Ammanns Erinnerungen um Diskussionen wegen Wildcards... Drucken
Geschrieben von: Max Ammann/ DL   
Mittwoch, 25. Oktober 2017 um 10:24

Zürich. Der erste Weltcupdirektor und «PferdeWoche»-Kolumnist Max E. Ammann blätterte in einer dreiteiligen Serie zum Auftakt der 40. Saison um diesen Pokal in der Historie. Im letzten Teil nun weitere kleine ­Episoden, die auf die große Zeitspanne vom ersten Finale 1979 bis heute Bezug nehmen.

 

 

Das Finale 1990 begann mit einer peinlichen Kontroverse mit der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN). Das Weltcupkomitee hatte, wie damals üblich, mit den Veranstaltern, der Westfalenhalle in Dortmund, eine Franchisegebühr ausgehandelt. Dies geschah, wie üblich, ohne Einbezug des nationalen Verbandes. Dessen Präsident Dieter Graf Landsberg-Velen war nicht zufrieden und setzte auf höchster Ebene des Weltverbandes (FEI) durch, dass die 200.000 D-Mark gestrichen wurden – er als FN-Präsident wür­de den richtigen Betrag aushandeln. Nichts geschah von Seiten des Grafen! Ebenso ärgerlich war eine politische Dummheit. Einerseits spendete Nordrhein-Westfalen 2.200.000 D-Mark zum Budget der Organisatoren des Endturniers, andererseits bestimmte eine andere Stelle der Regierung von Nordrhein-Westfalen (NRW), dass am Karfreitag die Halle dunkel bleiben müsse. So muss­te das Finale bereits am Dienstag beginnen. Die Extrakosten dafür, dass es am Karfreitag keinen Wettkampf gab, übertrafen deutlich die 200.000 D-Mark Regierungszuschuss: eine extra Nacht für Reiter, Pfleger, Offizielle, Organisation Helfer, Pferde, Aufsicht, etc. Trotzdem wurde Dortmund eines der besten Finalturniere meiner 25 Weltcupjahre.

 

Dortmund war auch der Ort, wo sich Volvo bereit erklärte, die Osteuropaliga des Weltcups, die in der ers­ten Saison 1989/90 ohne Sponsorgelder durchgeführt worden war, im Zukunft mit mehreren 100.000 D-Mark jährlich zu unterstützen. Es war zweifellos dieses Volvo-Geld, das den Pferdesport in den nun kommunismusfreien Ländern am Laufen hielt. Denn mit dem Machtverlust der kommunistischen Parteien lösten sich auch die Sportkomitees auf, die den Sport finanziell getragen hatten.

 

Statt Dach – ein Netz über Parcours

 

Bald nach dem nicht ganz befriedigendem Weltcupfinale von 1989 in Tampa schlug mir der amerikanische Journalist John Quirk einen Austragungsort in Kalifornien vor: die Pferderennbahn Del Mar. Ein erster Besuch zeigte eine großartige Anlage und begeisterte Organisatoren. Aber nirgendwo eine Halle, dafür ein offenes Stadion neben der Rennbahn. Bestandteil der Bedingungen bei der Zusage an Del Mar für das Finale war, das Freiluftstadion mit einem Dach zu versehen. Das OK gab sich Mühe und präsentierte aufwendige Vorschläge. Am Ende mussten wir uns mit einem Netz begnügen, das während der fünf Final­tage über den Stadion­lichtern befestigt war und wenigsten die Insekten auffing. Wir hatten Glück: als die Pferde ankamen, stoppte der Regen, und erst als wir nach der Abschieds­party in der Arena ins Hotel zurückkehrten, begann es wieder zu regnen.

 

Del Mar produzierte auch den «Tina Cassan Vorfall». Die Engländerin, wie auch Ludger Beerbaum, überquerten die Startlinie, ohne ihre Parcours zu beginnen. Das Schiedsgericht, präsidiert von Bill Steinkraus, entschied zu ihren Gunsten, sehr zum Missfallen der US-Amerikaner.

 

Sprachliche Missverständnisse

 

Bei einem idealen Weltcupstarterfeld von 32 Reitern hofften wir jeweils auf acht Nullfehlerritte. Dies wurde bei der Weltcupsitzung am Vortag ohne allzu große Erwartungen kommuniziert. In Bologna, der damaligen Weltcupstation in Italien, war der altbewährte Parcoursbauer von Rom, Marcello Mas­tronardi, verantwortlich. Er verstand nicht otto (acht), sondern diciotto (18) und war empört. Wir beruhigten ihn: acht wäre ideal. Es wurden 18! Die Woche darauf in Dortmund, hatte Olaf Petersen gar 20 Nullfehlerritte und wieder ein Woche später, in ‘s-Hertogenbosch produzierte Henk-Jan Drabbe 19 Nuller.

 

Nach dem, trotz Pseudo­dach, außerordentlich geglückten Final von 1992 in Del Mar produzierte der gleiche John Quirk bereits zwei Jahre später einen weiteren Vorschlag: Las Vegas! Die Unterhaltungs- und Vergnügungshauptstadt der Welt. Ansprechpartner in Las Vegas war «Las Vegas Events», eine von den Casinos gegründete und finanzierte Managementfirma, die alle Anlässe organisiert, die nicht direkt mit einem der Hotelcasinos verbunden sind. Ihr Hallenstadion war die «Thomas & Mack Arena». Hier organisiert «Las Vegas Events» seit vielen Jahren im Dezember die Nationalen Rodeofinals, mit Bullenreiten, Broncoreiten, Fassrennen und Kälberfangen.

 

Bullenreiter-Champion als Manager

 

Der Ablauf der Rodeoveranstaltungen in Las Vegas ist perfekt, was nicht zuletzt das Verdienst von Shawn Davis ist, einem ehemaligen Bullridingchampion, nun der Rodeoverantwortliche von «Las Vegas Events». Diesen Shawn Davis in die Organisation eines Weltcupfinals einzubeziehen, dräng­te sich auf. Als es 2000 zum ersten Finale in der «Thomas & Mack Arena» kam, dirigierte der Rodeomann Shawn den Ablauf.

 

Der Veranstalter «Las Vegas Events» verzichtete auf ein CSI-W-Vollprogramm mit Rahmenprüfungen. Nur die drei ­Finalprüfungen von Donnerstag, Freitag und Sonntag standen auf dem Programm, plus der Grand Prix am Samstag. Das bedeutete auch, dass nur ein oder zwei Pferde gebraucht wurden. Die europäischen Reiter protes­tierten – beim CSI-W Dortmund, einige Wochen vor dem Finale, sprachen einige deutsche Reiter gar von einem Startverzicht. Nun: alle qualifizierten Reiter mit einem einsatzfähigen Pferd flogen nach Las Vegas, und am Dienstagabend kam Ludger Beerbaum zu mir und sagte, wie fantastisch es in Las Vegas sei. 2003, 2005 und 2007 wurden in Las Vegas weitere Finals ausgetragen, bis es danach zu einer Pause kam.

 

Genf erstes Schweizer Finale

 

Zurück zu 1996, als erstmals das Weltcupfinale in Genf ausgetragen wurde. Bevor es im April dazu kam, sorgte ein reglementswidriges Vorpreschen des Schweizer Pferde­sportverbandes für Missstimmung. Anfang Oktober 1995 konnte man in der Presse lesen, dass der Schweizer Equipechef Martin Walther dem Calvaro-Reiter Willi Melliger eine Wildcard für das Genfer Finale gegeben habe. Das FEI-Weltcupreglement sah vor, dass das Veranstalterland zwei Reiter, die sich nicht qualifiziert hatten, für das Endturnier nominieren könne – im Prinzip die beiden ers­ten Reiter nach den 18 Qualifizierten. Martin Walthers Vorgehen konnte man verstehen, es galt, den Schimmel Calvaro im Beritt von Willi Melliger zu halten.

 

Nach einem Briefwechsel zwischen FN und Weltcupdirektor wurde die Angelegenheit im Dezember dem Weltcupkomitee unterbreitet. Zusätzlich erschwerend war, dass Melliger in den Monaten vor Weihnachten nur gerade ein Weltcupspringen (Berlin) bestritten hatte, dazu aber bei fünf CSI ohne Weltcup gestartet war. Das Weltcupkomitee entschied, dass Melliger im Frühjahr bei mindestens zwei Weltcupspringen teilnehmen müsse. Sollte er genügend Punkte für das Finale holen, käme er mit der Wildcard zum Finale, würde also keinem den Platz wegnehmen. Und so kam es auch.

 

Malin Baryard im Bikini…

 

Eine Wildcard für Genf ohne Kontroverse, wenn auch mit Publizität, wurde an die junge Schwedin Malin Baryard vergeben. Beim letzten Qualifikationsspringen in Göteborg war sie Dritte geworden. Das reichte, bei nur zwei Starts zuvor, nicht zur Finalqualifikation. Während in der Scandinavium-Arena ein Kostümspringen ausgetragen wurde, diskutierten die Mitglieder des Weltcupkomitees – in der Halle oder übers Telefon – ob Malin Baryard eine Wildcard für Genf erhalten sollte. Alle Mitglieder waren sich einig: ja! Das erfuhr auch der Berichterstatter des «Blick». Am nächsten Tag publizierte die Schweizer Boulevardzeitung ein Bild von Malin beim Kostümspringen – im schwarzen Bikini über einem Sprung. Als Bildlegende konnte man lesen: «Malin Baryard weiß, wie man die Männer rumkriegt. Es wirkte bei Weltcupdirektor Max E. Ammann, der ihr für Genf eine Wildcard überreichte.» In Genf wur­de Malin Baryard Siebte, Willi Melliger verlor mit Calvaro das Stechen um den Sieg gegen Hugo Simon auf E.T…

 

Im Jahr 1996 wurde die Südostasienliga des Weltcups gegründet, mit vorgesehenen Prüfungen in Malaysia, Singapur, Thailand, Indonesien und den Philippinen. Die große asiatische Wirtschaftskrise von 1997 verhinderte eine Realisation aller ambitiösen Plä­ne. Aber immerhin kam es in der Saison 1997/98 zu acht Prüfungen in Kuala Lumpur, Jakarta und Bangkok. Später, von 2003 bis 2007, organisierte Peter Winton Einladungsturniere in Kuala Lumpur und 2006 fand dort das 28. Weltcupfinale statt.

 

Volvo hört nach 20 Jahren auf

 

Das 20-jährige Engagement von Volvo im Weltcup endete 1998. Es war immer klar, dass Volvo einmal aufhören würde. Aber ich hoffte auf 2003, das Jahr, für das ich seit langem meinen Rücktritt vorgesehen hatte. So amtierte ich nach dem Rückzug von Volvo fünf Jahre ohne Hauptsponsor. Der Entscheid von Volvo basierte, so wurde mit der Zeit bekannt, gleichermaßen auf strukturellen wie finanziellen Gründen. Strukturell, weil das obers­te Management gewechselt hatte und weil Verkauf oder eine Übernahme von Volvo bevorstand. Dies geschah dann auch bereits 1999, als Ford die Personenwagenproduktion von Volvo erwarb – bis dann zehn Jahre später auch Ford verkaufte, diesmal an Chinesen. Finanziell, weil Volvo 1997 als Co-Sponsor in das bisher von der britischen Brauerei Whitbread finanzierte «Round the World Race» eingestiegen war und ab 2000 die Finanzierung als Volvo Ocean Race (Segeln) voll übernahm. Der Hospitality-Aufwand, der von Volvo vor allem in den angelaufenen Häfen betrieben wurde, war gigantisch.

 

FEI sah hilflos zu

 

Der Verlust von Volvo als Sponsor nach 20 Jahren lös­te kaum erwartete Aktivitäten aus: Agenten und Möchtegernagenten, Reiter und auch Veranstalter sahen die Chance, den Weltcup in ihrem Sinne zu ändern und zu kontrollieren. Die FEI sah sich etwas hilflos an der Seitenlinie, als vorerst das Konzept eines Einstunden-Weltcupprogramms mit 18 Reitern am Samstagabend durchgedrückt wurde. Eurosport war vorerst voll dabei, aber nicht zuletzt die Olympischen Winterspiele von 2002 reduzierten das Eurosport-Engagement mit den Direktübertragungen dras­tisch. Nach langen Diskussion kam man auf ein Neukonzept mit 38 Startern.

 

Nach der letzten Qualifikation für das Finale 1999 in Göteborg lagen drei Amazonen punktgleich auf dem letzten, dem 18. Qualifikationsplatz: Lesley McNaught (Schweiz), Alexandra Ledermann (Frankreich) und Meredith Michaels-Beerbaum (Deutschland). Wie drei Jahre zuvor für Malin Baryard suchten wir eine Lösung. Nach dem Reglement hatte sich Lesley Mc­Naught qualifiziert, dank besserer Einzelplatzierung in den Qualifikationen. Das in Dortmund konsultierte Weltcupkomitee entschied – mit den OK der Göteborger Veranstalter – alle drei Damen nach Göteborg einzuladen. Die drei kamen, ritten und platzierten sich alle unter den ers­ten zwölf. Lesley und Meredith teilten sich Platz sechs.

 

 

Zwei Jahre später, beim 23. Weltcupfinale 2001, wieder in Göteborg, erfuhren wir, dass Bologna, mit dem wir uns über die Austragung des Finals 2002 geeinigt hatten, einen Rückzieher machte. Einen Ersatz zu finden, war schwierig: die Zeit drängte, und in der Tat sah sich keiner der westeuropäischen CSI-Ws in der Lage, ihr Turnier so kurzfristig vom gewohnten Datum auf den April zu verlegen. Dazu kamen die zusätzlichen finanziellen Belas­tungen.

 

So wurde Leipzig Finalort

 

Zu jener Zeit hatten die deutschen Reiter begonnen, über ein neues Turnier in der Leipziger Messe zu schwärmen. Organisator war die bekannte Agentur «En Garde» von Volker Wulff. Erste Kontakte waren positiv, das einzig mögliche Datum (1. bis 5. Mai) war allerdings zwei Wochen später als gewohnt. Dies wurde akzeptiert und der 24. Weltcupfinal wurde zu einem Groß­erfolg. Otto Becker (Deutschland) gewann auf dem Schimmelhengst Cento, nachdem der Führende vor dem letzten Umlauf, McLain Ward, die Chance vergab, erster US-amerikanischer Sieger seit 1987 zu werden.

 

Im Jahr 2003, zum zweiten Mal in Las Vegas, war mein Abschied als Weltcupdirektor. Marcus Ehning (Deutschland) holte sich dort auf Anka seinen ersten von drei Siegen um den Weltpokal.

 

 

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