Vor 20 Jahren gewann Michael Freund für Deutschland den bisher einzigen WM-Titel der Viererzüge Drucken
Geschrieben von: Dieter Ludwig   
Freitag, 01. August 2014 um 11:15

Dreieich. Michael Freund gewann vor 20 Jahren bei den 2. Weltreiterspielen 1994 in Den Haag als erster Deutscher die Weltmeisterschaft der Vierergespanne, er blieb der bisher einzige Champion in dieser Disziplin, vor zehn Jahren wurde ihm der zweite Titel regelrecht bösartig genommen…

 

 

In wenigen Wochen beginnen in der Normandie die siebten Weltreiterspiele seit 1990 in Stockholm, auch mit Gespannfahren der Viererzüge. Michael Freund als bisher einziger deutscher Titelträger auf dem Kutschbock ist dort auch vertreten, als Coach, nicht für Deutschland, für die USA. Im deutschen Verband war er anscheinend einigen zu unbequem, in den USA hat er das Sagen in allen Disziplinen, vom Pony bis zum Großpferd, überall dort, wo sportlich angespannt wird. Man hätte ihn auch in Deutschland durchaus brauchen können, einen besseren Gespannfahrer hatte die Bundesrepublik bisher nicht.

 

Er war wirklich ein Glücksfall für den deutschen Fahrsport. Michael Freund (59)  holte im deutschsprachigen Raum diese Disziplin aus einer Nische, er brachte das Fahren dem Publikum nicht nur nahe, er begeisterte mit seiner freundlichen, nie besserwisserischen Art. Er ging immer auf die Menschen zu, er versteckte sich nie. Er gab Antworten auf alle Fragen. Freund, der inzwischen mit seinem Bruder auf dem Christinenhof in Dreieich einen Ausbildungsstall (www.christinenhof.com)  betreibt, schenkte dem Gespannfahren jene gewisse Leichtigkeit, die nicht erlernbar ist, nicht begründbar, hinter der jedoch unsichtbar Talent, Fleiß und Disziplin stecken. Seine Kunst besteht nach wie vor darin, alles wunderbar spielerisch und leicht aussehen zu lassen.

 

Abschied beim Lieblingsturnier – mit Team-Gold

 

Fünfmal gewann er den Weltcup, 13 mal war er deutscher Meister, mit zweifachem Gold – in der Einzel- und Teamwertung - kehrte er von den zweiten Weltreiterspielen 1994 in Den Haag zurück, am 10. Januar 2011 stellte er so nebenbei auch noch einen „Weltrekord für das Buch der Rekorde“ auf, er wendete nämlich im Rahmen des Hallenturniers in Gahlen mit dem knapp elf Meter langen Viererzug-Gespann in einer symbolisierten nur 5,40 m breiten Sackgasse.

 

Nach den Weltreiterspielen 2006 in Aachen beendete er seine große und einzigartige aktive Laufbahn. Mit Teamgold. 40.000 Zuschauer in der Aachener Soers bescherten ihm stilvoll einen ergreifenden Abschied, als er mit Ehefrau Sonja und Sohn Marco als seinem sportlichen Erben letztmals mit einem Gespann an den Rails des Hauptstadions entlang zog, die Goldmedaille am Hals, Tränen in den Augen. Ein großartiges Kapitel des Fahrsports war zu Ende geschrieben, natürlich dort, wo er 30 Jahre lang am liebsten anspannte, in der Aachener Soers.

 

Statt USA-Reise – lieber ein Pferd…

 

Seit Jahrzehnten ist der Name Freund ein Begriff im Fahrsport. Alles begann mit Vater Friedrich. Als der die Bäckerlehre als Bester vor der Innung abschloss, unterbreitete ihm dessen Vater Michael als zusätzliche Belobigung folgendes Angebot: Ein Pferd oder eine Reise nach New York. Eine Flug in die USA vor 80, 90 Jahren ins Land der damals wahrlich unglaublichen Möglichkeiten, von der Millionen nur zu träumen wagten – Friedrich Freund jedoch sagte: „Ich nehme das Pferd.“

 

Mit Pferden lieferte die Bäckerei Freund in Neu-Isenburg täglich die Backwaren aus, Pferde wurden nicht nur gefahren, auch geritten. Und in der Freizeit spannte man die Pferde für Turniere vor die Kutsche. Sohn Michael begann mit Dressur- und Springprüfungen. Er wurde im Verein Neu-Isenburg gar Clubmeister in der Dressur. Im Springen sei er eher schlecht gewesen, sagt er. Das Fahren zog ihn an. Er wurde zunächst Beifahrer und Pfleger bei seinem älteren Bruder Fred, er war verantwortlich auf Turnieren für die Pferde, aber auch die Ausrüstung. Nach der Mittleren Reife verordnete der Vater zunächst eine kaufmännische Ausbildung, Fahren hatte Hobby zu bleiben.

 

Dem lachenden Kutscher verging das Lachen

 

Dem ewig „lachenden Kutscher“ schien nicht immer die Sonne, wie vermutet. Sprichwörtlich durch die Hölle musste er 2004. Er war 50 geworden, dazu Einzel-Weltmeister für Viererzüge im ungarischen Kecskemet. Mit über 200 Gästen feierte Micha Freund am 2. Oktober 2004 nachträglich seinen Geburtstag und das zweite Einzelgold nach 1994. Fünf Tage später dann ein Telefonat aus Warendorf. Der damalige Abteilungsleiter Reinhardt Wendt vom Deutschen Olympiadekomitee  war am Apparat, die Dopingprobe bei seinem Pferd Mary sei positiv gewesen, sagte er, gefunden habe man ein Beruhigungsmittel. Michael Freund damals: „Ein Beruhigungsmittel bei Mary ? Ein Witz. Wenn, dann hätte die Stute eher ein Aufputschmittel gebraucht...“ Dann begann der vielen anderen auch bekannte Ringeltanz mit den verschiedenen juristischen Instanzen. Michael Freund griff ebenfalls an.

 

Gefunden worden war im Urin und Blut von Mary ein baldrianähnlicher Stoff. In einem aufwendigen Kraftakt auch finanzieller Art vermochte Micha Freund nach nervenaufreibenden Monaten den Beweis anzutreten, dass Mary beim Grasen auf einer Weide des WM-Geländes in Ungarn einen Baldrianstoff über dort wachsende Pflanzen aufgenommen hatte. Nach verschiedenen Anhörungen wurde er vom juristischen Komitee des Weltverbandes (FEI) freigesprochen. Er durfte Weltmeister bleiben. Doch dann das schier Unglaubliche. Die von Freund geschlagenen Zoltan Lazar aus Ungarn und der Niederländer Ysbrand Chardon legten über ihre nationalen Föderationen Einspruch ein und zogen vor das höchste sportliche Gericht, Court of Arbitration for Sport, kurz: CAS. Die FEI kuschte, buckelte, statt Kreuz zu zeigen, hatte keine Einwände, dass das eigene Urteil gekippt worden war.

 

Michael Freund verlor den Weltmeistertitel, wurde aber nicht von der FEI bestraft. Er war am Ende der ehrliche „Champion ohne Medaille“. Ein weiteres Trauerspiel mehr seitens der FEI.

 

Irgendwann später ohne großes Aufsehen wurde dem Ungarn Lazar die Goldmedaille und dem Holländer Chardon die Silbermedaille übergeben. Dieses Unrecht wird Freund sein Leben nie vergessen. Geschämt haben sich die beiden sicher nicht, sonst hätten sie die Medaillen verweigert…Michael Freund feiert inzwischen große Erfolge als Coach der US-Amerikaner.

 

 

 

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