Urlaub - bei Michael Jung das Fremdwort schlechthin Drucken
Geschrieben von: Oliver Wehner   
Donnerstag, 20. September 2012 um 16:40

 

Horb. Michael Jung war mit zwei Goldmedaillen der erfolgreichste deutsche Olympiateilnehmer in London vor ein paar Wochen. Oliver Wehner von der „Rheinpfalz“ in Ludwigshafen besuchte ihn in Horb am Neckar.

Michael Jung war mit zwei Goldmedaillen der erfolgreichste Deutsche bei den Olympischen Spielen von London. Doch verändert hat sich das Leben des Vielseitigkeitsreiters kaum.  Dort im beschaulichen Horb-Altheim am Neckar, im Nordschwarzwald, ist Titelhamster Jung „der Michi” geblieben. Der, wie seine Mutter erzählt, schon als Baby bei Vater Joachim im Sattel saß. „Der Michi”, erinnert sich Brigitte Jung, „wusste ganz früh, dass er nichts anderes machen will als reiten.”

 

Und jetzt ist „der Michi” einfach alles: Weltcupgewinner, amtierender Europa- und Weltmeister, deutscher Meister sowie Olympiasieger. Der kompletteste Reiter der Welt. Dressur, Gelände, Springen - seit London wissen sehr viel mehr Menschen als vorher, was zur Vielseitigkeit gehört. Und viel mehr Menschen interessieren sich für diesen bescheidenen Mann mit dem Lausbubenlächeln. „Man versucht, möglichst viel zu machen, aber bei mir bleibt die Reiterei im Vordergrund”, beteuert er im RHEINPFALZ-Gespräch. Interviews muss er geben, Autogrammstunden auch. Natürlich ist viel auf ihn hereingebrochen seit seiner Rückkehr aus London. Doch es charakterisiert Jung sehr gut, wenn er, gerade frisch vom Vormittagstraining mit drei Pferden kommend, klarstellt: „Es bleibt wichtig, sich auf die Reiterei zu konzentrieren und mit den jungen Pferden zu arbeiten. Sonst steht man irgendwann da und hat den Anschluss verloren.” Schließlich sind seine nächsten großen Fernziele schon fixiert: WM 2014, Olympia 2016.

 

Rund 25 Pferde werden derzeit im Jungschen Stall ausgebildet. Der Olympiasieger selbst bereitet täglich zehn Tiere, „von morgens bis abends”. Entspannen, sagt Jung, müsse man bei diesem Job in Situationen, in denen der Laie es nicht unbedingt erwarten würde: „Etwa, wenn man in der Sonne mal Schritt reitet.”

 

An diesem Dienstagvormittag prescht Jung nacheinander mit den drei Pferden, die er am Wochenende zur Schenefelder Vielseitigkeit mitnehmen will, über den gewaltigen Geländeparcours, der das Herzstück der schmucken, aber nirgendwo überkandidelten Anlage, ist. Leicht hügelig, dann wieder sanft gewellt, auch kerzengerade, dazu Hindernisse aller Art und Höhen - viele davon hat Michael Jung selbst zusammengebaut. Ein ideales Gelände, das Buschreiter aus der ganzen Welt für ein paar Trainingstage hierher lockt.

 

Während Michael Jung also mit Stute Rocana und den Wallachen Halunke und Leopin arbeitet, genießt der andere Superstar in Horb seit London seinen wohlverdienten Urlaub. Zur Mittagszeit wird Ausnahmepferd Sam von der Weide geholt, dann gibt's Kraftfutter - und hinterher geht's wieder raus. „Er ist ein absolutes Koppelpferd”, berichtet Vater Joachim Jung, „und er läuft so wenig wie sonst kein Pferd.” Olympia sei in diesem Jahr erst das vierte Turnier des braunen Wallachs gewesen: „Wir hoffen, dass wir etwas zurückbekommen, indem wir ihn sehr lange reiten können.”

 

Sam hat also Urlaub. Und sein Reiter? Eigentlich zählt dieses Wort nicht zu Michael Jungs Wortschatz. Klar, er ist mit seinen Pferden viel unterwegs, in der ganzen Welt. London hat er genossen, dieses besondere Olympia-Flair. Weltstar Usain Bolt hat er getroffen und davon „auch ein kleines Video gedreht”, erzählt er schmunzelnd. Aber Urlaub privat? „Normalerweise ein paar Tage über Silvester”, verrät er. Pferdemenschen kennen das. Der große Michael Jung ist da eben der kleine „Michi” geblieben, der immer nur reiten wollte.

 

Zur „Person“ Sam

„Ein unbedeutendes Pferd mit einem derben Kopf” - das Richterurteil fiel verheerend aus, als der dreijährige Sam bei der Hengstkörung in Marbach glatt durchfiel. Heute ist der zwölfjährige Württemberger das beste Vielseitigkeitspferd der Welt - und der „derbe” Kopf verrät Gelassenheit und jede Menge Charme. Der Sohn des englischen Vollblüters Stan the Man xx trägt Michael Jung seit 2008 zu Triumphen bei Vier-Sterne-Championaten. Er ist kein geborener Dressursieger, spielt aber im Springen und im Gelände seine Stärken aus. Ein Pferd mit Mut, Herz und Verstand.

 

 

 

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