Embryotransfer: Wenn der Mensch der Natur manchmal nachhilft... Drucken
Geschrieben von: Dieter Ludwig   
Mittwoch, 09. Juni 2010 um 15:36

 

Maria Hoop/ NL. Das Geschäft mit "Embryo Transfers" boomt nicht schlecht in der Pferdezucht. Vor allem bei Ton Vullers (54) im niederländischen Maria Hoop unweit von Roermond. Vor fünf Jahren begann alles – und Neues ist in Kürze ebenfalls wieder zu erwarten...

 


Ton Vullers - das Geschäft mit Embrytransfer bei Pferden brummt...

Anton ("Ton") Vullers ist Niederländer, Landwirt von Beruf, er hielt vor allem Milchkühe auf dem Diergaerderhof und vergrößerte die Herde durch Embryotransfer. Darin hatte Vullers längst Routine und Erfahrung. Er spezialisierte sich dabei auch auf die Zucht der sogenannten Wagyu-Kälber, eine japanische Rasse mit blauen Zungen, und einem ganz besonders zartem Fleisch mit einem Kilo-Preis von rund 100 Euro. Bei der Vermehrung seiner hochwertigen Kühe durch Einpflanzen von Embryos in ganz normales Rindvieh mittels einer Pipette kam "mir der Gedanke, warum nicht auch Embryotransfers bei Pferden“. Er baute auf seinem Areal das zunächst erste "Embryo Transfer Centre" Europas, vor fünf Jahren war Eröffnung. Auf der Weide davor liefen 25 Stuten, inzwischen wuchs die Herde auf etwa 150 an. Und auch das Interesse an diesem speziellen Zweig der Zucht stieg, weltweit.

Vullers: "Die große Schwierigkeit lag vor allem darin, für die Mutterstute eine andere Stute im gleichen Empfänglichkeitszustand  parat zu haben, alles musste synchron ablaufen. Daran scheiterte meist das Vorhaben." Doch er und sein Veterinär Hans Hurkmans arbeiteten nach einem anderen Verfahren. Sie vermögen Embryos einzufrieren. Die später aufgetaute Eizelle wird einer rossigen Trägerstute zur gegebenen Zeit implantiert, das Risiko einer Erkrankung ist damit fast ausgeschlossen. Zum Patent wurde das Verfahren nicht angemeldet, zu viele Einzelheiten sollten nicht preisgegeben werden.

Der Zufall spielte auch mit...

Aber auch der Zufall spielte Ton Vullers positiv ins Geschäft. Hurkmans und ihn brachte die Handhabung der Embryotransplantierung bei Kühen vor 25 Jahren zusammen. Hurkmans wiederum kannte einen, der sich mit dem Transfer von Embryos bei Pferden befasste: Pedro Jou. Der Kolumbianer hatte mit seiner kanadischen Frau aus Angst vor der Mafia seine Heimat verlassen, er arbeitete zuletzt in Toronto. Er lebt nicht mehr. Vor einigen Wochen nahm er sich vor allem aus privaten Beweggründen das Leben. Er besaß von Argentinien her großes Wissen in der Zucht von Polopferden, er gilt  als der eigentliche Erfinder der Einfriermethode.

Ton Vullers verspricht beim Embryotransfer einen Trächtigkeitserfolg von 72 Prozent. Er schlägt weder einen Hengst noch eine Stute vor, bietet jedoch Mutterstuten zum Leasen an, seine Ammen ("alle mit gutem Charakter") holt er in erster Linie vier- bis siebenjährig aus der Normandie in Frankreich. Der Interessent kann aber jederzeit eine andere ihm genehme Stute mit dem Samen seines ausgewählten Hengstes befruchten lassen. Er vermag auch seine eigene Stute auf dem Diergaerderhof einzustallen. Groß ist vor allem  das Echo überall dort, wo eine wertvolle Stute beispielsweise zwar noch aufnehmen, aber aus gesundheitlichen Gründen kein Fohlen mehr austragen kann.

Covergirl, 2006 fünfmal "Mutter"...

Ein besonderer Coup gelang Ton Vullers, seinen Mitarbeitern und verschiedenen  Veterinären 2006 bei der schon 19-Jährigen Holsteiner Stute Covergirl, der einzigen Vollschwester des bekannten Vererbers und Olympiastarters  Carthago Z.  Covergirl, die sechs Jahre lang nicht aufnahm, wurde in Maria Hoop über Ammen gleich "Mutter" von fünf Stutfohlen der Väter Corland (drei), Chigago und Numero Uno.

Hilfe-Ruf von Pia-Luise Aufrecht

Vor ein paar Monaten erhielt Ton Vullers einen Anruf. „Ton, Du musst mir helfen“, hörte er. Am anderen Ende der Leitung: Pia-Luise Aufrecht (32), deutsche Nationen-Preis-Reiterin aus dem Schwabenland, inzwischen zuhause in den Niederlanden bei Lebenspartner Gert-Jan Bruggink. Wie Pia-Luise Aufrecht am Telefon erklärte, leide ihre großartige Stute Abrisca an einem Gehirntumor und sei nicht mehr zu retten. Vullers konnte Abrisca, auf der die Affalterbacherin Ende Dezember 2005 ihr erstes Weltcupspringen gewann, noch ein von ihrem Hengst Ingmar befruchtetes Ei entnehmen. Abrisca konnte nicht mehr gerettet werden, die braune Stute wurde Ende 2009 15-Jährig eingeschläfert,  doch Pia-Luise Aufrecht besitzt dank Embryotransfer  ein Fohlen von dem großartigen Springpferd.

Inzwischen Kunden in aller Welt

Als erstes Unternehmen erhielt das "Animal Embryo Centre" unweit von Aachen die Genehmigung vom brasilianischen Landwirtschaftsministerium zum Embryotransfer in das fünfgrößte Land der Erde. Damit erweiterte sich der Kundenstamm, bisher arbeitete Ton Vullers  mit Stationen in den USA, Deutschland, der Niederlande, Italien, Polen, Belgien, Frankreich, Schweden, Slowenien oder den arabischen Staaten wie Katar und Dubai sowie den Emiraten. Inzwischen verkauft Ton Vullers auch tragende Trägerstuten, „beispielsweise nach Rumänien, Belgien und Kolumbien.“

Embryo bei minus 196 Grad eingefroren

Pro Tag verlangt Ton Vullers für Box, Futter, Streu, Besamung und dreimal tägliche Ultraschalluntersuchung 10 Euro, das Ausspülen des Eis und die weitere Untersuchung kosten 200 €, bei Trächtigkeit werden 1800 € fällig. Die Eizelle, der nur 0,018 mm großer Embryo und lediglich unter dem Mikroskop sichtbar, wird in flüssigem Stickstoff bei minus 196 Grad tief gefroren, ein Verfallsdatum gibt es bisher nicht, der Embryo kann jedoch nur einmal aufgetaut werden. Pro Jahr vermag einer Stute aufgrund dieses Verfahrens bis sechsmal ein Ei entnommen werden. Eine Manipulation der Natur wird von den Embryotechnikern nicht gesehen. „Ein gutes Sportpferd wird durch ein gutes Fohlen vielleicht noch wertvoller“, sagt Ton Vullers. Die Stuten können auch rasch wieder im Sport gehen. So wurde beispielsweise die Stute Jubilee der Französin Penelope Leprevost – in der siegreichen Equipe beim Preis der Nationen im letzten Jahr in Aachen – nach dem CHIO in Maria Hoop „gespült“, das Ei ist befruchtet mit dem Samen des Hengstes Lando (Silber unter dem Niederländer Albert Voorn bei Olympia 2000), eine Amme trägt das Fohlen nun aus.

Bonita neben Viola und Wodka...

Man trifft auf dem „Diergaerderhof“ zur Zeit wahrlich bekannte Namen und ehemalige Sportpferde. So steht zum Beispiel seit einem Monat dort Bonita, die Schimmelstute, auf der Jessica Kürten zusammen mit dem Team 2001 die Team-Europameisterschaft gewann, dann jedoch Anfang 2002 von den Besitzern für angeblich 3 Millionen US-Dollar an den New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg verkauft wurde, oder die Mutter (18) von dem Oldenburger Hengst Arko III, auf dem der Brite Nick Skelton große Erfolge feierte, zuletzt 2008 in Spruce Meadows den begehrten Grand Prix gewann. Oder da ist  Viola,  jene Stute, die als großen Sohn Cento gebar, den Schimmel, auf dem der jetzige deutsche Bundestrainer Otto Becker (50) Weltcup und Olympia-Gold gewann, und daneben in der Box steht Wodka (26), die die letztjährige Derbysiegerin Carassina unter Thomas Kleis brachte.

 

Auf dem Foto links: Wodka, Mutter von Clearway, Conway und Chika`s Way (Stamm 1916), daneben Viola, Mutter von Olympiasieger-Hengst Dobel`s Cento (Stamm 2137)

Beide Stuten gehören dem Holsteiner Züchter und Pferdemann Otto-Boje Schoof, der gegen den eigenen Landesverband einen anderen, aber dennoch erfolgreichen Kurs fährt, und der meint, der Holsteiner Verband habe die Zucht über Embryotransfer deshalb nicht verfolgt, „weil er die Sache mit den Trägerstuten nicht im Griff hat“.

Fieke Vullers, Managerin des Unternehmens, zuständig zusätzlich für die sensiblen Kunden der arabischen Welt und der Quarter Horses

(alle Fotos:privat) 

Inzwischen zählen auch Araber und Quarter Horse-Besitzer zum wiederum ganz anderen speziellen Kundenstamm, der vor allem von Ehefrau Fieke Vullers betreut wird.

Neues Blut für die Steepler...

Ton Vullers wiederum schlug nun selbst einen ganz neuen Weg ein, in Richtung Zucht. Mit einer Tochter des bekannten Galoppers Monsun vom Gestüt Schlenderhan und dem Samen ausgesuchter und bewährter Springpferdehengste sollen Embryo-Blüter  in naher Zukunft die Steeple Chase-Szene  beleben....

Internet: www.animalembryocentre.eu 

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