Hugo Simon - oder reitet und reitet und reitet... Drucken
Geschrieben von: Dieter Ludwig   
Sonntag, 11. Januar 2015 um 15:21

Hugo Simon (Mitte) mit seinen Freunden Michael Ritter (links) und Siegfried Nied in einer Pause an seinem 65. Geburtstag in den Rocky Mountains

(Foto: privat)

Weisenheim am Sand. Es könnte John Wayne sein, der da irgendwo in der Abendsonne in den Weiten Nordamerikas mit hingegebenem Zügel der Abendsonne entgegen reitet, - oder Hugo Simon. 72 war er  bereits, Ende Januar steht er ebenfalls als einer der Stars auf der Teilnehmerliste des internationalen Turniers bei Gaston Glock unweit von Villach am Wörthersee.

 


Er ist in jeder Beziehung anders als andere, vor allem in seiner Branche. Er ist 72, da spüren die früheren Konkurrenten längst jeden Knochen, die Gelenke schmerzen, und der Rücken ist meist krumm. Nicht so bei Hugo Simon. Der geht noch genauso flott durch seine Anlage in Weisenheim am Sand wie vor 30 Jahren. Und wehe, es kommt einer nicht mit dem Tempo mit, vor allem nicht ein Bewerber um einen Job. Und noch schlimmer, bückt er sich nicht nach einem Besen, der da ganz gezielt auf die Stallgasse geworfen wurde… So einer ist direkt durchgefallen. Wie gesagt, Hugo Simon ist eben anders.

 

Echte sentimentale Regungen zeigte er fast nie, oder nur im Verborgenen, wie bei der Verabschiedung seines Ausnahme-Wallachs E.T. und nun zuletzt am 5. Oktober letzten Jahres. Nach dem Sieg mit C.T. im Großen Preis von Wiener- Neustadt gewonnen, „da hatte ich wirklich erstmals bei einem Turnier Tränen in den Augen während der Siegerehrung.“ In diesem Alter gewann bisher noch kein Springreiter auf solchem Niveau einen Grand Prix. Er bekam einen Pokal von unglaublicher Größe, in der Hauptfarbe rot, die ist auch die Lieblingsfarbe des Hugo Simon.

 

 

Er hat noch keine grauen Haare, und man gkaubt, das Alter perle an ihm ab wie Wasser auf einer Ölhaut. Er reitet weiter und weiter. Hugo Simon ist ein besessener, getrieben vom Springreiten, verrückt für viele, und dennoch immer überlegt, nett und unerbittlich, immer unruhig, so, als gäbe es für ihn keinen Morgen und keinen Abend, er ist einer für die Ewigkeit, er hat kein Zeitgefühl mehr, ob er aufhören solle oder nicht. Er kann nicht, er will nicht. Schade, dass er sein Können und sein Wissen nicht als Lehrer wieter gibt, er könnte es, will aber nicht.

 

Er ist der Älteste seiner Zunft auf diesem Level. Sein Zuhause ist Weisenheim am Sand nicht weit von Mannheim, in der Pfalz, doch er reitet für Österreich seit 1972. In der Alpenrepublik wollten ihn schon einige als Kandidaten für den Posten eines Präsidenten des nationalen Verbandes vorschlagen, hat er abgelehnt.

Auch international war er der ganz große Star, weil er immer unverfälscht auftrat, auch wenn er sich in Lederhosen blicken ließ. Als er während der Olympischen Spiele 1992 in Barcelona 50 wurde, übertrug ein amerikanischer Sender die Fete live in die USA, und da hatte er mit der Austria-Equipe noch kein Silber im Real Polo Club de Barcelona gewonnen.

 

Nie zuvor in der langen Geschichte dieser einst nur dem Adel und den Offizieren vorbehaltenen Reitdisziplin konnte sich bisher ein Springreiter in diesem Alter so lange oben halten.

 

„Reite nicht mehr für Asche...“

 

Vorgehabt hatte er mal, mit dem großartigen Wallach E.T. auch selbst von der Bühne abzutreten. Den hat er in einer stimmungsvollen Atmosphäre vor etwas mehr als zehn Jahren beim „Fest der Pferde“ in der Wiener Stadthalle vom Sport verabschiedet. Den Hannoveraner Fuchs stellte er auf die Weide, er selbst machte weiter. Er sagt: „Ich reite, solange ich selbst Spaß habe, solange die Zuschauer mich sehen wollen.“ Und: „Der Unterschied zwischen den anderen und mir ist doch ganz einfach der: Ich reite nicht mehr um Asche, ich reite nur noch fürs Publikum.“ Gesagt am 3. Januar 2004 in Neumünster, am nächsten Tag gewann er auf E.T. den Großen Preis.

 

Asche, wie Geld in der Branche genannt wird, hat er zur Genüge, allein E.T. sprang - ohne Autos und andere Ehrengaben - an die 3,6 Millionen Euro ein, auch ein Rekord für ein Springpferd. Und er hatte auch sonst investiert, in kleinere Supermärkte. Hugo Simon wusste immer, wie hart man für sein Geld arbeiten muss. Er hat seine Herkunft nicht vergessen. Aber er sagt nun auch: „Wenn ich mal keine Lust zum Reiten habe, dann setze ich mich auch gerne hin, trinke ein Bier und einen Schnaps.“ Und er sagt: "Manchmal unterhalte ich mich mit merinem besten Sponsor. Wenn der meine, das oder jenes Turnier lassen wir aus, dann richte ich mich danach..." Sein bester Sponsor heißt: Hugo Simon.

 

Hugo Simon, der in der Dressur früher gegen Josef Neckermann ritt, in der Vielseitigkeit antrat, seine Pferde wie kaum ein anderer gymnastiziert, der nach eigenen Worten für Österreich startet, „aber im Herzen Pfälzer ist“, Freundschaft zu Altkanzler Helmut Kohl pflegte, war dreimal Weltcup-Gewinner, zehnmal Austria-Staatsmeister (Rekord), gewann mit der Equipe völlig überraschend in Barcelona 1992 zusammen mit Thomas Frühmann, Boris Boor und Jörg Münzner  Olympisches Silber hinter Holland, holte in Rotterdam bei den sogenannten Olympischen Ersatzspielen 1980 – nach West-Boykott von Olympia in Moskau wegen des Überfalls  auf Afghanistan durch die damalige Rote Armee der UdSSR – auf Gladstone neben Team-Bronze noch Einzelgold vor John Whitaker auf Ryans Son, Melanie Smith (USA) auf Calypso und Paul Schockemöhle auf Deister, er nahm an sieben Olympischen Spielen teil, ritt 13 Europameisterschaften  (verlor die Goldmedaille 1979 in Rotterdam mit Gladstone an einem „Gatter“ als letzten Sprung, so „nur“ Bronze), kam zu Silber in Mannheim 1997  auf  E.T. -  und er startete bei sechs Weltchampionaten, dabei Bronze auf Lavendel in Hickstead 1974. Einsame Rekorde. Er hat sich jedem und überall gestellt, „geschockt hat mich nie einer.“ Und er war gefürchtet, wenn er anfing zu wetten, zum Beispiel, dass er mit einem Stock ähnlich dem Stabhochsprung eine Hürde von 2 Meter 50 schaffe, es gibt keinen, der diese Wette gewann…

 

Fünfmal hängte man ihm in Hamburg das Blaue Band als Zeichen  des Siegers im Deutschen Derby um. Bis 1971 ritt er für Deutschland, ab 1972 für Österreich. In Dortmund hat er auf Lebenszeit Startrecht, und die Alpenrepublik zeichnete ihn mit dem „Goldenen Vaterländischen Verdienstorden“ aus.

 

Als Rentner durch die Rockys

 

Den Eintritt ins offizielle Rentenalter 2007 begann er in den kanadischen Rocky Mountains. Er erfüllte sich mit seinen beiden Freunden Dr. Michael Ritter und Siegfried Nied einen Kindheitstraum. Das Trio ( Aufschrift auf den eigens beschrifteten T-Shirts: „Die glorreichen 3“) ritt acht Tage jeweils 60 km, sie schliefen in Indianerzelten und versorgten sich selbst. Sie saßen auf den trittsicheren Mustangs und waren fern jeder Zivilisation. Hugo Simon, der mal sagte, er habe Angst, dass er eines Tages vor nichts mehr Furcht habe, gestand danach: „Einmal hatte ich wahrlich die Hosen voll, als wir einen Weg ritten, der lediglich einen Meter breit war, aber links und rechts ging es rund 30 m in die Tiefe. Für die Pferde war das nichts, ich aber werde so etwas nicht ein zweites Mal mehr machen...“

 

Margit Herzau war bei ihm zunächst Pferdepflegerin, dann Stallmanagerin und ist inzwischen Frau Simon (er heiratete sie an seinem 70. Geburtstag am 3. August 2012), sie wurde im Dezember 2009 beim Turnier in Porto von einem spanischen Reporter gefragt, wer denn dieser Hugo Simon wäre, darauf sagte sie: „Am ersten Tag kennt man ihn kaum oder gar nicht, am Ende wissen alle, wer Hugo ist.“ Es war auch in Porto so. Seine Tochter Conni (46) aus der ersten Ehe mit Gabi ist seit Mai 2014 mit dem früheren Springreiter und Präsidiumsmitglied des Aachen-Laurensberger Rennvereins, Peter Weinberg (62), liiert. Hugo Simon: „Alles im grünen Bereich…“

 

„Kein Deutscher war besser“

 

Bis 1971 ritt er für Deutschland, drei Nationen-Preise sogar, ab 1972 startet er  Österreich. Als es um die Aufstellung der deutschen Equipe für die Olympischen Spiele in München 1972 ging, zeigten die Verbandsoberen in Warendorf zwar Interesse an seiner Ausnahmestute Fair Lady, aber nicht an ihm. Da entsann sich seine damalige Frau Gabi, dass er ja neben der deutschen auch die österreichische Staatsangehörigkeit besitze. Die Eltern hatten nämlich nach dem Zweiten Weltkrieg ihre böhmische Heimat verlassen müssen, dort in Krummwasser war aber Hugo Simon geboren. Als eine Art Entschädigung jedoch blieb den Flüchtlingen aus dem ehemaligen K.&K-Reich auch die österreichische Staatsangehörigkeit. Der Sprung über den rot-weiß-roten Oxer gelang problemlos. Hugo Simon wurde auf Lavendel in München Vierter, platzgleich mit Hartwig Steenken auf Simona, „dass kein Deutscher besser war, das war für mich entscheidend“, sagte er damals sofort aus einer verständlichen Genugtuung heraus.

 

Hat er noch Wünsche? „Nein, ich habe alles, ich bin gesund, mehr brauche ich nicht“, sagt er. Er benötigt auch keine Brille mehr, er ließ sich nämlich operativ neue  Linsen in die Augen setzen. Böse Stürze überstand er auch mental bravourös. Zum Beispiel: In Neumünster 2000 hatte er einen Schulterbruch, 2004 einen Sehnenabriss in der Schulter nach Sturz im Training zuhause, 2013 erlitt er in Peking bei einem Sturz auf einem Leihpferd eine Brustbeinprellung und einen Bluterguss in der Lunge. Er stand immer wieder auf und kam auch jeweils zurück.

 

Im März E.T.-Klon-Fohlen…

 

Sein Lieblingspferd war zweifellos Flipper, dann kamen Little One, der von ihm  herausgebrachte Hannoveraner Wallach The Freak, verkauft an Dirk Hafemeister und unter Ludger Beerbaum in Seoul 1988 – als Ersatzpferd -   Team-Olympiasieger mit der deutschen Equipe (Dirk Hafemeister, Ludger Beerbaum, Franke Sloothaak und Wolfgang Brinkmann), auf Gladstone gewann er als Erster in der Weltcupgeschichte  den inzwischen begehrtesten Pokal 1979 in Göteborg, doch mit E.T. FRH steht sein Name für alle Zeit wie in Stein gemeißelt. Und vom E.T.-Klon namens E.T. Cryozootech-Stallion erwartet Hugo Simon im März ein Fohlen aus der Ukinda. Die belgische Stute gehört ebenfalls zu den Simon-Spitzenpferden.

 

Mehr als 20 geklonte Pferde sind bereits auf der Welt,  darunter u.a., von Ulla Salzgebers Dressur-Champion Rusty, Nachkommen von den großartigen Springpferden Ratina, vom inzwischen berühmten Vererber Quidam de Revel, für vier Millionen Mark nach den Olympischen Spielen 1992 vom Olympia-Dritten Frederic Cottier (Frankreich) nach Dänemark an Flemming Velin verkauft, Top Gun  oder eben E.T.

 

E.T. Cryozooch-Stallion ist jetzt sechsjährig und gekört. Ein Konsortium von 50 Interessierten legte 300.000 Euro an, jeder zahlte 6.000 €. Leo De Backer (Belgien), einer der ganz großen Veterinäre und damals Cheftierarzt im belgischen Gestüt Zangersheide in Lanaken, als der E.T.-Klon angeliefert wurde: „Er sieht fast genauso aus wie der echte ET.“ Der  Hannoveraner-Hengst aus dem Reagenzglas war nach Lanaken geholt worden, „weil die Wissenschaftler ja nichts von Pferden verstehen und gar nicht wissen, dass ein Pferd beispielsweise auch bewegt werden muss“ (de Backer). In Lanaken wurde der Klon-Hengst nebenbei getestet, ob sein Samen tauge. Eine Ponystute nahm sofort auf.

 

„Klon ist die Kopie eines vorhandenen Pferdes“

 

Leo de Backer (63) über Klonen: „Ein Klon ist die Kopie eines bereits vorhandenen Pferdes, genetisch identisch.“ In der Pferdezucht könnten dadurch oftmals begangene Fehleinschätzungen korrigiert werden, dann nämlich, „wenn ein Hengst kastriert wurde, sich aber als Wallach im Sport großartig entwickelte, wie eben E.T. zum Beispiel.“  Um von einem Wallach einen Klon zu erhalten, wird eine Kopie erstellt, um somit  Samen für die Zucht zu erhalten. Nach de Backer ist der Vorgang relativ einfach. Erbgut wird aus einer Körperzelle entnommen und in eine Eizelle gegeben, die wiederum wird dann in die Gebärmutter einer Trägerstute eingepflanzt.

 

Das französische Unternehmen Cryozootech aus der Nähe von Paris beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit dem Klonen von Pferden. Erster Klon war „Pieraz-Cryozootech Z“,  „Sohn“ des Wallachs  „Pieraz Psar“, der 1994 in Den Haag die Amerikanerin Valerie Kanavy zum Weltmeistertitel im Distanzreiten über 160 getragen hatte. Das Gestüt Zangersheide erkannte den ersten geklonten Hengst – gegen den Widerstand vieler Züchter europaweit – als Vererber an. Eric Palmer, Chef von Cryozootech: „„Wir nehmen nur Stuten, Hengste oder Wallache bester Abstammung oder Leistung, die bei Olympia oder Championaten auf höchstem Niveau vorgestellt wurden.“ Sein Werbeslogan: „Gestern kastriert – morgen der Vater Deiner Fohlen.“

 

Ein Quadratzentimeter Haut genügt

Leo de Backer: „Zum Klonen genügt ein Quadratzentimeter Haut von einem lebenden Pferd. Sobald genügend Zellen vorhanden sind, werden diese bis zu jenem Moment eingefroren, dass der Auftraggeber meint, jetzt hätte er gerne einen Klon.“ Dann werden der Zellkultur einzelne  Zellkerne entnommen und in eine Eizelle implantiert. Nach etwa fünf Tagen kann bei entsprechender Entwicklung die Eizelle in eine Amme eingepflanzt werden.

 

Probleme zum Beispiel laut de Backer: Man benötige zum Klonen etwa 1.800 Eizellen, davon blieben vielleicht 850 gereifte zum Klonen geeignete Eizellen übrig. Am Ende vielleicht gerade mal 20, mit denen man weiterarbeiten könne. Soweit die bisherige Erfahrung. De Backer: „Aus 850 Eizellen entsteht so ein einziges Fohlen, dazu braucht man auch noch 22 Trägerstuten. Das macht alles am Ende eben sehr teuer.“ Zu Beginn lagen die Kosten für ein Klon-Fohlen bei 300.000 Euro, inzwischen unter 200.000 €. Der belgische Veterinär außerdem: „Klonen ist auch im Pferdesport kaum mehr weg zu denken oder weg zu diskutieren.“

 

Sprüche des Hugo Simon

 

„Für mich ist die Goldmedaille echt, obwohl ich sie bei den Olympischen Ersatzspielen in Rotterdam 1980 gewann“

 

„Preisangaben über Pferdeverkäufe sind fast immer gelogen. Und Unglück bringen sie auch“

 

„Welchen Umweg bist Du denn geritten?“ (Nach seinem Sieg auf ET im Großen Preis von Frankfurt/ Main 1996 zu Lars Nieberg, der auf For Pleasure im Stechen fast sein Leben riskierte und doch „nur“ Zweiter wurde)

 

„Wenn ich meinen Bauch einziehe, dann wissen meine Pferde: Jetzt geht die Post ab...“

 

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