Martin Atock - Herr über die Fliegenden Pferde nach Rio Drucken
Geschrieben von: Dieter Ludwig   
Samstag, 09. Juli 2016 um 18:44

 

Martin Atock

Bei sieben Starts in Lüttich heben die Millionen teure Olympiapferde von Lüttich aus Non-Stop nach Brasilien ab, wo eine eigene Zone geschaffen wurde vom Flughafen bis zu den Stallungen. Flugzeit jeweils 11:40 Stunden.

 

Das erste „fliegende Pferd“ war nach Erzählungen angeblich 1924 der Wallach Tony des damaligen Filmstars und Westernreiters Tom Mix, der nicht nur in einem namensgleichen Westernheftchen ritt. Tony wurde von London nach Paris geflogen, wo der Cowboyheld in verschiedenen Shows seine Künste zeigte. Vom Pferd auf einem Bauernkarren bis zum Pferd in einem annehmbaren Hänger, vergingen  über 70 Jahre. Der erste belegte Transport von Pferden – und zwar Galoppern - wurde in England festgehalten, bis dahin war man zu den verschiedenen Rennen hingeritten. 1867 zogen Fuhrwerke erstmals Vollblüter von Newmarket nach Epsom, um sie ausgeruht am Start zu haben. Inzwischen werden Pferde in ein Flugzeug verfrachtet und teilweise um die ganze Welt geflogen.

 

Marktbeherrscher und wahrlich ohne Konkurrenz ist das 1947 gegründete Unternehmen „Peden Bloodstock“, zu den Gründern des Transportunterfangens gehörte auch Dr. Alex Atock. Chef-Manager der bis ins Detail durchorganisierten Pferde-Flugstaffeln ist inzwischen dessen Sohn Martin Atock (53). Ein Ire, sein Vater vertrat beim Weltverband (FEI) die Interessen der Veterinäre im Präsidium. Martin Atock war Mitglied der irischen Vielseitigkeits-Equipe der Junioren, bei einem Sturz zog er sich einen Bruch des Rückgrats zu. Er lag monatelang im Krankenhaus. Die Reitkarriere war beendet. 1988 stieg er bei „Peden Bloodstock“ ein und ist inzwischen dort der Mann, der alle Fäden zieht, voller Passion, leise, ganz Diplomat, und er arbeitet präzise wie das bekannte Schweizer Uhrwerk, er ist leidensfähig, geduldig, er baute das Unternehmen zu einem unantastbaren Weltkonzern auf (Stammkapital bei Gründung: 300.000 DM). Und er ist verschwiegen wie ein Grab. Vor allem über Kosten sagt er nichts. Geflogen oder transportiert werden von seinem Unternehmen Tiere jeder Art, nicht nur Pferde, auch Elefanten, über Land, durch die Luft oder über Wasser.

 

Martin Atock vor seinem Schloss Leyenburg

 

Mit seiner niederländischen Frau Inez van Tienhoven-Atock und den Kindern – Tochter Georgina reitet Springen für Irland - wohnt er auf dem ehemaligen Wasserschloss Leyenburg im Kreis Kleve am deutschen Niederrhein. Die Atocks erwarben das ziemlich heruntergekommene Kleinod – erste Erwähnung 1349 - vor 16 Jahren und restaurierten peu a peu die einzelnen Räume. Angeschlossen direkt daneben ein schnuckeliges Vier-Sterne-Hotel (4 Sterne) mit zehn Zimmern. Für ihr aufwendiges Engagement mit viel Herzblut und Kosten erhielten die Atocks  2004 den Rheinischen Denkmalpreis. In einer Galerie sind Skulpturen von Dürer oder Raffel zu sichten. Nichts ist aufgesetzt, protzig. Das viele Grün, die Parkanlagen, dazu ein Reitplatz, wird Martin Hamilton Atock sicher ständig an die heimatliche grüne Insel erinnern.

 

Für die Grünpflege ist Gattin Inez van Tienhoven-Atock zuständig

(Fotos: U. Ludiwg)

 

Lütich mit eigenem Horsehotel

 

In diesem Jahr war Martin Atock bereits 380.000 Flugmeilen unterwegs, wenn er zurück ist, „verlasse ich mein Grundstück keinen Moment mehr, ich kenne jeden Baum, jedes Tier, rede mit den Enten und Gänsen. Das ist für mich Entspannung.“ Für ihn als Spenditeur beginnt die heiße Phase Olympia und Rio am 30. Juli. Mit ganz wenigen Ausnahmen ist das belgische Lüttich der Start- und auch später der Heimatflughafen nach den Spielen. Am dortigen Flugplatz  wurde zusätzlich eine Art „Horse-Hotel“ gebaut mit 55 Boxen, „damit die Pferde sich nach der Anfahrt ausruhen und vor dem Flug entspannen können“, so der Ire. Auch die Parapferde für die anschließend stattfindenden Olympischen Spiele mit behinderten Dressurreiter heben in Lüttich ab.

 

Zuerst werden die Vielseitigkeitspferde (30.07.) nach Brasilien geflogen, am 1. August folgen die Dressurpferde, und den Schluss bilden am 7. August die Springpferde. Atock: „Pferde ähneln Menschen, sie leiden genauso unter einem Jetlag durch die Zeitverschiebung zum Beispiel. Deshalb ist es wichtig, dass sie sich an Bord wohl fühlen, sie erhalten vor allem viel Wasser, Stress soll vermieden werden, sie sollen ausgeruht ankommen.“ Für die Flüge wurden bei „Fly Emirates“ der Vereinigten Arabischen Emirate Maschinen des Typs Boeing 777 unter Vertrag genommen. Geflogen wird Non Stop, Flugdauer laut Plan 11 Stunden und 40 Minuten. Insgesamt gehen bis auf ganz wenige Ausnahmen alle gemeldeten 320 Pferde auf den Trip nach Südamerika von Lüttich aus. „Das war noch nie der Fall, dass Pferde ohne Zwischenlandung direkt zu einem Großereignis geflogen wurden“, sagt Atock. Der Durchschnittspreis für alle Pferde schwankt um eine Million Euro.

 

Mit der Eisenbahn tagelang unterwegs…

 

Sönke Sönksen (Versmold) war genau elf Jahre alt, als er beim vierten Internationalen Turnier in Aachen 1949 – der erste CHIO von Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg wurde 1952 organisiert – als jemals jüngster Teilnehmer aller Zeiten dort in einem internationalen Wettkampf startete. Der spätere deutsche Meister und Team-Olympiazweite von 1976 erinnert sich, „dass die Anreise vom heimatlichen Meldorf in Schleswig-Holstein bis Aachen in einem Güterwaggon der Bahn drei Tage dauerte.“ Die Waggongs seien an Personenzüge angekoppelt worden, „in einem Wagen waren zwischen zwei und sechs Pferde untergebracht, in der Mitte wurden Stroh, Heu, Sattelkisten deponiert, und wir Reiter saßen da auch." Außen an den Waggons hingen Strohbüschel, "damit die Bahnbeamten wussten: Aha, da werden Pferde transportiert. So wurden beim Rangieren die betreffenden Waggons nicht einfach abgestoßen, sondern ziemlich sanft auf andere Gleise geschoben." Angekommen in Aachen, wurden die Pferde über Rampen entladen, gesattelt und durch die Stadt zu den einzelnen Bauernhöfen geritten, wo damals die Tiere untergebracht waren. Dabei hatte der Reiter meist noch ein weiteres Pferd an der Hand.

 

Alles Geschichte. Das Tempo der Weiterentwicklung riss auch den Reitsport mit. Undenkbar, Pferde per Schiff in andere Erdteile tage- oder gar wochenlang zu transportieren. Pferde als Flugzeugpassagiere sind inzwischen Alltag. Und das Geschäft beherrscht unvergleichbar „Peden Bloodstock“ mit Martin Hamilton Atock. Er organisierte z.B. die Pferdeflüge zu den Olympischen Spielen nach Montreal 1976, Los Angeles 1984, Seoul 1988, Barcelona 1992, Atlanta 1996, Sydney 2000. Hongkong 2008, zu den Weltreiterspielen 2010 nach Kentucky, zu den Weltcupfinals der letzten Jahre, und er sitzt dick drin bei der Global Champions Tour mit Veranstaltungsorten in den USA und Mittelamerika. Und mit Atock fliegen auch die wertvollsten Galopper zu den ganz großen Rennen auf dem Erdball.

 

„Fliegen für die Pferde angenehm…“

 

„Ist das Flugzeug erst einmal in der Luft, ist es durchaus angenehm für die fliegenden Pferde," sagt der bekannte Veterinär Dr. Björn Nolting (Leichlingen). Die Luft im Frachtraum sollte zwischen 17 und 18 Grad betragen, um Fieber zu vermeiden. Wichtig sei der Platz im Flugzeug. Wenn möglich, sollten die Pferde breit stehen, damit sie bei Schwankungen ihr Gewicht gut auspendeln könnten. Die auf Tiertransporte geschulten Piloten würden die Maschinen beim Landen nicht zu stark abbremsen, so Nolting, kritische Situationen könnten während eines Fluges entstehen, „sollten Koliken, Fieber oder Panik auftreten.“ Bei Atocks-Flugpaket ist alles inbegriffen, natürlich sind an Bord ein Tierarzt und absolut geschulte Grooms. Die Pferde stehen breit in ihren Boxen, die Bedingungen sind optimal. Das Flugticket pro Pferd – keine Angaben. Wohl über 10.000 Euro. Die Flugzeuge können zwischen 17 und 22 Paletten aufnehmen, auf jeder Palette, eine Art Spezialbox, stehen zwei Pferde, in Lüttich wird siebenmal gestartet. Nach Rio transportiert werden neben den Pferden auch insgesamt 160 t an Ausrüstung der Reiter,  Schmiede  oder Tierärzte.

 

Seit 1988 arbeiten "Pferde-Chauffeur de luxe"  Fritz Johannsmann (Foto) und Martin Atock zusammen - erfolgreich und sehr zufrieden

(Foto: Kalle Frieler)

 

Dem Verhandlungsgeschick von Martin Atock ist zu verdanken, dass die Pferde nach der Ankunft in Rio nicht in eine Quarantäne müssen. Mit den maßgeblichen Behörden handelte er einen Korridor aus, der für die Zeit der Spiele als neutrales Gebiet gilt. Nach der Landung in Rio werden die Pferde entladen und auf Transporter geführt. Dafür wurde das bekannte und erfahrene deutsche Unternehmen Fritz Johannsmann (Steinhagen) mit vier Fahrzeugen plus jeweils Hänger engagiert, das die wertvolle Fracht durch die neutrale Zone in die 28 km entfernten Stallungen fährt – und sie später nach den Wettkämpfen wieder zum Airport bringt.

 

Fritz Johannsmann (61) und Atock arbeiten seit 1988 zusammen, Auftraggeber ist jeweils der Ire. Seit März bewegt sich bereits ein Johannsmann-Gefährt auf brasilianischen Straßen, die restlichen drei von Niehoff in Füchtorf eigens konstruierten Transporter folgen in den nächsten Tagen per Schiff, die Überfahrt dauert 17 Tage. Der erste LKW wurde vor der Verschiffung in Hamburg ausgeraubt, alle beweglichen Teile in der Fahrerkabine ausgebaut wie z.B. Radio, Navigations- und Funkgerät. Ein LKW mit Hänger kostet 450.000 Euro.

 

Das Anpachten der Johannsmann-Gefährte kommt dem Veranstalter preiswerter als der Kauf der speziellen Fahrzeuge. Denn, so erklärte ein Brasilianer, würde ein LKW mindestens eine Million Euro kosten, „weil bei uns Einfuhrzoll und Steuer eben so hoch sind.“ Die Miete von solchen Transportern ist dennoch nicht unbedingt ein Schnäppchen, die Leasingrate beläuft sich in diesem Fall auf 250.000 €. Fritz Johannsmann: „Ich habe bereits mein Geld.“

 

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