Harte Diskussionen zwischen Springreiter-Club und den Vorderen des Weltverbandes Drucken
Geschrieben von: Sascha Dubach und Dieter Ludwig   
Donnerstag, 23. März 2017 um 19:15

Ingmar de Vos (Belgien), Präsident des Reiter-Weltverbandes (FEI)

(Foto: Kalle Frieler)

 

Lausanne. Die Auseinandersetzungen zwischen Springreitern und Weltverband (FEI) mehren sich, der Graben verschiedener Interessen wird immer breiter. Der Internationale Springreiter-Club (IJRC) sieht den Wert des Sports in Frage gestellt und macht mobil „gegen eine Welt, die von Geld und Politik bestimmt wird“, wie Frankreichs Team-Olympiasieger Kevin Staut sagt.

 

 

Das Ganze nennt sich fast einschmeichelnd und schleierhaft „Harmonisierung“. Dahinter steckt jedoch die schon brutale und unverschämte Absicht, über Nenn- und Startgelder die ausgeschriebenen Gewinnprämien auf Internationalen Turnieren von den Reitern selbst einzutreiben. In den USA ist diese Methode längst Gewohnheit wie zum Beispiel beim Winterfestival in Florida, jetzt soll in Europa diese Dreistigkeit ebenfalls Einzug halten, mit der FEI als Fürsprecherin. Und dort hat inzwischen vor allem der US-Amerikaner John Madden das Sagen. Madden, Ehemann der zweimaligen Team-Olympiasiegerin und ehemaligen Weltcupgewinnerin Beezie Madden (53), ist nicht nur Vorsitzender im Springkomitee des Weltverbandes, sondern auch hinter dem belgischen Präses Ingmar de Vos der zweite Mann am Vorstandstisch. Er ist natürlich dafür, und er betreibt auch ziemlich nachhaltig die Abschaffung eines Wassergrabens in einem Parcours bei Championaten, und dass das Internationale Olympische Komitee (IOC) die Dreierregel gegen den Willen der Reiter bei künftigen Spielen wieder übernahm - jede Equipe, auch in der Dressur, nur noch mit drei statt vier Reitern – geht ebenfalls auf seine Initiative zurück. Das IOC selbst hatte diesen Vorschlag nicht unterbreitet.

 

Die „Harmonisierung“ war auch Thema eines Pressemeetings in Valkenswaard vor einigen Tagen, wo sich Ingmar de Vos und Jan Tops als Erfinder der Global Champions Tour trafen. Dort wurde viel geredet, aber wenig gesagt. Vor allem wurde mit keinem Wort eingegangen darauf, dass das parallel zur Global Tour laufende Mannschaftsspringen eine Investition von zwei Millionen Euro verlangt, um überhaupt als Team starten zu können.

 

Haring: „Wäre eine Katastrophe…“

 

Das US-System richtet sich im Gegensatz zu den meist fixen Beträgen in Europa nach der Höhe des ausgeschütteten Preisgeldes. Widerstand gegen die Übernahme amerikanischer Verhältnisse regt sich nicht nur in den sozialen Medien unter dem Hashtag «#NoToHarmonizing» von den aktiven Springreitern, sondern auch im europäischen Verband EEF. Der Deutsche Dr. Hanfried Haring (75), seit 2009 EEF-Präsident: „Es wäre eine Katastrophe, sollte es so kommen. Dann würden die Reiter ihre Prüfungen finanzieren und die Veranstalter hätten das Einkommen durch die Sponsorengelder.“

 

Diese Art der Finanzierung sei nicht von der FEI gekommen, so Haring weiter, sondern vom Internationalen Club der Turnierveranstalter, allen vo­ran von Peter Bollen, dem Organisator des Hallenturniers in Mechelen (Belgien) alljährlich kurz nach Weihnachten. Mit dem US-Verfahren ginge nach Haring, wie auch schon der Schweizer Olympiasieger und zweimalige Weltcupgewinner Steve Guerdat sagte, der ganz normale Spring­sport kaputt, weil er nicht mehr zu finanzieren wäre.

 

„Das ist das Ende unseres Sports“, sagte Steve Guerdat gegenüber der «Pferde­Woche». Nun doppeln auch seine Equipenkollegen Philipp Züger und Pius Schwizer nach. „Eine Angleichung des europäischen an das amerikanische System bringt nicht einen einzigen Vorteil“, so Züger, und weiter: „Viele Reiter könnten sich den Sport nicht mehr leisten.“ Der Spring­sport würde definitiv zu einem elitären Sport mutieren, „gerade gegen diese Unterstellung wehren wir uns offen in der breiten Öffentlichkeit“. Die allgemeine Akzeptanz, nicht nur des Springsports, sondern der gesamten Reiterei, würde schwinden. Die gesamte Pferdebranche würde laut Züger stark unter dieser Harmonisierung leiden. Nicht nur der Pferdehandel oder Dienstleistungen im Bereich der Ausbildung von Pferden und Reiter, sondern auch alle mit dem Reitsport zusammenhängenden Geschäftsbereiche, Futtermittelhersteller, Ausrüster, Sattler, Schmiede, Tierärzte usw. Nicht zuletzt wären unzählige Arbeitsplätze in Gefahr, die in direkter Verbindung zum Pferd stehen, vor allem in Deutschland, wo nach einer Studie an drei bis vier Pferden ein Job gekoppelt ist. In Deutschland sind rund 1,1 Millionen Pferde registriert.

 

Dennoch: Die Angst geht um…

 

Auch Championatsreiter und Arbeitgeber Pius Schwizer findet das Ganze einen „absoluten Blödsinn“. Ein Ein-, Zwei- oder Dreisternturnier sollte auch für jene Reiter erschwinglich sein, „die Talent haben und nicht nur Geld“, sagt er, „am Schluss reiten nur noch reiche Sprösslinge die talentierten Pferde, weil es sich die Eltern leis­ten können. Das Potenzial der Vierbeiner können die Jungen aber aus reiterlichen Mängeln meist gar nicht nutzen. Diese Pferde verschwinden dann irgendwann einfach in der Versenkung. Man denke hier nur beispielsweise an Palloubet d’Halong oder Bella Rose von Meredith Michaels-Beerbaum.“ Schwizer selbst hatte sich in der vergangenen Woche auch mit der US-Amazone Reed Kessler unterhalten, „sie sagte mir, dass nationale Turniere komplett aussterben werden, sollte das amerikanische System übernommen werden. Diese Veranstaltungen seien gleich teuer wie ein Zwei- oder Dreisternturnier, und das vermag niemand mehr zu bezahlen. Bei den größeren Veranstaltungen starten nur noch Reiter, die auch gleich mit dem eigenen Privatjet anreisen. Talentierte Nachwuchsreiter hätten in den USA kaum mehr eine Chance.“

 

Schwizer meinte, er könne sich nur den Worten von Steve Guerdat anschließen, der in einem TV-Interview gesagt hat, er müsse sich für den Sport schämen. „Da hat er zu 100 Prozent recht. Steve ist wenigstens noch einer, der sich traut hinzustehen und die Wahrheit zu sagen.“ Züger, selbst Turnierorganisator, meinte weiter: „Das Argument, dass es für Turnierveranstalter attraktiver würde, Turniere aufzuziehen,  zieht nicht. Denn ohne Reiter, die sich diese hohen Nenngelder leisten können, muss auch kein Turnier mehr veranstaltet werden. Für mich ist es unverständlich, warum ein gut funktionierendes Sys­tem geändert werden soll. Ein derartiger ‘Shitstorm’, wie er aktuell in den sozialen Medien über die FEI hereinbricht, wäre mit ein wenig gesundem Menschenverstand mit Leichtigkeit vorauszusehen gewesen», so Züger. Bedenklich erscheint jedoch bei dem ganzen Gezänke, oder vielleicht ist es schon mehr, dass die FEI bisher nicht in der Lage war, einen Hauptsponsor für die erdumspannende Nationen-Preis-Serie zu finden. Und deshalb sagte Haring außerdem, sollte sich die Tops-Mannschafts-Serie mit 18 Teams auf 15 Turnieren und Millionen Euro an Gewinngeld stärker als erwartet durchsetzen, dass sich die besten Springreiter dorthin locken lassen, statt in Nationen-Preisen für ihr Land zu starten, „dann sehe ich schwarz auch für den Verbleib des Springreitens im olympischen Programm.“

 

Springreiterclub strikt gegen Harmonisierung

 

Der Gegenwind der Springreiter bläst inzwischen auch durch die Räume am Stammsitz der FEI in Lausanne. Dort empfingen Ingmar de Vos als Präsident, FEI-Direktor John Patrick Roche, John Madden und FEI-Generalsekretärin Sabrina Ibanez vor wenigen Tagen Vorstandsvertreter des Internationalen Springreiterclubs (IJRC)  mit Weltcupsieger Steve Guerdat, Mannschafts-Olympiasieger Kevin Staut (Frankreich), Clarissa Crotta (Schweiz) und Francois Mathy jr (Belgien) sowie Direktorin Eleonora Ottaviani (Italien). Der IJRC hatte ein ganzes Bündel von Vorschlägen im Gepäck, unter anderem, dass das Bewertungssystem für Weltranglistenpunkte überprüft werden müsse, und dass der FEI angehörende Nationen ohne Pferde oder Reiter, wie bekannt, nicht das gleiche Stimmrecht haben dürften wie andere große Föderationen, die den Sport tragen. Die Aktiven-Vertretung forderte weiter, dass die Nationen-Preis-Serie des Weltverbandes attraktiver zu gestalten wäre und dass die FEI endlich mal etwas sagen müsse gegen die Vergabe von Paycards bei der Global Champions Tour, wozu der Weltverband bisher beharrlich schweigt. Das Problem der Blutregel wurde ebenfalls vorgetragen. Wer sich unreiterlich dem Pferd gegenüber verhalte, müsse bestraft werden, aber die Sanktionen sollten differenziert ausgesprochen werden, entsprechend der Schuld und der Absicht des Reiters, der die Fairplay-Regeln verletzte. Steve Guerdat wies auf Kontamination der Blutproben auf Turnieren hin, was einen Unschuldigen in schwere Nöte bringen könne.

 

Kevin Staut sagte nach der fünfstündigen Mammutunterredung ohne Pause: „Wir wollen die Werte unseres Sports verteidigen. Unser Sport bietet unwiderstehliche Momemente, doch wir leben in einer Welt, die von Geld und Politik bestimmt wird. Sicherlich hat auch Geld seine guten Seiten. Wir sind nicht gegen die Turniere der Global Champions Tour, aber wir müssen andere Turniere schützen eines gesunden Gleichgewichts wegen. Wir wollen einen Sport, der für jeden zugänglich ist, wir lehnen dafür einen Sport ab, bei dem eine Serie aufgrund der finanziellen Möglichkeiten die Oberhand behält.“ Der IJRC betonte außerdem ausdrücklich, die Nationen-Preise und die Ethik des Sports müssten unter allen Umständen verteidigt werden.

 

Kevin Staut und seine Lebenspartnerin Penelope Leprevost, beide in der französischen Goldequipe der Spiele in Rio, sowie Steve Guerdat werden auf der anstehenden Global Tour keine Teamspringen bestreiten, sie wollen mit ihren besten Pferden lieber in den Nationen-Preisen antreten. Sie nehmen das Risiko auf sich, deshalb auf der Weltrangliste so weit zurückzufallen, dass ihnen keine Einladung zu Turnieren der Global Champions Tour mehr automatisch zugestellt wird. Die ersten 15 der Rangliste genießen die Vorteile der freien Unterbringung in First Class Hotels mit Entourage, keine Kosten für Transport und Unterbrigung der Pferde egal in welcher Stadt und welchem Land.

 

Ingmar de Vos sagte am Ende: „Das war ein dringend benötigtes Treffen, da es viel gab, was geklärt werden musste. Beide Parteien hatten die Gelegenheit, ihre Standpunkte zu erläutern und wir hatten einen sehr konstruktiven Dialog.“ Und eines wollte er dann auch noch einmal klarstellen, und zwar, dass er den Vorschlag zur Harmonisierung der Nenngelder nicht unterstütze. Die FEI habe in dieser Angelegenheit keine Stellung bezogen, begrüße jedoch eine offene Diskussion über alle Aspekte…

 

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