Harry Boldt - der große Schweiger wurde 85 Drucken
Geschrieben von: Dieter Ludwig   
Montag, 23. Februar 2015 um 11:37

 

Harry Boldt

(Foto: Raimund Hesse)

Wassenberg. Den großen Plauderer in netter und fröhlicher Runde gab er nie. Er blieb im Kern immer der Ostpreuße, etwas ernst, nachdenklich, still. Er gehört jedoch zu den ganz Großen des Dressursports, ohne dafür einen PR-Menschen engagiert zu haben. Für ihn sprachen immer die Leistungen im Viereck: Harry Boldt, an diesem 23. Februar wurde er 85 Jahre alt.

 

 

Seinen letzten Auftritt als Reiter hatte Harry Boldt für die Olympischen Reiterspiele in Moskau 1980 geplant. Doch die meisten Westnationen ließen die Veranstaltung im Zeichen des fünfzackigen roten Sterns, Sichel und Hammer an der Moskwa ausfallen, allen voran die Reiterverbände. Aus politischen Gründen, die Rote Armee der damaligen UdSSR hatte Afghanistan überfallen. Harry Boldt jammerte nicht, er beschwerte sich auch nicht, so beendete er seine sportliche Laufbahn als Dressurreiter leise wie er selbst immer war. Er hörte einfach auf ohne groß inszenierte Verabschiedung. Danach wurde er fast logisch Bundestrainer. Von 1981 bis 1996 stand er am Rande des Vierecks als Coach. Sein Freund und auch Rivale Dr. Reiner Klimke sagte damals: „So einen brauchen wir.“ Beide kannten sich seit 1953. Reiner Klimke wurde  Deutschlands erfolgreichster Reiter bei Olympia, Boldt ein überaus erfolgreicher Trainer. Mit ihm als Coach gewannen deutsche Dressurreiter 50 Medaillen, "seinen" Equipen wurden jeweils goldene Plaketten umgehängt.

 

Harry Boldt wurde am 23. Februar 1930 im ostpreußischen Insterburg geboren, sein Vater Heinrich war Reitlehrer. Nach der Flucht vor den Russen engagierte der Stahl-Magnat Krupp Heinrich Boldt als Reitlehrer, dort in Essen begann auch die Karriere des jungen Harry unter der strengen Aufsicht des unerbittlichen Vaters. Reiner Klimke erblickte zwischen sich und Boldt immer Parallelen: „Wir hatten beide kein Geld, also auch keine Pferde, aber wir konnten reiten – man mochte uns und ließ uns mitmachen.“ Dass Harry Boldt nie ein Einzelchampionat gewann, nannte Reiner Klimke mal „nur einen unwichtigen Schönheitsfehler“. Und er sagte: „Er war der ideale Trainer, denn er versuchte nicht, einem das Reiten abzugewöhnen – wie andere vor ihm.“

 

In Tokio fehlte ein Pünktchen

 

Ganz nah am olympischen Gold war er 1964 in Tokio, wo die Punkte aus Grand Prix und einem so genannten Stechen -  ähnlich dem heutigen Grand Prix Special – zusammengezählt wurden. Boldt führte auf dem Schimmel Remus mit 21 Zählern Vorsprung nach dem Grand Prix vor dem Schweizer Henri Chammartin auf Wörmann, am Ende fehlte ihm ein winziges Pünktchen zu Gold. Er mäkelte nicht, schimpfte nicht auf die Richter, er sagte lediglich: „Silber ist doch auch ganz schön.“ Auch später hörte niemand einen Vorwurf gegen die Juroren. Er hatte so etwas wie das Fotofinish nach einem Marathonlauf über 42 km verloren, er nahm es sportlich und fair hin. Das ehrt ihn bis heute.

 

Er gewann nie eine einzelne goldene Plakette bei einem Championat oder bei Olympia. Doch gäbe es eine Goldmedaille für Fairness, er hätte sie tausendmal verdient gehabt. Als er vor der Weltmeisterschaft 1978 in Goodwood gefragt wurde, ob er als großer Rivale der Schweizerin Christine Stückelberger Schwächen des Wallachs Granat seiner Gegnerin kenne, meinte er lächelnd: „Ich rede keine Pferde schlecht. Granat und mein Woyceck haben ihre Stärken, aber auch ihre Schwächen, warum sollte ich da eigens darauf eingehen.“

 

„Bestand hat nur Klasse“

 

Krankhafter Ehrgeiz und Eitelkeit waren Harry Boldt immer fremd, er buhlte nie um die Gunst der Öffentlichkeit, er drängelte auch nie vor die Linsen der TV-Kameras. Klamauk überließ er immer anderen. Von ihm stammt auch der Satz: „Bestand hat auf Dauer nur die Klasse.“

 

Seit 1990 lebt Harry Boldt, auch Autor des inzwischen zum zwieten Mal aufgelegten Werkes "Das Dressurpferd",  in Perth/ Australien oder auch auf Mallorca, nach wie vor arbeitet der Reitmeister als Trainer, ob in Südamerika oder Europa. Nach wie vor ist er Stammgast des alljährlichen CHIO in Aachen. Da das Offizielle Internationale Turnier von Deutschland (CHIO) in diesem Jahr nicht in Aachen ausgetragen wird – CSIO-Springen in Mannheim (16. bis 19.Juli) -, wird Harry Boldt beim Offiziellen Internationalen Dressurturnier (CDIO) in Hagen am Teutoburger Wald (08. bis 12.Juli) erwartet, „er ist natürlich Ehrengast bei uns“, sagt Cheforganisator Ulli Kasselmann, „wir erwarten ihn auch als unseren Freund.“

 

Harry Boldt und seine größten Erfolge:

 

Deutscher Meister:

 

1996 auf Remus in Hannover

1973 auf Golo in Berlin

1977 auf Woyceck in Berlin

 

Europameisterschaften:

 

1963 Kopenhagen: Einzel Silber/ Remus (keine deutsche Equipe)

1965 Kopenhagen: Gold Mannschaft, Einzel Silber/ Remus

1967 Aachen: Gold Mannschaft/ Einzel Bronze/ Remus

1975 Kiew: Gold Mannschaft/ Einzel Silber/ Woyceck

1977 St.Gallen: Gold Mannschaft/ Einzel Silber/ Woyceck

1979 Aarhus: Gold Mannschaft/ Einzel Bronze/ Woyceck

 

Weltmeisterschaften:

 

1966 Bern: Mannschaft Gold/ Einzel Silber Remus

1970 Aachen: Mannschaft Gold/ Silverdream

1978 Goodwood: Mannschaft Gold/ Woyceck

 

Olympische Spiele:

 

1964  Tokio: Mannschaft Gold/ Einzel Silber/ Remus

1976  Montreal: Mannschaft Gold/ Einzel Silber/ Woyceck

 

 

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