Dorothee Schneider oder Gelassene Ruhe nach dem Sturm Drucken
Geschrieben von: Oliver Wehner/ "Die Rheinpfalz"   
Donnerstag, 24. Dezember 2015 um 14:17

Framersheim. Dorothee Schneider weiß, dass sie großes Glück hatte am 7. Juli. Damals fegte ein extremes Unwetter über das rheinhessische Dorf Framersheim. Der Stall und die Pferde der Dressurreiterin blieben verschont. Jetzt darf sie nach einem sportlich tollen Jahr entspannt auf ihre zweite Olympia-Teilnahme hoffen.

 

Ob St. Stephan, der dem Gestüt im rheinhessischen Weindorf seinen Namen gegeben hat, ein Schutzheiliger ist, wissen wir nicht. „Für mich war er einer“, sagt Dorothee Schneider, die es dann auch ihm verdanken würde, dass sie am Ende eines sportlich famosen Jahres zarte Olympia-Hoffnungen hegen darf. Denn kurz vor Weihnachten rutschte sie mit gleich zwei Pferden wieder in den Championatskader der deutschen Dressurreiterei, der eine Art Longlist für die Spiele 2016 in Rio ist. Aber an jenem 7. Juli hätte eben in wenigen Sekunden auch sehr viel sehr Schlimmes in ihrem schmucken Turnierstall passieren können. „Wir hatten richtig Glück“, weiß Dorothee Schneider, wenn sie an den Sturm denkt, der Framersheim heimsuchte, mehr als 100 Häuser im Ort zum Teil schwer zerstörte und über drei Millionen Euro Schaden anrichtete.

 

Von einem Tornado war zunächst die Rede, als die Bilder aus dem Dorf bei Alzey deutschlandweit verbreitet wurden. Meteorologen sprachen später von einer Fallböe. Kurz nach 17 Uhr hatten die Angestellten des Gestüts – zum Glück – gerade die Pferde von den Paddocks geholt. Dann kündigte sich das Unwetter an. Donnern, Pfeifen, unheilvoller Lärm. „Es war eine richtige Wand, die da ankam“, erinnert sich Dorothee Schneider. Ihre Bereiterinnen konnten gerade noch die Stalltore schließen, da fegte der Sturm übers Dorf und übers Gestüt. Starkregen ließ „innerhalb von zwei Minuten“ die Gullys überlaufen. Als der Spuk vorbei war, fehlten nur ein paar Dachziegel. Andere Häuser, auch das Vereinsheim des Tennisclubs, hatte es viel, viel schlimmer erwischt.

„Das Telefon stand nicht mehr still“, berichtetet Schneider: Natürlich wollten die Besitzer der hochdekorierten und entsprechend wertvollen Pferde wissen, ob alles in Ordnung ist. War es, und so konnte ein bereits erfolgreich begonnenes Jahr seinen bemerkenswerten Verlauf nehmen. St. Emilion und Showtime, beides noch junge Söhne des Dressurvererbers Sandro Hit, etablierten sich nicht nur im Grand-Prix-Sport, sie glänzten sogar im großen Viereck. Der zehnjährige Hengst "Emil" siegte gleich doppelt in München, wurde Fünfter in der DM-Kür von Balve, Weltcup-Sechster in Stuttgart. Der ein Jahr jüngere Wallach Showtime, von Dorothee Schneider komplett ausgebildet, knackte in München im Special die 80-Prozent-Marke – Weltklasse!

 

Mit beiden – so grundverschiedenen – Pferden steht Schneider nun im Championatskader. St. Emilion ist eher die „Rampensau“, ein selbstbewusster, bildschöner Rapphengst, „ein schlaues Pferd, das auch mal nachfragt“, charakterisiert ihn die 46-Jährige. Showtime macht seinem Namen vor allem dann alle Ehre, wenn er sich dank des Motors in der Hinterhand in Bewegung setzt und bereits mit einer fabelhaften Piaffe-Passage-Tour verblüfft. Ansonsten sei er eher schüchtern und lasse sich, wie in der Stuttgarter Schleyerhalle, auch schon mal von bewegten Bildern auf dem Videoschirm irritieren. „Deshalb habe ich jetzt zur Gewöhnung in unserer Halle einen Fernseher installiert“, verrät Schneider lachend.

 

Beide Pferde will die hoch angesehene Ausbilderin weiter behutsam im Sinne einer gesunderhaltenden Gymnastizierung trainieren – Rio ist (noch) lediglich im Hinterkopf, auch wenn sie gelassen bekennt: „Natürlich wäre es sehr schön, wieder bei Olympia starten zu dürfen.“ 2012 holte sie mit der Stute Diva Royal und der deutschen Equipe Teamsilber. Ein Erfolg, der sie endgültig in die Riege der Topstars der Szene hievte.

 

Seit fast drei Jahren bereitet Schneider zusätzlich Pferde des Peterhofs in Perl-Borg – und damit auch den sagenumwobenen Sezuan, den sie zu den WM-Titeln der Fünf- und Sechsjährigen steuerte. Auch für den jungen Ausnahmehengst mit der atemberaubenden Galopptour gilt: „Dosiert ausbilden, körperlich so gymnastizieren, dass er für seine Aufgaben vorbereitet ist.“ Seit Samstag hat sie ja auch noch einen Burg-Pokal-Sieger unterm Sattel – Santiago. Nur Isabell Werth dürfte in diesem Jahr so gut beritten sein wie die Punktranglistendritte Dorothee Schneider, die weiß, dass sich das auch ändern kann, denn: „Alle müssen gesundbleiben.“ Der Satz hat seit jenem 7. Juli noch mehr Bedeutung…

 

 

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