Daniel Deußer - Einer kommt durch... Drucken
Geschrieben von: Dieter Ludwig   
Montag, 21. April 2014 um 17:39

Lyon. Daniel Deußer war vom Talent her immer schon einer, aber er musste sich ganz alleine nach oben durchkämpfen. Sein erstes ganz großes internationales Ziel hat er in Lyon erreicht: Weltcupgewinner auf dem Schimmel-Wallach Cornet d`Amour.

Innerhalb weniger Wochen erfüllten sich seine Hoffnungen und Träume. Er wurde 2013 in Balve Deutscher Meister der Springreiter, startete erstmals in der deutschen Equipe beim CHIO von Deutschland in Aachen und gewann in Herning Team-Silber, alles auf dem Schimmel-Wallach Cornet d`Amour: Daniel Deußer (32). Nun an diesem 21. April 2014 erklomm er den nächsten sportlichen Gipfel: Er wurde Weltcupsieger in Lyon. Ohne einen einzigen Fehler nach drei Durchgängen auf Cornet d`Amour.

 

Die Anfänge des Springreiters Daniel D.

 

Der Vater ritt, die beiden Onkel, die Mutter – aber Daniel Deußer wurde der Beste und Größte der Familie aus dem Hessenort Hünfelden-Kirberg. Und er war besessen von seinem Sport, wie sich sein Entdecker Siegfried Herröder noch gut erinnert.

 

Er ist längst anerkannt wegen seines Talents, wegen seines sauberen Charakters, wegen seines Könnens, Bundestrainer Otto Becker mag ihn, und auch der Springreiter-Leitwolf Ludger Beerbaum lobt ihn. Lob allein reicht nicht, um ganz nach oben zu kommen. Und wenn einer „nur“ Springreiter ist ohne goldene Wasserhähne im Haus wie bei ihm, wird der Weg auf der Himmelsleiter noch steiniger. Er hatte immer zwei Wünsche, einmal eine internationale Meisterschaft für Deutschland zu reiten, und dazu „einen Pferdebesitzer zu haben, der für mich ein Pferd hält – und nicht auf den Markt wirft.“ Auch das hat sich erfüllt. Der Nachkomme von Cornet Obolensky wird nicht verscherbelt. Das wurde Daniel Deußer versprochen.

 

Siggi Herröder – sein Entdecker

 

Der wahre Entdecker von Deußer ist Siegfried Herröder (Büttelborn), der hat ihn weitergereicht an Franke Sloothaak, „bei ihm habe ich das dressurmäßige Ausbilden von Springpferden erlernt.“ Von ihm habe er auch Geduld mitgenommen, Gelassenheit, „Franke bleibt immer ruhig.“  Sloothaak, Doppel-Weltmeister von 1994, zweimal Team-Olympiasieger, kam nach seinem Umzug von Holland nach Deutschland zu Alwin Schockemöhle nach Mühlen, und der war wiederum – wie früher alle Springreiter - fit auch in der Dressur, „weil eben ein Springpferd ebenfalls immer unter Kontrolle des Reiters sein soll“ (Daniel Deußer). Siggi Herröder über seinen ehemaligen Schüler: „Top-Charakter, fleißig, der hat nie nach Freizeit gefragt, der wollte nur reiten, reiten, reiten…“

 

Bei Franke Sloothaak war Deußer, der mit Pferden aufwuchs und nach dem Einjährigen im Gymnasium den Beruf eines Reiters ergriff, viereinhalb Jahre, „eine Superzeit“, sagt er. Von ihm habe er unglaublich viel abschauen können, „von ihm lernte ich, dass man mit Pferden nicht sprechen kann, aber kommunizieren. Man glaubt ja gar nicht, auf welche wunderbare Weise man sich mit Pferden auf eine ganz andere Art dennoch unterhalten kann.“ Er wurde in der Sloothaak-Zeit Zehnter der Deutschen Meisterschaft und durfte erstmals in Aachen starten beim CHIO, „ich war selig“.

 

Über Herröder wiederum lief die Verbindung zu  Jan Tops, der einen neuen Bereiter suchte, nachdem Ex-Europameister Rolf-Göran Bengtsson aus Schweden den Job in Valkenswaard geschmissen hatte und auch der Schweizer und spätere Olympiasieger Steve Guerdat gegangen war. Franke Sloothaak habe damals gesagt, wenn er in seinem Alter wäre, würde er die Chance auch ergreifen…So ging Daniel Deußer nach Valkenswaard, er sagt, er habe den Schritt nie bereut, „denn ich hatte bei Jan gute und auch genügend Pferde zu reiten, hatte einen guten Job, konnte auf Super-Turniere fahren wie die Global Champions Tour“, und er sagt: „Wir haben uns in Güte getrennt. Und wenn wir uns sehen, dann reden wir auch miteinander.“ Das können andere ehemalige Bereiter von Jan Tops so nicht sagen.

 

Seit einem Jahr bei „Stephex“

 

Am 30. April 2012 beendete er nach sechseinhalb Jahren den Kontrakt mit Tops und wechselte in den Stall „Stephex“ von Stephan Conter in die Nähe von Brüssel. In Valkenswaard war er zuletzt nur noch die Nummer zwei hinter der ebenfalls zur Weltelite zählenden  Tops-Ehefrau Edwina Alexander aus Australien, bei Stephex ist er die Nummer 1. Deußer war wahrlich kein schwächerer Springreiter, doch eben in schwächerer Position im Stall. Das wusste er, und so sagte er  Jan Tops ganz ehrlich, sollte er die Möglichkeit haben zum Aufbau eines eigenen Stalles oder eine bessere Möglichkeit zum Weiterkommen, werde er diese Chance ergreifen. Tops habe zwar herumgemuffelt und wollte ihn halten, doch Deußer ging weg. Andere hätten ihn auch gerne gehabt, „aber“, so sagte mal der deutsche Bundestrainer Otto Becker, „der Daniel will ja große Turniere reiten, dazu braucht er auch die entsprechenden Pferde – und die kann ihm nicht jeder zur Verfügung stellen.“

 

Daniel Deußer, der nach Ende der Sattelkarriere als Trainer und Turnierveranstalter arbeiten möchte, fasste den richtigen Entschluss mit dem Engagement im Stall „Stephex“. Innerhalb weniger Wochen stand er bei großen Turnieren meist ganz vorne. In Spruce Meadows beim 5-Sterne-CSIO von Kanada drehte er auf  Cornet d`Amour als einziger im Preis der Nationen mit bekannt höchstem Schwierigkeitsgrad zwei fehlerfreie Runden, im März 2013  in Wellington/ Florida ging der Schimmel-Wallach beim CSIO der USA im Preis der Nationen ebenfalls ohne Abwurf,  wenige Tage später siegte er in Wellington im mit umgerechnet 230.000 Euro dotierten 5-Sterne-Grand Prix, Mitte Mai in Hamburg belegte er hinter Christian Ahlmann auf Codex One in der Konkurrenz der „Global Champions Tour“ den zweiten Platz, beim römischen CSIO im Park der Villa Borghese von Rom ging Cornet d`Amour im Preis der Nationen – zweiter Rang der Superliga – ebenfalls ohne Makel, und dann folgten vor allem Balve, der CHIO von Deutschland in Aachen, wo er wegen eines Zeitfehlerpunktes das Stechen im Großen Preis verpasste und Vierter wurde, und dann die Europameisterschaft in Dänemark. Am Tag nach dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft in Balve sagte er: „Ich fand es schade um Rolf Moormann, der drehte auch bis zum Stechen mit Acorte fehlerlose Runden – am Ende war er Vierter und hatte nichts. Das ist grausam.“

 

Aber es gab auch dunkle Stunden…

 

 

So erregt sieht man Anwälte recht selten. Doch Andreas Kleefisch war es. Und der schoss Sätze wie mit einem Revolver ab: „Man wollte ihn bewusst köpfen, alles ist geradezu perfide und pervers.“ Der Münsteraner Advokat meinte seinen Mandanten Daniel Deußer. Dem war in einem mündlichen Urteil vom 24. April 08 fast nach Gutsherrenart durch die dreiköpfige Disziplinarkommission der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) für fünf Monate mit sofortiger Wirkung eine Turnierlizenz verweigert worden, was einem Arbeitsverbot gleichkam. Widerspruch wurde nicht gestattet. Kleefisch: „Die Kommission spielte sich auf als Staatsanwalt, Richter und Vollstrecker, das ist eine grobe Rechtsverletzung."

 

In einem Eilantrag hob das Landgericht Münster die Sperre  auf unter Androhung eines Bußgeldes in Höhe von 100.000 Euro bei Missachtung des Gerichtsbeschlusses. Der Schweizer Anwalt Dr. Ulf Walz, Experte auf internationaler Ebene in Dopingangelegenheiten: „Strafentscheidungen, beispielsweise eines Fußball-Schiedsrichters, gelten als Spielregelentscheide, Sanktionen durch Verbandsfunktionäre jedoch am bekannten Grünen Tisch sind in der Regel gerichtlicher Überprüfung zugänglich.“

 

Ein M-Springen mit Folgen

 

Angefangen hatte alles in den USA 2007. Noch ehe der Hesse, der auch englisch, holländisch und ein bisschen französisch spricht, in Las Vegas auf dem Hengst Air Jordan Zweiter wurde im Weltcup-Finale hinter dem Schweizer Beat Mändli, ritt er ein paar Wochen zuvor in Florida im Rahmen des bekannten Winterfestivals auf der Stute Pristinna ein normales M-Springen zum Eingewöhnen. Der Dopingtest war anschließend positiv. Die Analytiker filterten fünf Pikogramm eines verbotenen Stoffes heraus, ein Bereich mit zwölf Nullen hinter dem Komma. Die nicht erlaubte Substanz des Beruhigungsmittels Request 2 steckte in Ergänzungspillen, die vom Stalltierarzt  dem Pferd wegen Flugstress` gegeben worden waren. Auf der Packung stand u.a., das Naturprodukt wäre in wenigen Tagen abgebaut.  Daniel Deußer: „Noch auf dem Flug zur Verhandlung vor dem US-Verband in Kentucky schwor der Veterinär, nichts gewusst zu haben.“

 

Der Reiter als Verantwortlicher nach allgemein gültigem Sportrecht wurde zu einer Sperre von drei Monaten - ausschließlich für Turniere in den USA - verurteilt, obwohl die Kommission einräumte, eine Leistungsbeeinflussung habe das Mittel nicht bewirkt. Die Strafe endete am 31. März 2008. Deußer hatte zudem eine Buße über 2.000 US-Dollar zu entrichten und die Kosten des Verfahrens zu tragen, er nahm die Buße an.

 

FN begann eigenes Verfahren

 

Die deutsche FN ihrerseits zettelte aber zusätzlich ein Verfahren gegen Deußer an. Die erste Disziplinarkommission  entzog dem Berufsreiter für fünf Monate die Turnierlizenz für das In- und Ausland. Die einzelnen Turnierveranstalter wurden zudem angewiesen, Deußer keine Starterlaubnis zu erteilen. Gegen den mündlichen Beschluss, so in der Verkündung, könne kein Rechtsmittel eingelegt werden.

 

Kleefisch hatte jedoch mit einem Eilantrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vor dem Landgericht Münster Erfolg. Gegen die  FN wurde angeordnet (Aktenzeichen 11 O 139/08), den Beschluss vom 24. März 2008 bis zur Entscheidung in der Hauptsache eine Jahreslizenz für 2008 nicht mit der Begründung zu versagen, es liege ein wichtiger Grund im Sinne des § 20 Ziffer 1 LPO wegen Dopingvergehens in Zusammenhang mit dem Pferd Pristinna während der Wellington Masters Horse Show vor. Dem Antragsgegner wurde bei Vermeidung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 100.000 Euro untersagt, den Antragsteller an der Teilnahme an nationalen und internationalen Reitturnieren zu hindern, soweit dies auf den Beschluss vom 24.04.2008 gestützt werde. Die Kosten dieses Verfahrens wurden dem Antragsgegner auferlegt. Der Streitwert wurde auf 100.000 Euro festgesetzt. Der Antragsgegner wurde außerdem verpflichtet, die nationalen und internationalen Sportverbände sowie die nationalen und internationalen Turnierveranstalter davon in Kenntnis zu setzen.

 

Forderung an FN: Über 100.000 Euro

 

In einer weiteren Verhandlung vor dem Landgericht Dortmund am 7. August wurde das Urteil des OLG Hamm aus dem Jahre 2010 bestätigt. Danach war die Verweigerung einer Lizenz für Daniel Deußer rechtswidrig. Die deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) als unterlegene Partei sieht sich einer Schadensersatzforderung von weit über 100.000 € an Daniel Deußer und Jan Tops gegenüber, dazu kommen die Kosten des Verfahrens.

 

Das Gericht schlug einen Vergleich vor. Die obsiegende Partei erklärte sich mit 130.000 Euro einverstanden, das lehnte die deutsche Reiterliche Vereinigung ab.

Mehr als 20.000 € sei nicht drin. Damit zeigte sich die Gegenpartei wiederum nicht einverstanden. Begründung: Daniel Deußer habe aufgrund der Lizenzverweigerung an 84 Tagen nicht starten können, anhand des Turnierkalenders und geplanter Nennungen wären im Idealfall 750.000 Euro an Gewinngeldern möglich gewesen. Das Ende des Rechtsstreits steht weiter aus.

 

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