Reiten - oft Sport auf giftigem Boden Drucken
Geschrieben von: CDR/ DL   
Dienstag, 20. Dezember 2022 um 13:47

Stuttgart. Kunststoff in Sportböden wird zunehmend auch zu einem Problem, was Recycling und Entsorgung angeht. Dass Umweltschäden auftreten, ist vielen nicht bewusst. Im Fußball stellt man sich zum Beispiel bewusster als im Reitsport den Problemfällen, auf Reitplätzen lagern offenbar tonnenweise unerlaubte Materialien...

Das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg hatte gemeinsam mit dem Landessportverband Baden-Württemberg (LSVBW) und der Universität Stuttgart zur Fachtagung zum Thema „Recycling und Entsorgung von Kunststoffrasen- und Reitplätzen“ unter dem Titel „Fairplay für die Umwelt“ in Stuttgart eingeladen, was herauskam, wird manchen Reitstallbetreiber zum Nachdenken zwingen.

Interessant dabei war, dass ausgerechnet der Fußball, sonst doch der "Herrgott im deutschen Sport", schon weiter denkt als alle jene, die mit Reiten befasst sind. Gemeinsamkeiten zwischen Fußball und Reiten gab es in einem Punkt: Kunstrasen der Kicker, Kunststoff in den Böden bei den Reitern. Die Kicker wollen einen ganz ebenen Boden, die Reiter einen Belag, der Gelenke und Sehnen der Pferde schont, rutschfest ist, und der auch noch ganzjährig -  auch im Außenbereich - nutzbar ist. In der heutigen Zeit, wo der Umweltgedanke eine so große Rolle spielt, wo alle sensibler geworden sind, legen anscheinend die Fußballer mehr wert auf sauberen Unterghrund als die Reiter. Den Reitern fällt, so war in den verschiedenen Referaten zu hören, anscheinend das Umdenken und Umstellen schwerer als den Balltretern.

Prof. Dr. Olaf Hemker, Hochschule Osnabrück, Fakultät Agrarwissenschaften und Landschaftsarchitektur zeigte auf, daß keines der aktuell verwendeten synthetischen Materialien den erforderlichen Nachweis besitzt, der es erlaubt, die verwendeten Stoffe überhaupt einzubauen. Auf Tonnen unerlaubter Materialien werden in Deutschland Turniere ausgetragen oder es wird tagtäglich auf diesem Belag geritten.

In ihrem Vortrag klärte Andrea Hellwig aus dem Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft des Landes Baden Württemberg vom Referath 25 Kreislaufwirtschaft: Recht und Produktverantwortung, auf, dass Besitzer von Abfällen im Sinne des Kreislaufwirtschaftsgesetzes alle juristischen Personen sind, die die tatsächliche Sachherrschaft über Abfälle besitzen. Wer also einen Bodenbelag erwarb, ist auch für die Entsorgung verantwortlich.

Prof. Ralf Oliver Schill vom Institut für Biomaterialien und biomolekulare Systeme der Universität Stuttgart, Begründer und CEO von Aquatil, erläuterte, dass Mikroplastik aus Reitplätzen in der Umwelt als sekundäre Mikroplastik verteilt werde, durch Wind, Regen, Hufe der Pferde, Schuhe der Menschen oder wie auch sonst noch.So gelange dann aber die Mikroplastik auch in die Nahrungskette. Durch Versuche sei das alle bereits nachgewiesen.

Über den Bau von Sportanlagen sei neu nachzudenken, meint Prof. Franz Brümmer, Leiter der Forschungseinheit Biodiversität & Wissenschaftliches Tauchen der Universität Stuttgart, der sich seit einigen Jahren mit Reitböden beschäftigt. Nach seiner Auffassung müsse über Sport- und Reitplätze ökologisch nachgedacht werden, vor allem über Entsorgung oder Recycling. Wie bei Lebensmitteln müsste auch bei Sportböden genau aufgelistet werden, welche Stoffe bei der Mischung oder Herstellung verwendet wurden.

Die von Landwirtschaftskammer NRW und IHK Köln öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für Tierzucht und Tierhaltung (Pferde) einschließlich Sportpferde und Reitplatzbau, Dr. Cornelia Dreyer-Rendelsmann, bestätigte aus ihrer praktischen Erfahrung die Austragspfade und das Fehlen jedweder brauchbarer Nachweise für die Unbedenklichkeit der eingesetzten Stoffe. Sie wies darauf hin, daß viele der Plätze auf Grund ihres Alters mittlerweile unbrauchbar sind oder müssen entsorgt werden. Doch die Entsorgung ist ein weiteres Problem, das Vereine vor unvorstellbare Schwierigkeiten stellt, weil sie nicht oder nur schwer zu finanzieren sind.

Die Sachverständige rief dazu auf, sich als Sportart mit einem immensen Platzanspruch für Zucht, Auslauf und Sport den Problemen zu stellen und für ordnungsgemäße Entsorgung zu sorgen. Hier sind die Dachorganisation und die Politik gefragt, denn die Reitplatzbesitzer könnten die auftürmenden Kosten von einigen Tausend Euro nicht stemmen.

Eine Möglichkeit der Entsorgung von verbrauchten Reitplätzen zeigte Rainer Stuckenberg aus Bramsche auf. Er warb für seine moble Recyclinganlage. Genaue Kosten konnte er noch nicht beziffern, und auch nicht, ab wann die Anlage praxisbereit wäre. 

Eines steht jedenfalls fest: Auf Vereine, private Reitstallbesitzer und Verbände rollt eine Kostenlawine zu. Viele werden davon überrollt.

 

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