Warum Ahlmann keine Chance hatte - und warum ein Norweger die Sport-Richterei in Frage stellt... Drucken
Geschrieben von: Dieter Ludwig   
Montag, 04. Januar 2010 um 21:45

 

Basel. Christian Ahlmann (Marl) kann nicht mit einem neuen Verfahren vor dem höchsten Sportgericht, CAS, rechnen. Der Springreiter fühlt sich zu Unrecht als Doper an den Pranger gestellt, während in gleichen Fällen bei den Olympischen Reiterspielen in Hongkong vier Kollegen wegen verbotener Medikation belangt und für lediglich vier Monate gesperrt wurden. Das Schweizer Bundesgericht – ähnlich dem deutschen Bundesgericht -  als höchste Instanz lehnte die Beschwerde am 24. November bereits ab, die schriftliche Begründung liegt noch nicht vor. Dr. Ulf  Walz (Basel), einer seiner Anwälte, sagte: „Damit war zu rechnen...“

 

Ahlmann, dreimal Europameister und Mannschafts-Dritter bei Olympia in Athen 2004, war bei Olympia der Reiter in Hongkong nach dem Mannschaftswettbewerb bereits nach Hause geschickt worden. Beim Dopingtest seines Schimmels Cöster war im Urin das durchblutungsfördernde Mittel Capsaicin gefunden worden, Capsaicin kann überall öffentlich in Reitsportgeschäften erworben werden. Die deutsche Funktionärsriege heulte geschlossen empört auf, und sagte das auch in die hingehaltenen Mikrofone vornehmlich der deutschen Fernsehanstalten. Einer sah gar das Ende der olympischen Reiterei gekommen. Vor den Reiter Ahlmann stellte sich keiner. Für ihn begann ein Spießrutenlaufen wie im Mittelalter, vor allem in der Heimatstadt. Behauptungen, er hätte die Vorderbeine des Schimmels mit Capsaicin beschmiert ("Blistern"), um das Pferd vorsichtiger am Sprung zu machern, konnten nie erbracht werden.

 

Warendorf waren vier Monate zu wenig

 

Die juristische Kommission des Weltverbandes, FEI, sperrte Christian Ahlmann (35) wegen verbotener Medikation für vier Monate. Der eigenen Föderation war die Strafe zu gering. Nicht zuletzt aufgrund der Drohgebärden der öffentlich-rechtlichen deutschen Fernsehanstalten, von denen die FN im Jahr rund eine Million Euro kassiert. Die sonst so ruhigen Entscheidungsträger mit Stuhl in gewärmter Stube am Amtssitz Warendorf  zogen mit einer Beschwerde vor den Court of Arbitration for Sport, kurz CAS, in Lausanne. CAS, höchste sportliche Instanz, akzeptiert den Einspruch. Ahlmann wurde zusätzlich bestraft, im schlimmsten Sinne. Aus Medikation wurde Doping, wie auch Warendorf gefordert hatte. Der Team-Dritte der Olympischen Spiele 2004 in Athen wurde für zwei Jahre aus dem Championatskader verbannt, die Sperre um weitere vier Monate erhöht, und er hatte rund 100.000 Euro an Preisgeldern zurückzuzahlen, die er nach Absitzen der ersten Sperre auf Turnieren bereits wieder eingeritten hatte.

 

An Sport gar nicht gedacht

 

Ahlmann zog vor das Schweizer Bundesgericht, mehr geht nicht im Alpenstaat auf rechtlicher Basis. In Deutschland konnte er keine Beschwerde einreichen, weil nämlich der Weltverband und der CAS ihren Sitz in der Schweiz haben. Er verlor, Die Beschwerde wurde nicht angenommen. Ulf Walz erklärt, warum: „Es wird wie bei Christian Ahlmann nur untersucht, ob der Fall beim CAS nach  rechtlichen Kriterien korrekt ablief, das war im Falle Ahlmann sicherlich so.“

Christian Ahlmann wollte sich befreien vom Makel des Dopers, das war sein Anliegen, es gelang nicht. Ulf Walz weiter: „Als das Bundesgericht 1987 eingerichtet wurde, vergaß man den Sport. Man hat an Sport gar nicht gedacht. Das bereitet nun Schwierigkeiten.“ Walz weiter: „Christian Ahlmann ist bisher der einzige Deutsche, der vor das Schweizer Bundesgericht zog.“

 

Schweizer Bronze nicht sicher...

 

Zu den Capsaicin-Verfolgten gehörten in Hongkong fünf Springreiter, darunter der letztjährige Aachen-Grand Prix-Gewinner Denis Lynch und der Norweger Tony Hansen. Wie Ahlmann akzeptierte auch Hansen die Strafe nicht. Bei Hansen geht es aber schließlich um weit mehr. Mit seiner Equipe hatte er erstmals bei Olympischen Spielen für Norwegen eine Medaille gewonnen, nämlich Bronze. Wird Hansen verurteilt und damit der dritte Platz aberkannt, rückt die Schweizer Mannschaft auf den Medaillenrang vor, und den feierten die Eidgenossen schon mehrmals in der Vorfreude...

 

Der Fall Hansen ist weitaus komplizierter als bei den anderen. Denn Tony Hansen wusste im Vorfeld durch seinen Mannschaftstierarzt, dass in Hongkong nach Capsaicin gesucht werde. Also willigte er ein, dass sein Wallach Camiro 30 Minuten nach dem Team-Wettbewerb zur Dopingkontrolle beordert wurde. Hätte er nicht gemusst, denn laut Reglement ist eine Urin- oder Blutentnahme unmittelbar nach einer Konkurrenz vorzunehmen. Er glaubte eben, nichts verbergen zu müssen. Doch bei der Analyse wurde Capsaicin herausgefiltert, nicht im Blut, sondern im Urin, und zwar im Bereich von 0,000 000 000 001 Gramm. Tony Hansen kann sich nicht erklären, wie Capsaicin gefunden werden konnte.

 

Ulf Walz riet vor dem Gang ab...

 

Der erfahrene Anwalt Dr. Ulf Walz riet Tony Hansen und dessen Pferdebesitzer vom Gang vor das höchste Schweizer Gericht ab. Allein aus Kostengründen. Und auch deshalb, weil bisher nur einmal ein Sportler Erfolg hatte, „ein Tennisspieler“. Inzwischen jedoch meint auch er, das ganze System müsse endlich umgekrempelt werden, es könne doch nicht sein, „dass Unschuldige willkürlich verurteilt werden.“ Im Falle Hansen durfte beispielsweise ein neutraler Beobachter beim Öffnen der B-Probe nicht anwesend sein, auch würden Unterlagen der Laborberichte fehlen. Vieles kommt Ulf Walz vor wie im Mittelalter, „als die Hexe auf dem Scheiterhaufen noch beweisen sollte, dass sie keine Hexe sei...“ Hansen ruft dennoch nun auf Anraten seines Sponsors wie Ahlman den Schweizer Gerichtshof an.

 

Ein Ziel hat Ulf Walz noch, nämlich das sportliche Rechtssystem aus den Angeln zu heben. Denn nirgendwo in der zivilisierten Welt werde so selbstherrlich geurteilt „wie im Sport, nirgendwo werden Existenzen so leichtfertig aufs Spiel gesetzt“. Ulf Walz hat keine Lust mehr, mitzuerleben, „wie Unschuldige verurteilt werden.“

 

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