Nachtgedanken... Drucken
Geschrieben von: Dieter Ludwig   
Montag, 11. November 2019 um 20:06

Wassenberg. In der Schweiz wurde der vor ein ordentliches Gericht wegen angeblicher Tierquälerei zitierte Paul Estermann ins vorläufige Olympia-Aufgebot nominiert, der Voltigier-Weltcup findet keinen Finalort mehr, und wegen der Aufregung um den vom Gestüt Bonhomme ersteigerten Hengst hat ein absoluter Fachmann eine ganz einfache Erklärung…

 

Das letzte Wochenende, passend zum November triste, war nicht unbedingt der Knaller in der deutschen Reiterei. Und wenn dann die Frackträger im Viereck ebenfalls nicht unterwegs sind, läuft mehr als wenig für die noch verbliebenen deutschen Pferdesportinteressenten. Im Springen gab es das Weltcupturnier in Verona, wo vor acht Jahren genau der kanadische Olympiasieger Eric Lamaze seinen einmaligen Hengst Hickstead im Großen Preis durch einen Aortariss verlor. Bei den Deutschen in diesem Jahr gab es vor allem lange Gesichter. Sieger der Weltpokal-Konkurrenz wurde der beständige Brite Scott Brash auf Hello M`Lady (47.500 Euro Prämie), bester Deutscher: Christian Ahlmann aus Marl mit Clintrexo Z auf Rang 13.

Kein Wunder, dass sich die Medienhäuser in der Druckindustrie sowie TV- und  Radio-Anstalten vom Reitsport in Deutschland abwenden, Platz in den Gazetten und Zeit in den Hörfunkanstalten werden immer knapper, und es fehlen die entsprechenden Journalisten. mit Herz für den Reitsport. Da kann auch der Jan-Tops-Sender noch so gut von der Global Champions Tour live berichten, der deutsche Zuschauer will auf seinem Gerät bei ARD oder ZDF  Heroen sehen, nicht einmal unbedingt die eigenen, aber welche mit Charisma. Die im Springen müssen erst wieder geboren werden, auch in Deutschland. Nur in Erinnerung: Warum kennt man immer noch Fritz Thiedemann, Hans Günter Winkler, Alwin und Paul Schockemöhle aus dem Springen oder Dr. Reiner Klimke in der Dressur? Nur gut, dass es eine Isabell Werth gibt - und hoffentlich noch lange…

Der Schweizer Springreiter Paul Estermann wurde doch recht überraschend in das vorläufige Olympia-Aufgebot für die Spiele im nächsten Jahr in Tokio nominiert, und nicht wie erwartet mit einem Sternchen hinter dem Namen, dass ja noch etwas im Busch gegen ihn sei. Der Verband traut sich auch nicht und erteilt munter weiter Startgenehmigungen für ihn. Und so lautete meine Frage an den Schweizer Equipechef Andy Kistler: „Sehe gerade in Ergebnissen von Samorin, dass dort Paul Estermann munter mitreitet. Wie kann er eine Stargenehmigung erhalten haben bei diesen bewiesenen Beschuldigungen wegen Tierquälerei, mir hat jemand  (ein sehr bekannter Tierarzt, die Redaktion) auch noch Fotos geschickt von den geblisterten Vorderbeinen eines Estermann-Pferdes? In solchen Fällen müsste doch eine sofortige Sperre erlassen werden, oder habt ihr inzwischen andere Beurteilungen des Falles Estermann und der durch Schläge maltraitierten Stute ?“  Antwort von Andy Kistler: „Wir hätten auch so gerne, wenn die Sache Paul Estermann endlich erledigt wäre. Es dauert einfach zu lange und ist eine große Belastung. Wir können aber wie bisher nur verweisen auf die Stellungnahme des SVPS (Schweizer Verband, d.Red) vom 18.3.2017: Es gilt bis zur vollständigen Aufklärung des Falls durch die zuständigen Behörden die Unschuldsvermutung. Wenn wir anders handeln würden, würden wir die erwähnte Unschuldsvermutung verletzen.“

Davor berichteten Schweizer Medien, darunter die PferdeWoche, die brachte:  Wie die Staatsanwaltschaft Sursee in einer Medienmitteilung publiziert, hat sie den 56-jährigen Championatsreiter Paul Estermann wegen mehrmaliger Tierquälerei verurteilt. Die Untersuchungen dauerten zweieinhalb Jahre. Laut der Bouleverardzeitung „Blick“ sei der Beschuldigte nicht geständig. Er war bereits 1995 unangenehm aufgefallen. Estermann, zuletzt bei der Europameisterschaft in Rotterdam in der Schweizer Equipe, hat Widerspruch gegen den Strafbefehl erhoben. Der Fall wird nun vor dem Bezirksgericht Sursee im Kanton Luzern verhandelt. Entsprechend ist das zunächst gefällte Urteil nicht rechtskräftig,, und es gilt nach wie vor die Unschuldsvermutung.

Die Staatsanwaltschaft hat die Strafuntersuchung abgeschlossen. Sie geht davon aus, dass der Beschuldigte im April 2016 im heimischen Stall in Hildisrieden eine Stute – Castlefield Eclipse (d.Redaktion) - mehrmals mit einer Dressurpeitsche wissentlich und willentlich heftig und übermäßig gegen die Flanken und den Unterbauch schlug. Damit wollte er ein besseres Trainingsergebnis erzielen. Aufgrund der Peitschenhiebe wurde das Pferd verletzt. Zudem soll der Beschuldigte in analoger Weise auch ein zweites Pferd derart geschlagen und verletzt haben.

Die Staatsanwaltschaft Sursee hat die Untersuchung mit einem Strafbefehl abgeschlossen und den Beschuldigten wegen mehrfacher Zuwiderhandlung gegen das Tierschutzgesetz (Tierquälerei) mit einer bedingten Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 160 Franken und einer Buße von 3600 Franken bestraft. Zudem muss der Springreiter die Verfahrenskosten von rund 1500 Franken sowie seine Anwaltskosten bezahlen. Paul Estermann hat laut der Medienmitteilung gegen den Strafbefehl Einsprache erhoben. Somit wird das Bezirksgericht Willisau (Kanton Luzern) den Fall neu untersuchen und beurteilen. Der Schweizerische Verband für Pferdesport (SVPS) verweist in einer ersten Stellungnahme auf die Unschuldsvermutung. «Solange Paul Estermann nicht rechtskräftig verurteilt ist, gilt diese. Sollte er vor Gericht schuldig gesprochen werden, wird der SVPS weitere Maßnahmen prüfen.»

Und den Weltverband FEI interessiert das anscheinend alles nicht…

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In den letzten 30 oder gar 40 Jahren fand keine Sportpferdeauktion an solches Echo wie die der Hannoveraner in Verden vor zwei Wochen. Im Internet, wo ja jeder loslassen kann, was er so denkt, weiß oder auch nicht weiß, wurde verbal losgeballert wie an einer Schießbude auf der Kirmes. Grund war der für 1,89 Millionen Euro vom Gestüt Bonhomme ersteigerte zweijährige Hengst Cadeau Noir mit Donnerhall-Blut. Das Gespann Paul Schockemöhle/ Andreas Helgstrand wollte den Rappen ebenfalls kaufen, fand nach eigener Behauptung jedoch kein Gehör, so erhielt Rebecca Gutman den Zuschlag. Danach empörten sich Schockemöhle/ Helgstrand. In ihrem Statement heißt es u.a. „nach unserem Verständnis bot Frau Gutman 1,89 Millionen, und wir erhöhten das Gebot sofort auf 1,9 Millionen. Der Auktionator hat erneut unser Gebot nicht berücksichtigt und, ohne Kontakt mit uns zu suchen, das Pferd direkt Frau Gutman zugeschlagen“. Der Auktionator wurde in den Tagen danach von seinem Amt beim Hannoveraner Verband beurlaubt.

Wie es wirklich war und das Warum, wird irgendwo im Geheimen bleiben. Ein Beobachter vor Ort, ein Züchter mit Leib und Seele sowie Kenner, der weiß, wie Auktionen laufen, sagte nur, Helgstrand sei bekannt dafür, dass er steigere, doch dann käme das Geld nicht gleich über den Tisch. Der Däne versuche den Preis am Ende zu drücken, dass er nämlich am ersteigerten Pferd an allen möglihen und unmöglichen Körperteilen  etwas zu bemängeln habe. Bei den Gutmans aber sei man eben von vornherein sicher gewesen, dass der Betrag in die Kasse komme - und zwar sofort.

Die Voltigierer sind Hochleistungssportler und gehörten schon längst nach Olympia, denn dieses Kunstturnen auf einem galoppierenden Pferd erfüllt den olympischen Gedanken von Coubertin absolut. Voltigierer sind echte Amateursportler. Olympisch wurden sie nicht, und einen Ort für ein Finale um den Weltcupund auch keine entsprechenden Qualifikationen dazu haben sie auch nicht mehr für nächstes Jahr, 2020. Und dabei begann die Weltcuptour erst 2010. Dreimal hintereinander wurde das Finale in der Dortmunder Westfalenhalle ausgerichtet, Turnierchef Dr. Kaspar Funke sagt, man habe nun mal Abstand genommen, er erklärt auch warum: „Das Publikum für diese Disziplin ist ganz speziell und nicht so leicht kompatibel mit Besuchern eines normalen Reitturniers.“ Auch sei der Aufwand größer, „man braucht die entsprechenden Wettbewerbsrichter, andere Tierärzte und zusätzlich Stewards“.

Schade, das haben diese großartigen Sportler eigentlich nicht verdient…

 

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