur Vielseitigkeit sagen durfte. Doch seine Karriere endete im Fluss namens Werre  bei Bielefeld, sein Schimmel Malboro hatte ihn dort während einer Prüfung abgelegt. Am nächsten Tag ging er zu seiner Tante Hilde, pumpte sich 5.000 Mark, kaufte einen alten Möbelwagen für 4.800 DM und löste für 5 Mark einen Gewerbeschein. Friedrich, genannt Fritz, Johannsmann gründete dann im November 1975 das Unternehmen „Transport für Reit- und Zuchttiere“ auf dem elterlichen Hof in Ebbesloh im Kreis Gütersloh, mit dem inzwischen umgebauten Möbelwagen. Er war gerade 20 Jahre alt.

Nun, genau 42 Jahre später, ist das Unternehmen Johannsmann weltweit zugange, im Vorjahr transportierte er z.B. 310 Pferde zum Flughafen Lüttich, wo sie der erfahrene Manager solcher Flugreisen, Martin Atock von Peden Bloodstock, abheben ließ zu  den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro. Dort wiederum standen bereits vier  LKW`s von Johannsmann – sie waren per Schiff nach Brasilien verfrachtet worden –, um  die wertvollen Tiere zu den Stallungen bzw. später den Olympia-Stätten zu fahren..

 

 

Fritz Johannsmann "tauft" seinen neuen Pferdetransporter

(Foto: HP Viemann)

Er selbst stammt aus einer Pferdefamilie. Sein Vater hatte immer Pferde, „er war im Dorf der Letzte, der sich einen Trekker anschaffte“, so FJ. Alle drei Brüder hatten auch immer mit Pferden zu tun, Heinrich-Wilhelm, den alle Kaiser nennen, ist im Sport der Beste von ihnen geworden, Medaillengewinner bei Championaten, inzwischen gefragt als Coach. Er wiederum fuhr während seiner Bundeswehrzeit am Wochenende mit seinem Bruder Heinrich-Wilhelm aufs Turnier, und dort beobachtete er, „was alles falsch gemacht wurde beim Verladen der Pferde.“ Fritz J. schmiss das Jurastudium und wurde  fast schon zwangsweise Pferdesport-Transporteur. Sein Unternehmen setzt im Jahr zwischen zwei und drei Millionen Euro um. Grob gerechnet kostet das Fahren eines Pferdes pro Kilometer 1 Euro.

 

Seine ersten Kunden waren Inge und George Theodorescu, Pferdeleute, wie man sie selten findet. Das Dressur-Ehepaar, Eltern der deutschen Bundestrainerin Monica Theodorescu, hatte nämlich für einen Gala-Abend in Verden/Aller zugesagt, doch der bereits beauftragte Spediteur aus dem Rheinland musste wegen Annahme zu vieler Zusagen absagen. Aber Speditionsneuling Johannsmann stand parat. Die Theodorescus blieben bis zu ihrem Tode seine Kunden, wie auch er treu zum Unternehmen Niehoff steht. Über 30 Fahrzeuge lieferte der Familienbetrieb bisher an Fritz Johannsmann. Eine Partnerschaft auf Freundesbasis.

 

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