Ernüchternd: Fast alle Nasenriemen zu eng verschnallt... Drucken
Geschrieben von: Leopold Pingitzer/ DL   
Freitag, 13. Januar 2017 um 18:21

 

Wien. Vier Jahre lang haben Wissenschaftler untersucht, wie Nasenriemen im turniersportlichen Alltag angelegt werden – mit ernüchterndem Ergebnis: Nur sieben Prozent entsprachen dem empfohlenen Zwei-Finger-Abstand – 43 Prozent wurden ohne messbaren Abstand verschnallt – und in Zukunft wird sich das kaum ändern, wie ProPferd schreibt…

 

 

Nasenriemen werden im internationalen Turniersport viel zu eng verschnallt – in mehr als der Hälfte der untersuchten Fälle sogar so eng, daß nicht einmal ein Finger zwischen Nasenriemen und Nasenbein geschoben werden kann. Bei 43 Prozent der erfassten Pferde saß der Nasenriemen sogar so eng, dass nicht einmal ein halber Finger dazwischen Platz fand – was laut den Studien-Autorinnen einem ,Null-Abstand' entsprach. Das Resümee der Wissenschaftler fiel ernüchternd aus: „Die Ergebnisse sind besorgniserregend."

 

Die großangelegte internationale Studie wurde von Juni 2013 bis März 2016 von einem irisch-australischen Forscherteam durchgeführt und sollte erstmals wissenschaftlich untersuchen, wie Nasenriemen tatsächlich im turniersportlichen Alltag verwendet und eingesetzt werden – und ob sich daraus entsprechender Handlungsbedarf ergibt. Orla Doherty, Vincent Casey und Sean Arkins von der Universität Limerick in Irland sowie Prof. Paul McGreevy von der Universität Sydney sammelten dabei Daten von insgesamt 750 Pferden, die bei nationalen und internationalen Turnieren in Irland, Großbritannien und Belgien im Einsatz waren. Es handelte sich dabei in der Mehrzahl um Vielseitigkeitspferde (354) sowie um Dressurpferde (334) sowie um Pferde in sogenannten Hunter-Klassen (62), die sich in England großer Beliebtheit erfreuen (in diesem Fall waren es Connemara Ponys und Irish Draft Horses).

 

Bei den Messungen bzw. Kontrollen wurde der Typ, die Position, die Breite sowie die Verschnallung des Nasenriemens erhoben. Die Breite wurde mittels Schublehre gemessen, die Verschnallung mit einer speziellen Mess-Schablone (taper gauge) überprüft, die von der Internationalen Gesellschaft für Pferdewissenschaften (ISES = International Society for Equitation Science) entwickelt wurde und die anhand von Markierungen den (empfohlenen) Zwei-Finger-Abstand und den Ein-Finger-Abstand anzeigt. In der Untersuchung wurden die gemessenen Abstände noch feiner untergliedert – und zwar in insgesamt sechs Gruppen: größer als 2 Finger – 2 Finger – 1,5 Finger – 1 Finger – 0,5 Finger – 0 Finger.

 

Bei der Untersuchung der Nasenriemen-Typen zeigte sich, daß vor allem zwei Varianten verwendet werden – nämlich der englische Nasenriemen (Cavesson noseband), der bei 323 Pferden angelegt wurde, sowie der kombinierte Nasenriemen (Flash noseband), der bei 326 Pferden zum Einsatz kam. Deutlich seltener kamen der Hannoversche Nasenriemen sowie der mexikanische oder der Micklem-Nasenriemen zum Einsatz.

 

Die Breite der Nasenriemen bewegte sich zwischen 10 und 55 mm – differierte also erheblich. Auch die Breite eines Nasenriemens hat letztlich Auswirkungen auf den dadurch ausgeübten Druck – bei einer vorgegebenen Verschnallung ist der Druck umso größer, je geringer die Breite des Nasenriemens ist. Die meisten Nasenriemen in der Untersuchung wiesen eine Breite zwischen 20 und 35 mm auf.

 

Von zentralem Interesse war für die Untersuchenden jedoch der Sitz bzw. die Verschnallung des Nasenriemens. In den letzten Jahren wurde von Wissenschaftlern, aber auch von Turnierärzten immer wieder die zu enge Verschnallung von Nasenriemen im Turniersport kritisiert – doch gab es kaum gesicherte Daten darüber. Diese sollten endlich durch die aktuelle, breit angelegte internationale Untersuchung geschaffen werden. Und wie sich zeigte, bewahrheiteten sich die Befürchtungen.

 

Von den insgesamt 750 untersuchten Pferden zeigten erschreckende 326 (= 43,6 Prozent) einen Abstand zwischen Nasenriemen und Nasenbein, der der Gruppe 0 entsprach (es hatte also nicht einmal ein halber Finger dazwischen Platz). Bei 52 Pferden (6,9 Prozent) konnte gerade ein halber Finger Abstand gemessen werden, bei 171 Pferden (22,8 Prozent) betrug der Abstand ein Finger, bei 136 Pferden waren es immerhin 1,5 Finger (18,1 %). Nur bei 51 Pferden (6,8 %) war der Abstand groß genug, um tatsächlich 2 Finger dazwischenzuschieben, wie es in klassischen Reitlehren empfohlen wird – und nur bei einem einzigen Pferd – 0,1 Prozent - von 750 war der Abstand sogar ein Stückchen größer.

 

Die Ergebnisse lassen nur eine Schlussfolgerung zu: „Die Studie bestätigt, dass im Turniersport bei Pferden jeglichen Alters zu eng verschnallte Nasenriemen eingesetzt werden. Die Enge der Verschnallung scheint dabei nicht vom Ausbildungsniveau oder von speziellen Merkmalen des gerittenen Pferdes abhängig zu sein, da sich die Verschnallung zwischen älteren und jüngeren Pferden in dieser Studie nicht signifikant unterscheidet. Die verbreitete Anwendung von Nasenriemen mit weniger als zwei Fingern Abstand zum Nasenbein  könnte auf eine gewohnheits- bzw. routinemäßige Verschnallung hindeuten, die quasi eine Vorsichtsmaßnahme darstellt und weniger eine Konsequenz der vorangegangenen Ausbildung oder von Kontroll-Problemen."

 

Das Resüme fällt entsprechend nüchtern aus: „Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, daß die Mehrzahl der Reiter in den Disziplinen Dressur und Vielseitigkeit in zumindest drei europäischen Ländern Nasenriemen zu eng verschnallen. (...) Der Mangel an exakten Vorschriften und Bestimmungen, welche die empfohlene oder erlaubte Nasenriemen-Verschnallung bei Turnieren regeln, stellt es den Teilnehmern gleichsam frei, den Nasenriemen so eng zu verschnallen, wie sie es für notwendig oder angemessen halten. Die verbreitete Verwendung eng verschnallter Nasenriemen – also mit weniger als 2 Finger Abstand – in drei Ländern in den von der FEI sowie nationalen Verbänden geregelten Disziplinen Vielseitigkeit und Dressur zeigt, daß ähnliche, noch umfangreichere Untersuchungen notwendig sind, um diese Praxis weltweit zu dokumentieren. Der Mangel an Regularien bezüglich der Nasenriemen-Verschnallung bei Turnieren korrespondiert mit einem Mangel an verfügbaren Daten bezüglich des Nasenriemen-Einsatzes – und übermäßig eng angelegte Nasenriemen sind möglicherweise die Konsequenz davon."

 

Die Studie „Noseband Use in Equestrian Sports – An International Study" von Orla Doherty, Vincent Casey, Paul McGreevy und Sean Arkins ist am 3. Januar 2017 im Journal PLoS ONE (doi:10.1371/journal.pone.0169060) erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.



 

 

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