Geschichten aus dem Pferdehimmel... Drucken
Geschrieben von: Johan Grooten/ dl   
Freitag, 15. März 2024 um 19:05

Diesmal hatte Johan Grooten ein Treffen mit dem Wallach Wimpel, auf dem Alwin Schockemöhle zweimal das Deutsche Springderby in Hamburg gewann und außerdem den begehrten Großen Preis von Aachen beim CHIO von Deutschland - ein großes Pferd, doch in der Öffentlichkeit ohne Erinnerung...

Guten Tag alle da unten!

Es gibt einige unter euch, vor allem die jüngeren Pferdeliebhaber, die nicht sofort sagen, wenn sie meinen Namen lesen: „Oh ja, den kenne ich.“ Das ist kein Problem, denn ich gehörte nicht zu der kleinen erlesenen Gruppe von Sportpferden, die in meiner aktiven Zeit in erster Linie im Rampenlicht standen. Ihre Frage lautet verständlicherweise: „Wer sind Sie? - Mein Name ist Wimpel III.“ Bevor ich, nach meinem Abschied von Ihnen, hier an diesem komfortablen und einladenden himmlischen Ort ankam, war mein letzter Ausbildungs- und Wohnort das beschauliche Dorf Mühlen in Südoldenburg. Sie verstehen, um was es geht, den Turnierstall der Familie Schockemöhle. Genauer gesagt war Alwin mein „Chef“, Reiter und Freund. Ich darf ihn durchaus so nennen, denn meine Erinnerungen an ihn sind durchaus positiv.

Noch etwas zu meinem Namen - Wimpel III. Ja, ich verstehe, dass es natürlich auch einen Wimpel I und II gab. Man erhält nämlich meist in Deutschland als Nachkomme, ob männlich oder weiblich, einen Namen, der mit dem Buchstaben des Vaters beginnt. In diesem Falle war der Hannoveraner Hengst Wernitz der Vater und ich der dritte Sohn aus der Zucht. Dies wurde auch vor einiger Zeit hier im Pferdehimmel diskutiert, als ich auf Fairness III stieß. Sicher erinnern sich noch mehr als einige, vor allem im Sport, an jene Stute, die in den 60-er Jahren unter dem Sattel des leider zu früh verstorbenen Hartwig Steenken fantastische Leistungen zeigte.  Steenken war bekanntlich ja Olympiasieger mit der Mannschaft 1972 in München, Weltmeister im Einzel 1974 in Hickstead, noch mit Pferdewechsel der besten Vier aus den vorausgegangenen Qualifikatione, und Europameister 1971 in Aachen. Alles wurde besprochen mit meiner gute Kollegin Simona, die unter Hartwig Steenken sie große herausgekommen war. Ja, Hartwig hatte offenbar einen guten Draht zu den Pferdedamen.

Also habe ich mit Fairness über die Zahl hinter dem Namen gesprochen. Sie sagte mir, dass sie mit dem Zusatz III kein gutes Gefühl habe. Nun ja, es ist nicht unüberwindbar, denn es gab noch schwerere Hindernisse zu überwinden. Derselbe Name ist unter Menschen natürlich auch häufiger anzutreffen, zum Beispiel wenn man Dieter heißt. Glücklicherweise haben die Menschen als Zusatz kein I, II oder III, sondern einen Familiennamen. Heutzutage sieht man immer häufiger zusammengesetzte Namen für Pferde. Das macht es etwas persönlicher. Und - es entsteht mehr Wertschätzung.

Ja, nun über mein Leben. Vielleicht gibt es Menschen aus der Pferdewelt, die gerne wissen würden, wie ich das erlebt habe. Als die Fohlenzeit zu einem ernsteren Teil meines Lebens wurde, landete ich in Alwins Stall. Und da begann meine Karriere als Springpferd erst richtig. Das wird Sie nicht überraschen. Meine Grundausbildung hatte ich bereits bei einem anderen Reiter erhalten und bestand größtenteils aus der Entwicklung zum eigentlichen Sportpferd. Ich entwickelte meine Kraft, perfektionierte meine Gangarten, bekam ein Gespür für verschiedene Arten von Hindernissen und sammelte Erfahrungen in vielen Facetten. Selbstverständlich wurde ich auch auf mein tatsächliches Sprungvermögen getestet. Das Sprungvermögen schien wohl vorhanden, sonst hätte mich Alwin nicht in seinen Stall geholt. Bei ihm in Mühlen lief alles auf einem höheren Niveau ab, und auch in der Dressur war Alwin stark, schließlich gehörte die Dressur fast als Pflicht zur Ausbildung eines Springpferdes.

Was vielen vielleicht entfallen oder gar unbekannt ist, Alwin qualifizierte sich 1956 für die Olympischen Spiele in Stockholm in der Military auf Tiro, die Verantwortlichen hielten ihn aber für noch nicht reif genug und nominierten ihn nicht, so dass er verärgert anschließend nur noch die Springreiterkappe aufsetzte.

Vor allem das gekonnt dressurmäßige Ausbilden hat die Ausgeglichenheit und das Selbstvertrauen in mir gestärkt und zu späteren Erfolgen verholfen. Nach einer Anlaufphase in leichteren Prüfungen hatte Alwin offenbar so viel Vertrauen in mich, dass er mich auf großen Turnieren vorstellte. So gewann ich mit Alwin im Sattel zweimal das Deutsche Springderby in Hamburg, nämlich 1969 und 1971, dazu war ich mit meinem großen Lehrmeister in Aachen 1969 im Großen Preis beim Internationalen Offiziellen Turnier von Deutschland erfolgreich. Und wie der große Zuchtexperte Claus Schridde feststellte, war ich, also Wimpel 3, das einzige erfolgreiche Springpferd aus diesem Stamm...

Nun ist es einfach so, dass ich in diesen Jahren (Ende der 60er, Anfang der 70er) einen Stallkameraden hatte, der ein großer „Konkurrent“ für mich wurde. Sie kennen ihn wahrscheinlich, Donald Rex. Er war mehrere Jahre lang das beste Springpferd der Welt. Und dann ist es nicht einfach, das beste Pferd im Stall zu bleiben. Es ist mir nicht gelungen, aber mein Respekt vor Donald ist so groß, dass ich ihm die Anerkennung zolle, die ihm gebührt.

Über unsere damaligen Erlebnisse in Mühlen und bei verschiedenen Turnieren sprechen wir noch immer regelmäßig miteinander. Der Gesprächsstoff geht nicht aus. Der gegenseitige Respekt zwischen Donald und mir ist sicherlich darauf zurückzuführen, dass Alwin uns beiden die Möglichkeit gab, an großen Turnieren teilzunehmen. Natürlich auch, um uns aber auch jeweils dazwischen die nötige Ruhe zu verschaffen. Ich konnte meine Chancen auf große Siege auf jeden Fall nutzen. Wer zweimal das Springderby in Hamburg und auch den Großen Preis von Aachen gewonnen hat, kann als Springpferd zufrieden sein. Leider war meine Karriere, genau wie die von Donald, nur von relativ kurzer Dauer. Auch gesundheitlich braucht ein Pferd Glück im Leben.

Was im Gespräch mit Fairness auch zur Sprache kam, ist die Rolle der Stuten in der Zucht. Sie selbst möchte dazu eigentlich nicht viel sagen. Wenn man sich jedoch ihre Nachkommen in den verschiedenen Generationen ansieht, hat sie jedes Recht, sich zu äußern. Die Liste erfolgreicher Stuten im Sport ist unendlich lang.

Das wissen auch die Insider in der Zucht. Natürlich ist uns allen bewusst, dass es wissenschaftlich erwiesen ist, dass der Hengst im Spring- oder Dressursport einen entscheidenden Einfluss auf die Zucht hat. Allerdings gibt es auch diesbezüglich Meinungsverschiedenheiten. Doch wie aus den Gesprächen hervorgeht, die ich hier regelmäßig mit anderen Stuten führe, ist dieses „Ungleichgewicht“ ein heikles Thema.

Jetzt sind wir hier sozusagen in einer optimalen emanzipierten Umgebung, sodass wir Ihnen dort unten unsere Standards nicht aufzwingen können. Wenn man jedoch hört, wie ein Fernsehkommentator bei einem Turnier die Abstammung des Pferdes erwähnt, also den Namen des Vaters, und dann den Namen des Vaters der Mutter-Stute hervorhebt, ist das besonders für einen Nicht-Insider verstörend und erzeugt ein Gefühl der Ungleichheit im Hinblick auf die Wertigkeit der Stute im Verhältnis zum Hengst. Für Menschen, die in der Welt der Pferde und insbesondere der Pferdezucht leben und arbeiten, mag dies kein Problem sein, aber gelegentlich ist es nicht von Nachteil, über den Tellerrand hinauszuschauen.

Ja, liebe Pferdefreunde, es ist Zeit, meine Erzählung zu beenden. Da einer bestimmten, sehr wichtigen Personengruppe in der Pferdewelt allein schon aufgrund der relativ vielen Arbeitsstunden, die sie leisten, oft zu wenig Aufmerksamkeit zukommt. Sie verdient zurecht mehr Anerkennung. Ich möchte daher mit einer Variation des Schlusssatzes schließen, den der ehemalige Fernsehkommentator Hans Heinrich Isenbart immer am Ende einer Reportage oder als Ansager bei Turnieren stets sagte: „Und vergessen Sie die Pferde nicht“. Deshalb sage ich: „Und vergessen Sie die Pfleger nicht“. Vom Pferdehimmel aus spreche ich den Pflegern im Namen aller hier anwesenden Sportpferden unendlich großen Dank aus für all` die Energie, Fürsorge, Aufmerksamkeit und Liebe, die sie uns gewidmet haben und auch weiterhin unseren aktiven Kollegen im Pferdesport schenken.

Abschließend außerdem, auch im Namen von Ferdl, Bachus, Anaconda, Donald, Warwick und Pesgö, mit denen ich jetzt hier zusammen bin, und stellvertretend für alle anderen Pferdekollegen, die einst im selben Stall in Mühlen standen, gehen meine besten und ehrlichen Grüße hinunter an Alwin Schockemöhle in der Hoffnung auf doch noch bessere gesundheitliche Zeiten...

 

 

 

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