Ramzes - Erinnerung an eine Zuchtlegende Drucken
Geschrieben von: Dieter Ludwig   
Sonntag, 18. Juli 2021 um 19:59

Wassenberg. Mit dem Werturteil Legende wird inzwischen schon fast leichtfertig umgegangen, doch Legenden werden nicht gemacht, sie machen sich selbst. Von Tieren steht darüber in Lexika nichts mit Hintergrund. Warum nicht?

Der polnische Grand Prix-Reiter und Ausbilder Jaroslaw Wierzchowski (Foto) initiierte die Schaffung eines Denkmals für Ramzes vor dem Gestüt Janow Podlaski, wo der großartige Vererber seine Decktätigkeit aufnahm. Und dass die Öffentlichkeit davon erfuhr, ist wiederum Bohdan Sas Jaworski (65) zu verdanken, dem Springreiter  und wahrlich guten zusätzlichen Botschafter Polens, der seit 1985 in Lottstetten unweit des Bodensees als Pferdeausbilder und Trainer arbeitet. Den 53-maligen Nationen-Preis-Starter hatten die damaligen Aparatschiks seines Landes trotz Qualifikation am Abend vor dem Start aus dem Team genommen und sein Pferd Bremen einem Uniformreiter untergeschoben. Somit reiste er ohne sichere  Medaille aus Moskau ab.   

 

Lexika gehen beim Erklären von „Legende“ auf Erzählungen vor allem auf den kirchlichen Bereich zurück oder auf Sagen. Die Neuzeit macht es sich leichter. Wer ein paar Mal den Ball zum Beispiel zehnmal geschickt quer spielen kann, wird rasch auch als Legende in die Zeitung gestellt. Tiere galten früher schon nichts, und sind auch heute immer nur Sache. Jedenfalls im deutschen Recht. Und von Legenden ist nirgendwo geschrieben oder wird erzählt. Und von Pferden? Die ja inzwischen in vielen Gazetten oder bei Meinungsbildnern nicht mehr eingehen oder verenden, sondern geradezu vermenschlicht sterben, taugt da eines zur Legendenbildung? Möglich, vielleicht aus dem Jahre 1934. Das Pferd Hanko. Der braune Wallach war ein französisches Beutepferd aus dem Ersten Weltkrieg, sein Reiter Leutnant Bennet fiel bei einem deutschen Angriff an der Marne bei Remy. Rittmeister von Knobelsdorf nahm das Pferd, das Hanko genannt wurde, mit nach Deutschland,  dort kam der edle auf 15 Jahre geschätzte Wallach zu einem Bauern. Und wie Clemens Laar in seinem Buch „…reitet für Deutschland“ 1936 schreibt, sei Hanko vor allem gequält worden als Beutepferd.

Doch durch wundervolle Fügung treffen sich zwei Jahre später nach Kriegsende Hanko und Freiherr Carl-Friedrich von Langen, der auf Draufgänger in Amsterdam auch Dressur-Olympiasieger werden sollte. Der Freiherr kauft Hanko dem Bauern ab. 1924 gewinnt er in Hamburg-Klein Flottbek das Deutsche Springderby, er siegt mit dem Franzosen-Wallach in schweren Dressur- und Militarykonkurrenzen. Der Reiter wird überall gefeiert und verehrt. Von Langen stirbt am 3. August 1934 nach einem schweren Sturz mit der Stute Irene am vorletzten Sprung einer Military-Sichtung im Hinblick auf die Olympischen Spiele 1936 in Berlin. Zwei von 22 Startern waren nur ins Ziel gekommen, das Pferd hatte sich nicht verletzt.

Tausende nahmen bei der Trauerfeier am Gutshaus in Parow bei Stralsund Abschied von Carl-Friedrich von Langen, dazu gestellt hatte man auch den inzwischen etwa 30 Jahre alten Hanko. Als die Träger den Sarg hoben, „da sank langsam und feierlich das Tier in die Hinterhand und hob sich, berührt von unbegreiflich unsichtbarer Hand, zur Levade“, schreibt Clemens Laar, „Hankos letzter Gruß an den toten Herrn“.

Ramzes - eine Zucht-Legende

Wie und was Clemens Laar über den Wallach Hanko schrieb, hat übersinnliche Züge. Wäre Hanko kein Pferd gewesen, würden sich garantiert wahre Legenden um ihn ranken. Im Pferdesport werden vor allem bei den Galoppern die Legenden runtergerasselt wie an einer Perlenschnur, bei den Warmblütern schon seltener. Doch auch dort gibt es sie, denen etwas ganz Besonders nachgesagt wird, belegt durch die Nachkommen. Und zu den relativ wenigen darf Ramzes gerechnet werden. Der anglo-arabische Schimmel steht zurecht für großartige Spring- und Dressurpferde, und darauf können nur wenige verweisen.

 

Alwin Schockemöhle auf der Ramzes-Tochter Ramona

(Foto: privat)

Züchterin ist Maria Gräfin Plater-Zyberk aus Polen. Der 1937 geborene Hengst  deckte zunächst im Gestüt Janow Podlaski, dem ältesten Gestüt Polens. Ramzes entstammt dem belgischen Vollblüter und erfolgreichen Rennpferd Rittersporn,  einem Enkel des großen französischen Vollblut-Springvererbers Le Sancy. Dieses Blut floss auch in den Adern von Wotan, der 1931 unter Richard Salah und in den beiden nächsten Jahren unter Hermann von Nagel in Rom mit der deutschen Equipe den Preis der Nationen gewann und damit die Coppa d`Oro für immer nach Deutschland holte, wo eine Nachbildung im Deutschen Olympiadekomitee für Reiterei in Warendorf zu besichtigen ist.

Mit dem Vorrücken der Roten Armee wurden die Pferde der polnischen Gestüte nach Deutschland verlegt. Darunter auch Ramzes. Nach Kriegsende 1945 mussten die Pferde an Polen zurückgegeben werden, und Ramzes wurde von Leutnant Bielecki auf Prüfungen vorgestellt. Er kaufte ihn dem Staat ab und wanderte mit ihm in die USA nach der kommunistischen Machtübernahme aus.

Gleichzeitig warf er den Hengst auf den Markt und hatte rasch in Clemens Freiherr von Nagel einen Käufer, der auf seinem Anwesen im westfälischen Vornholz Sportpferde züchtete. Er kannte Ramzes aus seiner Zeit als Soldat in Polen.

Ramzes wurde eine Zuchtlegende durch seine Nachkommen. Auf ihn gehen zurück u.a. Retina (Fritz Thiedemann), Romanus (Hans Günter Winkler) oder Ramona (Alwin Schockemöhle), außerdem in der Dressur die großartigen Medaillengewinner bei Olympia und Weltmeisterschaften Remus (Harry Boldt) und Mariano (Josef Neckermann). Und Ratina von Spring-Olympiasieger Ludger Beerbaum wurde ebenfalls vom Blut des Ramzes geprägt. Die Geschichte von Ramzes reicht 200 Jahre zurück, bis zu einem Hengst namens Bairactar.

 

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