Paul Estermann - nur gewiefte Juristen können ihn retten... Drucken
Geschrieben von: Peter F.Cronau/ DL   
Donnerstag, 21. November 2019 um 13:02

Wangen/ Allgäu. In der Schweiz begann vor einem ordentlichen Gericht das Verfahren gegen den Springreiter Paul Estermann wegen angeblicher Tierquälerei. Das Urteil wird in den nächsten Tagen erwartet. Dazu ein Kommentar des früheren Präsidenten der Veterinärkommission beim Internationalen Offiziellen Reit- und Fahrturnier (CHIO) von Deutschland in Aachen, Dr. Peter F. Cronau, wo Estermann ebenfalls in „Erscheinung“ getreten war.

 

Als jahrelang praktizierender Tierarzt im Sportpferdebereich, als langjähriger Präsident der Veterinärkommission des CHIO in Aachen und Präsident des Veterinärkommittees der FEI sind mir natürlich viele Ereignisse um das Pferd und den Pferdesport sehr vertraut. So war ich auch 1995 in dem Fall „Estermann“ persönlich involviert.

Der Gesetzgeber sieht vor, dass sie Probleme, die in der Ausübung des Pferdesports geschehen, allein der Sportgerichtsbarkeit überlassen. Sofern der Sport unter dem FEI-Reglement (dem Internationalen Verband, FEI, d.Red.) verläuft, liegt die Zuständigkeit dort. Nach Durchlaufen der ersten Instanz steht einem Betroffenen noch die zweite und letzte Instanz der CAS (Internationaler Sportgerichtshof) offen. Der Gang vor ein ordentliches Gericht ist bisher erfolglos geblieben.

Das lange Ringen von zwei der besten Deutschen Reiter, sich gegen die Zuständigkeit des Sportgerichts (Athletenvereinbarung) unterwerfen zu müssen, in dem ihnen die Möglichkeit versagt wird, ein ordentliches Gericht anzurufen, hat immer wieder zu Störungen geführt. Es geht hier um die Kadermitgliedschaft und Startmöglichkeiten auf Championaten, bei Nationenpreisen und Olympischen Spielen.

Auf einer ganz anderen Schiene läuft der Tierschutz. Der Paragraph 1 im Deutschen Tierschutzgesetz ist eindeutig: “Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen“. Vergeht sich jemand gegen diesen Paragraphen, begibt er sich zwingend auf das Interessensfeld des Gesetzgebers. Das Schweizer Tierschutzgesetz definiert den Schutz aber auch die Würde des Tieres ähnlich. Dabei spricht das Gesetz von „Schmerzen, Leiden, Schäden und Angst“.

Im Fall von Paul Estermann aus dem Jahr 1995 ist meine Anklage wegen Vergehens gegen das Tierschutzgesetz und Tierquälerei an die Staatsanwaltschaft am 18.07.1995 eingegangen – also unmittelbar nach dem Ende des CHIO. Sie wurde erst am 14.Mai 1996 - also etwa ein Jahr später von der Staatsanwaltschaft Aachen beantwortet (Original liegt vor). Die Staatsanwaltschaft bemerkte, „dass das Tatortprinzip in Deutschland gelte, man könne aber auch das Verfahren an die Behörden des Heimatlandes zur weiteren Verfolgung abgeben, was hier nicht geschehen ist“. Vom Staatsanwalt musste ich auch zur Kenntnis nehmen, dass „ es sich hier nicht um eine Sache schwerer Kriminalität handele, der personelle Aufwand, nämlich den Beschuldigten, irgendwo zu erreichen würde dem Schuldvorwurf nicht gerecht werden, die Tat würde erst in fünf Jahren verjähren.“

Die Angelegenheit 1995 beinhaltet zwei Skandale: Das Verhalten des Herrn Paul Estermann einerseits und andererseits das wachsweiche Verhalten der Aachener Staatsanwaltschaft und damit in Sachen Tierschutz die Blamage des Deutschen Rechtsstaates.

Der Fall Paul Estermann in der Schweiz, der sich gemäß Aussagen des Schweizer Equipechefs hinter der Unschuldsvermutung versteckt, bewegt die Medien und nicht nur Tierfreunde sondern auch die gesamte Pferdewelt und – wie sollte es auch anders sein – die Reitsport-Medien. Ich bin kein Richter und auch kein Jurist, aber die Tierärzte sind die Advokaten der Tiere. Keine andere Berufsgruppe ist der Gesundheit und dem Tierschutz so intensiv verpflichtet wie der Tierarztberuf. Ich bin in Kenntnis der Bilder des verletzen Pferdes. Ich kann nur sagen, dass mir die Worte fehlen und wünsche mir, dass die zweite Instanz das gerechte Urteil im Sinne der Kreatur fällen wird. Dass Herr Estermann mit Haut und Haaren sich wehrt, ist nur aus seiner prekären Lage heraus zu verstehen. Ich möchte zum heutigen Zeitpunkt, wo viele auf das Urteil vom Bezirksgericht warten, Herrn Estermann geraten haben, wenn wirklich die Kausalität die Evidenz der Tat existiert, kleine Brötchen gebacken zu haben.

Wenn der Tatbestand schlüssig ist, kann aktive Reue zumindest sich auf das Strafmaß auswirken. Herrn Estermann wäre anzuraten gewesen, wenn er argumentiert hätte, „ ich habe Sch….. gebaut, tut mir schrecklich leid, mir ist der Gaul durchgegangen“. Das würde den grausigen Sachverhalt nicht ändern, aber den Stil beeinflusst und eine gewisse Compliance in der Sache demonstriert haben, vom Strafmaß einmal ganz abgesehen.

Damit alle Interessenten erfahren, wovon wir reden, erlaube ich mir, nur ein Foto während der Veterinär-Kontrolle 1995 von dem Pferd „Piquet“, geritten von Herrn Paul Estermann, beizufügen. Es handelt sich um eine Kopie des Originals.

„Honi soit qui mal y pense“ ???  In Deutschland nicht justitiabel?

Dr. med. vet. Peter F. Cronau

 

Kommentar überflüssig...

 

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