Wiedergeburt eines Reit-Events in der Hauptstadt Berlin Drucken
Geschrieben von: Achim Begall/ DL   
Freitag, 04. August 2017 um 14:30

Ein CHI im alten Olympia-Reiterstadion vor bald 20 Jahren, als sich Berlin noch um die Ausrichtung der Olympischen Sommerspiele 2000 bewarb - wie an den Aufdrucken an den Fahnen ersichtlich...

Berlin. Die deutsche Hauptstadt hat eine über hundertjährige internationale Reitturnier-Tradition. Geprägt durch Flop- und Top-Veranstaltungen. Zu den letzteren zählt nun an der Spree die Premiere der  Global Champions Tour Berlin.

 

Die Erfahrungen von Turnierveranstalter En Garde in seiner 25-jährigen Firmengeschichte im Jahr 2001 mit dem Olympic Derby und einer Riders-Tour-Etappe im Berliner Olympia-Reiterstadion waren nicht gerade toll. Aus dem geringen Besucherzuspruch hat Volker Wulff jedoch gelernt und in diesem Jahr den Werbe-Etat so ausgebaut, dass er um das Zweieinhalbfache der Erlöse der Eintrittspreise lag.

Zwei Parallelen gibt es noch zwischen den beiden Ereignissen. Sieger der Hauptspringen über Parcours` von Frank Rothenberger - dien er auch mit Hindernissen der eigenen Firma CARO belieferte - war damals und 2017 Christian Ahlmann, der übrigens 1990 schon im Berliner Olympia-Reiterstadion mit der deutschen Equipe Junioren-Europameister wurde. Zur Freude auch seiner Sponsorin Marion Jauß, Schwester von Madeleine Winter-Schulze, beide  gebürtige Berlinerinnen.

Die Geburtsstunde der internationalen Turniere an Havel und Spree war am 9. April 1910 im Luisen-Tattersall. Zwei Jahre später gab es vom 14. bis 16. Juni die erste große Veranstaltung im Sportpalast. 1922 wurde dort die Schul-Quadrille der Kavallerieschule Hannover gezeigt und 1925 die Alte-Fritz-Quadrille kreiert, die in München bei den Olympischen Spielen 1972 einen Nachfolger fand. Nachdem 1935 die Deutschlandhalle fertiggestellt war, konnte dort im darauffolgenden Jahr erstmals ein größeres Publikum die internationalen Reiter und Polospieler (!) bestaunen. 16.000 Zuschauer fanden auf vier Etagen in der frei überdachten Arena ohne Innenstützen Platz. Der Krieg zerstörte  das große Gebäude mit einer 117 Meter langen und 83 Meter breite Stahlkonstruktion. Erst 1958 gab es wieder eine Fortsetzung des internationalen Turniers  in der Arena am Eichkamp mit den Stallungen für 170 Pferde.

Doch schon vorher wurde der Große Preis von Deutschland ins Leben gerufen. Vom 17. bis 21. Mai 1950 fand das erste internationale Turnier der Nachkriegszeit im Sommergarten unter dem „Langen Lulatsch“, wie der  Funkturm genannt wurde, statt. Danach zog die Veranstaltung in die Messehallen um. Erster Sieger des Großen Preises von Deutschland war damals unter dem Funkturm übrigens Hans-Jürgen Huck, Vater von Karsten Huck (Olympia-Bronze in Seoul mit Nepomuk.) Es war die Zeit der Währungsreform. Statt der Siegprämie von 8.000 Mark wurden nur eintausend ausgezahlt, weil die Kasse leer war…

Die Deutschlandhalle gibt es in Berlin nicht mehr. Sie musste der Messe-Erweiterung weichen. Die CHI Berlin fanden dort von 1958 bis 1996 mit unterschiedlicher Resonanz statt. 1974 trennte man sich von der Grünen Woche im Januar und ging in den November. Im April 1985 wurde in der Deutschlandhalle sogar das Weltcup-Finale ausgetragen.

Während vor der politischen Wende die Zuschauerzahl rückläufig war und die obersten Ränge schon abgedunkelt wurden, eroberte ab 1989 das ostdeutsche Publikum nach jahrelanger internationaler Abstinenz die Deutschlandhalle. Mit dem Holländer Henk Brüger (BCM), Dr. Kaspar Funke (Escon Marketing) und Paul Schockemöhle, der 1980 übrigens an gleicher Stelle das erste Weltcupspringen auf El Paso gewonnen hatte, wurde die neue Veranstaltercrew PSM gegründet. Der dreimalige Europameister Schockemöhle stieg zur Jahrtausendwende dann aus, nachdem das Turnier unterirdisch im Velodrom an der Landsberger Allee nicht die besten Bedingungen fand. Im November 2003 war nur noch der holländischer Manager Alleinausrichter des CHI Berlin. „Da fehlte der Schmiss, da fehlte eine berlinische Konzeption, da fehlte alles, was den Berliner Esprit ausmacht“, hieß es damals im regionalen Reiter-Magazin. Das Turnier war wieder in der Messe unter dem Funkturm angekommen und zwar in Halle 25, wo in diesem Jahr die Pferdeboxen standen und der Vorbereitungsplatz war. Ein späterer Turnier-Versuch in den Hallen des ehemaligen Flughafens Tempelhof scheiterte – auch hier ließ die Besucherresonanz viele Wünsche offen.

Nach Tattersall. Sportpalast, Deutschlandhalle, Olympia-Reiterstadion, Velodrom, Flughafen und Messehalle ist jetzt  mit dem Sommergarten unter dem Funkturm der ideale Platz für eine große internationale Reitveranstaltung gefunden worden. Die Berliner und die Einwohner des Brandenburger Umlandes fanden wie auch die Reiter das Ambiente toll. Waren bei vergangenen Turnieren oft die Landgestüte mit ihren Hengsten zu Gast, so begeisterten diesmal Fohlen das Publikum. Die Zucht gehörte also bei allen Veranstaltungen schon immer dazu, immerhin wurde die deutschen Reiterliche Vereinigung (FN)  1905 als Verband der Halbblutzüchter nur wenige Kilometer vom Funkturm entfernt gegründet.

Die Abstinenz vom internationalen Reitsport ist in Berlin nun wieder vorbei. Dank auch eines Volker Wulff. Dieser arbeitet bereits seine „Shit-List“ ab, auf der nicht viel stehen dürfte, und plant bereits für das letzte Juli-Wochenende 2018. Dann trifft der „Berliner Bär“ wieder auf die verschiedenen Teams der  Global Champions League. Ob das Turnier weiter aufgestockt wird, „hängt von den Regeländerungen des internationalen Weltreiterverbandes FEI ab“, sagt der En Garde-Chef.

 

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