Dem Reitsport fehlt professionelle Führung Drucken
Geschrieben von: Max Ammann   
Mittwoch, 14. Juli 2010 um 09:23


Zürich. In der neuesten Ausgabe der in der Schweiz erscheinenden "PferdeWoche" geht der frühere Weltcup-Direktor Max Ammann erneut auf den Fall McLain Ward (USA) und die Stute Sapphire beim Weltcupfinale in Genf ein. Amann wirft dem Weltverband mangelnde professionelle Führung vor und erläutert den Vorwurf an diesem Fall.

Da hat die FEI im Falle McLain Ward / Sapphire einen Rückzieher – Kompromiss eingegangen, der nicht nur peinlich ist, sondern ernsthafte Zweifel an der Funktionsfähigkeit der FEI aufwirft. Dass der vorbildliche Genfer Veranstalter des Weltcup Finals 2010 als eigentliches Opfer dieser FEI-Verwirrung dasteht, sei nur am Rande vermerkt.

 

Im Pferdewoche-Kommentar vom 16. Juni habe ich versucht, die „Ablauf-Mängel“ des Verfahrens aufzuzeigen. Dabei musste ich, zwangsläufig, einige weitere Punkte weglassen. Sie seien hier in einem zweiten Standpunkt aufgeführt:

 

Wie im ersten Kommentar festgestellt, gab es keine Verfahrensfehler. Aber das Verfahrensprotokoll war schwach. Es war, wie viele Reglemente, ein Schnellschuss, bei dem man kaum die praktische Anwendung überprüfte und schon gar nicht die sogenannte Schachsituation durchdachte: Regel, die Konsequenz davon, die Konsequenz aus dieser Konsequenz etc. Ich mag hier, als ehemaliger Weltcup Direktor, aufzeigen, wie im Weltcup die Reglementierung und die Anwendung vor sich ging: Im Weltcup-Komitee saßen Reiter aus Europa und den USA, Veranstalter, Beobachter aus Australien, Nord- und Südamerika, Asien sowie Journalisten. Und natürlich auch FEI-Offizielle. Keine Reglements-Vorschläge wurden durchgewinkt, da gab es harte Diskussionen, und was dann angenommen wurde, hatte Bestand. In den 25 Jahren des Welt-Cups bis 2003 gab es kaum Problemfälle, obwohl gerade der Weltcup, der der Kommerzialisierung des Pferdesports die Pforten geöffnet hatte, zwangsläufig offen für Konflikte war.

 

Fazit der ersten Frage: Hat die FEI als Organisation die Kapazität, um Regeln aufzustellen und sie anzuwenden, um damit einen einwandfreien Sport zu gewährleisten?

 

Die zweite Frage: Wo waren die FEI-Rechtsanwälte in der folgenschweren Nacht von Freitag auf Samstag? Sie waren wohl in Genf oder nicht weit davon entfernt. Seit Athen 2004 und seit dem Fall Bettina Hoy wissen wir, dass nach dem Versagen der Richter und des Schiedsgerichts schlussendlich die Rechtsanwälte den Fall übernahmen, ihn vor den anwesenden Olympischen Gerichtshof „CAS“ brachten und gewannen. Wo waren die Rechtsanwälte der FEI; darunter ein Amerikaner, der instinktiv hätte erkennen müssen, dass die Amerikaner gegen eine auf schwachen Füßen stehenden Disqualifikation nicht mit Pfeil und Bogen, sondern mit der schwersten Artillerie vorgehen würden.

 

Die dritte Frage ist: Warum wurde in der fatalen Nacht von Freitag auf Samstag die Entscheidung nicht vertagt? Nach den im früheren Pferdewoche-Kommentar geschilderten Ablauf-Mängeln, in dem der federführende Tierarzt Sapphire starten ließ, obwohl er das Pferd als „nicht fit“ beurteilte, aber den Mut für eine Anrufung der Richter nicht hatte, war es fast absurd, die ganze Prozedur nach Mitternacht zu wiederholen. Nach dem freitäglichen Springen hatten die Weltcup-Pferde Pause bis Sonntagnachmittag. Warum wurde Sapphire nicht unter Beobachtung gestellt, um dann am Sonntagvormittag erneut untersucht zu werden?

 

Die mitternächtliche Disqualifikation war naiv und unnötig. Sie wurde entschieden durch Richter und Tierärzte, während die Rechtsanwälte, die aus juristischer Sicht den Schaden hätten abwenden können, fehlten.

 

Der Pferdesport, wie wahrscheinlich alle Sportarten, leidet unter Amateurführung, national wie international. Man erinnere sich nur an die Hilflosigkeit der FIFA, als es darum ging, ein offensichtliches Handspiel eines Franzosen im alles entscheidenden WM-Qualifikationsspiel zu ahnden. Oder die Überfordertheit eines saudischen Schiedsrichters, der auf Grund eines regionalen Quotensystems ins WM-Aufgebot gerutscht war.

 

Es ist offensichtlich: Ein Profi ist oft nur auf dem Papier ein Profi, das Können bleibt amateurhaft. Andererseits haben viele der FEI Richter das Potenzial zum Profi. Sie bleiben Freiwillige, Amateure, weil sie einen befriedigenden Beruf, eine Familie haben. Von den vielleicht 100 europäischen Richtern, die seit 1978 im Weltcup eingesetzt wurden, würden zweifelsohne mehr als die Hälfte gute Profirichter abgeben. Aber sie bleiben Freiwillige, opfern ein Wochenende, um irgendwo zu richten, in London oder auch in Rumänien. Das sollte auch so bleiben. Aber trotzdem braucht es ein Umdenken, damit aussergewöhnliche Situationen, der Fall Bettina Hoy in Athen oder der Fall Sapphire in Genf, besser bewältigt werden können. Eine Lösung wäre eine Aufwertung und Professionalisierung der technischen Delegierten.

 

Denn die Quintessenz muss sein: Der Sport ist professionell - macht auch die Führung professionell.

 

 

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