Offener Brief an TV-Kommentator Carsten Sostmeier Drucken
Geschrieben von: F.-W. Lehmann   
Sonntag, 28. August 2016 um 09:33

Offener Brief an Carsten Sostmeier, Pferdesport-Journalist der ARD

bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio di Janeiro

 

Schliersee, 27. August 2016

Sehr geehrter, lieber Herr Sostmeier,

mit Respekt lese ich in Wikipedia Ihren Lebenslauf.

Sie sind ein Meister der Life Moderation. Dafür haben Sie nach den Olympischen Spielen in Athen im Jahr 2004 den Deutschen Fernsehpreis in der Kategorie „Beste Sportsendung des Jahres" erhalten. Bekannt ist, wie großartig Sie sich als ehemaliger Schüler eines humanistischen Gymnasiums auf die klassischen olympischen Spiele in Athen vorbereitet haben. Sie haben sehr viel an historischen Hintergründen berichtet. Sie können das also!

Anders verhält es sich bei Ihren Reportagen in Rio de Janeiro.

 

Vielleicht hat Ihr Erfolg Sie zuweilen unbedacht werden lassen. Als Kommentator, der international über die Medien vernommen wird, haben Sie im Jahre 2012 Sprüche bei Ihren Kommentaren über den Sieg deutscher Vielseitigkeitsreiter von sich gegeben, die von Millionen Menschen als politisch zu flott empfunden worden sind. Sie haben sich entschuldigt.

 

Dennoch haben Sie vier Jahre später bei der Olympiade 2016 Ihr Temperament wieder nicht zügeln können, als sie den Geländeritt der Debütantin Julia Krajewski in einer sie sowohl Sie selbst als auch die Debütantin entwürdigenden Art den Geländeritt von Julia Krajewski kommentiert haben.

 

Worum geht es?

Sie haben bei der Kommentierung des Geländerittes der ehrenwerten und begabten Debütantin Julia Krajewski indirekt von Angst gesprochen. Sie haben ihr einen braunen Strich in der Hose angedichtet. Diese Reiterin zählt zu den größten Talenten, die wir im Vielseitigkeitssport haben. Denn sie hat im Vorfeld bewiesen, dass sie den Anforderungen der Olympischen Spiel gewachsen ist, erläuterte Dr. Dennis Peiler, „Chef de Mission“ der deutschen Equipe in Rio de Janeiro (www.ludwigs -pferdewelten.de 13.8.2016).

 

Sie haben kurze Zeit danach starke Proteste erhalten, wobei nicht zu verschweigen ist, dass Sie vereinzelt auch von Personen, die erstaunlicherweise Ihren sehr legeren Umgang mögen, gelobt worden sind.

 

Jetzt, nachdem der Pulverdampf der Empörung verraucht ist und die Olympischen Spiele des Friedens beendet sind, kommt der Zeitpunkt, Ihnen einige konstruktiv gemeinte Worte zu sagen.

 

Ich darf angesichts Ihrer humanistischen Bildung Philosophen alter Schule zitieren: "Lass dich vom Verstande leiten, aber verletze nicht die heilige Schranke des Gefühls“ (Diogenes Laertius). Der Weimarer Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe empfahl dem Schüler, den Verstand in spanische Stiefelchen zu schnüren (Faust).

 

Verstand und Vernunft des Menschen

Wohin ist Ihr Verstand geraten? Sie haben möglicherweise selbst zu stark am linken Zügel gezogen, als Sie den tollen,  jedoch trotzdem schlecht verlaufenen Ritt der Debütantin Julia Krajewski mit unsportlichen und beleidigenden Sprüchen begleitet haben.

Zunächst sieht es gut aus: Sie haben sich erneut wie im Jahr 2012 entschuldigt, dieses Mal mit den Worten:

„ Es liegt mir fern, Sportler zu beleidigen. Wenn das so angekommen sein sollte, dann kann ich mich dafür nur aus tiefstem Herzen entschuldigen“

(http:// www.Spiegel.de/sport/sonst/olympia-2016-ard-reitexperte).

 

Aber Herr Sostmeier, ich frage Sie als einen Menschen mit Verstand und Vernunft: Ist das etwa eine Entschuldigung aus tiefstem Herzen? Ist es nicht eher eine lockere Entschuldigung, die Ihr Herz gar nicht berührt?

Zur Entschuldigung der Entgleisung 2016

Nun gut: Sie haben sich entschuldigt. Aber bitte fragen Sie sich selbst: War diese Art der Entschuldigung wirklich eine wahre Entschuldigung, bei der Sie hätten wahre Größe zeigen können, es sei denn, dass Sie selbst die Größe nicht zeigen wollen, so dass für Sie die Entschuldigung nur der Ausdruck einer Klarstellung war, einer Einstellung, welche die eigene Hochschätzung – also das EGO eines erfolgreichen Mannes - erkennen lässt. Immerhin liest der unvoreingenommene Leser aus dem Satz heraus: „Meine Worte habt Ihr Alle nicht richtig verstanden. Sie sind daher falsch bei Euch angekommen. Ihr seid es selbst schuld, wenn meine Worte so bei Euch angekommen sind!!“

 

Respekt vor dem Grundrecht des Persönlichkeitsschutzes

Schon wieder vermisse ich - mit Verlaub gesagt- den Respekt vor dem Grundrecht der Persönlichkeit des Menschen, das heißt:  „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ (Artikel 1 Grundgesetz). Dieses Grundrecht schützt nicht nur den Bürger vor dem Staat, sondern auch voreinander in der Drittwirkung.

 

Haben Sie selbst denn nicht auch eine angeborene Würde? Das haben Sie ohne Zweifel.

Denn sonst hätten Sie es in Ihrer beruflichen Karriere wohl nicht so weit gebracht.

Ist Ihnen auf dem hohen Podest des erfolgreichen ARD Kommentators und der Anerkennung, die dem „göttlichen“ Carsten Sostmeier entgegengebracht wird, jegliches Gefühl der Achtung der Persönlichkeitsrechte bei einzelnen Kommentaren abhandengekommen?

Sehe ich das falsch? .

Zur natürlichen Angst gepaart mit der Vernunft des Menschen und dem Verstand des Pferdes Angst

Jetzt richte ich noch Worte der Kritik an Sie zu dem von Ihnen möglicherweise völlig missverstandenen Begriff „Angst“.

Ich darf Sie an die Worte des dänischen Philosophen Soren Kirkegard erinnern:

„JE WENIGER GEIST, DESTO WENIGER ANGST“.

Bitte denken Sie darüber nach. Ich darf ein wenig nachhelfen:

Je weniger Geist ein Mensch hat, desto weniger weist er an Vorstellungsvermögen auf, was alles passieren kann. Je weniger Vorstellungsvermögen er aber für Gefahren besitzt, umso angstfreier kann er sich den Anforderungen und Gefahren stellen. Denn der von wenig Vorstellungsvermögen besessene Sportler wird nicht von jenen Blockaden heimgesucht, die sich geistvolle Menschen im Vorfeld der Gefahr so bedenken können. Also bleibt der weniger geistvolle Mensch von diesen Sorgen relativ unbelastet. Er ist dann so glücklich wie Sie beim Kommentieren.

 

Ich selbst habe zwei Freunde bei der Vielseitigkeit verloren. Die Spiele gingen weiter. Die wenigen gefühlvollen Menschen haben zu ihrem eigenen Glück weniger Skrupel. Immerhin hat der Tod einer Reiterin zum Überdenken der Richtlinien der FN für die Ausrichtung von Turnieren geführt.

 

Wenn Sie von Angst sprechen, dann sehen Sie die Angst des Reiters, nicht auch die natürliche Angst des Pferdes. Sprechen Sie auch von Material bei diesen wundervollen Geschöpfen der Natur?

 

Wenn Sie kommentieren, dann erzählen Sie bitte dem Zuschauer nicht nur das, was er selbst sieht. Entweder halten Sie ihn für nicht oder wenig erfahren, so dass Sie ihm erläutern, was er bei näherem Hinsehen erkennen müsste. Es kann auch sein, dass Sie den Zuschauer, der Ihre Kommentare verdauen muss, für wenig intelligent einstufen.

 

Sie sind doch so ein weltoffener und erfahrener Journalist, der auch - wie er in Athen bewiesen hat- dem Zuschauer aus der Geschichte der Reiterei so viel vermitteln kann, auch aktuell zum Zaumzeug usw.

Ich darf Ihnen Beispiele nennen, bei denen ein Carsten Sostmeier intelligente Zuschauer nicht langweilt:

Zum historischen Hintergrund der Dressur

So könnte er mit leiser Stimme während der Dressur des Pferdes in der Pirouette berichten,

dass die Dressur des Pferdes historisch einen besonderen Sinn beim Einsatz des Pferdes im Krieg hatte. Im Mittelalter kämpfte oft das Fußvolk der Soldaten Mann gegen Pferd. Die Ritter und die Pferde lernten damals als Überlebenstrick die Pirouette. Mit dem Drehen im Vierertakt im Kreis wehrten die Ritter feindliche Soldaten des Fußvolkes, die sich in die Zügel hingen, um den Ritter vom Pferd zu holen, im Rundumschlag des Pferdes ab. In der Piaffe zeigte der Ritter dem Feind die Entschlossenheit mit dem auf der Stelle trabenden Pferd.  Sie lehrten so psychologisch und taktisch den Bodenkämpfern das Fürchten. Aus der Piaffe geht beim Vorantreiben des Ritters das Pferd über in räumlich verkürzte Trabtritte. Die Kadenz der Piaffe bleibt dabei erhalten, es kommt eine im Vergleich zu den anderen Trabvarianten sehr kurze Schwebephase hinzu. Dies soll dem Feind imponieren. Der Ritter hat den spanischen Tritt aus dem Imponiergehabe der Hengste zum psychologisch-taktischen Kampfsport entwickelt. ...und so geht es weiter, indem der Kommentator den Interessierten aufzeigt, dass die schwere Dressur nicht um ihrer selbst willen als Erfindung von Turnierrichtern oder dem Olympiakomitee verlangt wird, sondern einen historischen Hintergrund hat.

Zur Historie  der Vielseitigkeit (Military)


Über die Historie der Vielseitigkeit – nicht ohne Grund auch  Military genannt- kann der Kommentator berichten, dass das Pferd als Kampfmittel nicht mehr im Zuge der Entwicklung moderner Waffen gebraucht werden konnte.1885 präsentierte der Amerikaner Hiram Maximin London das erste Maschinengewehr. Die Pferde wurden im Kampf reihenweise getroffen und die Reiter flogen von den Pferden. Die Pferde liefen, wenn sie nicht getötet waren, dem Reiter davon. Das war die Geburtsstunde des Hannoveraner Reithalfters in der Kavallerieschule Hannover. Die Halfter verhinderten das Abstreifen des Zaumzeuges.

 

Erstmals kam Leutnant Caprilli zur Überwindung eines ewigen Abschlachtens der Pferde und der Reiter durch die Maschinengewehre und sodann neue modernere Kampfmittel auf die Idee, mutige und geschulte Pferde im Krieg ausschließlich für die Aufklärung einzusetzen. Solche geeigneten Pferde und Reiter lernten daher im italienischen Tor di Quinto, über Steilhänge und hohe, breite Hindernisse hinweg, über Zäune und Hecken und durch Gewässer und Seen hindurch -  auch durch Schwimmen des seitlich sich vom Pferd ziehen lassenden Reiters - den Feind an unwegsamen Stellen zur Aufklärung zu umgehen. Die Italiener, vor allem der um die Jahrhundertwende lebende und nachdenklich gewordene Leutnant Caprilli, waren die Vorreiter der neuen Lebens- und Überlebensaufgabe der Pferde. Die Chance hat sich im heutigen Sport fortgesetzt.

Zu Ihrem Vorwurf der Angst in der Vielseitigkeitsprüfung

Sie selbst haben die Angst offenbar nicht gekannt oder verdrängt. Vielleicht haben Sie damals als 21 jähriger Mann, der schwere Springen geritten ist und diese beenden musste, noch nicht viel nachgedacht.

 

Das Nachdenken ist die Zauberformel des Überlebens.

JE WENIGER GEIST, D.H. PHANTASIE DER MENSCH FÜR GEFAHREN HAT, UMSO ANGSTFREIER KANN ER SICH SITUATIONEN STELLEN, ÜBER DIE ER NICHT NACHDENKT.

 

Die von Ihnen als ängstlich bewertete Debütantin bei den Olympischen Spielen hat aber nachgedacht.

Ihr Pferd mit seinem Verstand auch, als es nach links dem See ausgewichen ist.

Bitte, Herr Sostmeier, denken Sie darüber nach. Junge Menschen sind von den Älteren schlecht beraten und schlecht motiviert, wenn sie aus dem Ehrgeiz der Älteren oder aus eigenem Ehrgeiz unnötig ihr Leben und das Leben des Pferdes auf das Spiel setzen.

Glorifizierung von Reitern während ihres Kampfes bei Olympia

 

Jetzt sind wir beim Thema Ihrer Glorifizierung von Olympiakämpfern, die gerade im Kampf sind: Also sprach Carsten Sostmeier über die unbestreitbar glanzvolle Isabell Werth während Ihres Kampfes, den viele Millionen Zuschauer begleiteten:

Hellstrahlend wie eine Kerze in der Kathedrale der Dressur... Sie ist keine Dressur – Königin mehr, sie ist eine Dressur- Göttin:“

Danke, lieber Herr Sostmeier. Jedoch störte Ihr lauter Kommentar des höchstwissenden Carsten Sostmeier den wunderschönen Ritt, den viele Nationalisten gern so, wie es Carsten Sostmeier beschrieb, genossen hätten, nämlich in Respekt vor der Harmonie und Schönheit in der Einheit von Reiterin und Pferd. Die dröhnenden Worte Ihrer Ausrufe aus Ihrem göttlichen Allwissen störten die Andacht der Zuschauer in der von Ihnen beschworenen Kathedrale. Die Havey Metal Gruppe der 1979ger und 1980ger Jahre bei Kerzenschein in einer Kathedrale stand gedanklich Pate. Nicht jeder Zuschauer, der Havey Metal Musikliebhaber Carsten Sostmeier hört, ist so schnell, den Ton seines Gerätes abzuschalten, wenn er z u s e h e n will und meint, dass die schwere Dressur  nicht zum Hören geeignet, sondern zum Zusehen und Bewundern höchster Kunst von Reiter und Pferd ausgeschrieben wird.

 

Der Zuschauer würde Ihnen ja sogar z u h ö r e n, wenn er nicht von Ihnen lediglich eine Beschreibung dessen, was der Zuschauer gerade selbst sieht, erhalten würde. Sie versetzen den Zuschauer in die Zeit des Hörfunks, bei dem das für den Zuhörer nicht Sichtbare durch einen hervorragenden Reporter wie Sie es sind, im Geiste und in den Vorstellungen sichtbar gemacht wird.Sie sind erst 1960 geboren. Daher haben Sie die Zeit nicht miterleben können, als bei dem ein später berühmt gewordener Reporter im Hörfunk beim entscheidenden Fußballendspiel Ungarn gegen Deutschland im Jahre 1954 die Worte wie Pferde der Reportage durchgegangen sind.

 

In Erinnerung geblieben ist die Hörfunk-Reportage des Endspiels durch Herbert Zimmermann, die großen Anteil an der Legende von Bern hat. Zimmermann überschlug sich vor Begeisterung in einer Sprache, die auch ein Carsten Sostmeier gehört haben könnte, mit dem Freudenschrei:

„Turek, du bist ein Teufelskerl! Turek, du bist ein Fußballgott! Entschuldigen Sie die Begeisterung, die Fußballlaien werden uns für verrückt erklären…“

Gemeint war der Torhüter der deutschen Mannschaft. Wegen des Begriffs „Fußballgott“ musste sich Zimmermann später öffentlich entschuldigen. Es wurde sogar diskutiert, ob Zimmermann weiter als Sportreporter arbeiten dürfe.

Nun gut, die Zeiten haben sich geändert. Ein Carsten Sostmeier profitiert in der Berühmtheit davon. Jedoch überschreitet er in der angeblichen Meinungs- und Medienfreiheit zuweilen den Anstand und die Würde.

Harmlose blumige Sprache des Carsten Sostmeier

Blumig erklären Sie dem Zuschauer alles das, was er selbst sieht. So bei Ritten im Grand Prix Special:

 

„Das Pferd genießt das Schreiten... das Pferd nimmt zur Kenntnis... das Pferd fließt hinein in die Passage.....das Pferd leiht der Reiterin seine Beine zum Tanzen...“

Das haben Sie ganz, ganz toll gesagt!!!

 

Ach ja, Herr Sostmeier: Mir liegt eine Gegenfrage zu Ihrem schönen Ausspruch auf der Zunge: „und wem leiht die Reiterin die Beine?“

Doch wohl auch nur dem Pferd, lieber Herr Sostmeier, oder sollen im Umkehrschluss beim tumben Zuschauer etwa eine unpassende andere Gedankenassoziation erzeugt werden?  Wohl nicht, erkennen das Pferd und ich.

Sehr geehrter, lieber Herr Sostmeier,

Ich glaube, dass Sie mit mir wenigstens in einem Punkt übereinstimmen:

Wer Kritik verteilt, muss sie auch einstecken können.

 

Mit freundlichen Reitergrüßen

Dr. Friedrich-Wilhelm Lehmann, Schliersee

www. arbeitsrecht.com

 

 

 

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