Abschiedsfete für zwei Große in der Wiener Krieau... Drucken
Geschrieben von: Dieter Ludwig   
Donnerstag, 15. September 2016 um 13:30

 

 

Thomas Frühmann auf The Sixt Sense - beide wird man in keinem Parcours mehr sehen, beide werden am nächsten Samstag im Rahmen der Global Champions Tour in Wien vom großen Sport verabschiedet

(Foto: Manfred Leitgeb)

 

Wien. Am nächsten Samstag werden in der Wiener Krieau Tränen fließen, wenn zwei Große des internationalen Springsports Abschied nehmen – Thomas Frühmann (65) und sein jetzt 20 Jahre alter Westfalen-Wallach The Sixt Sense. Alles eingebettet in das Turnier der Global Champions Tour, ein würdiger Rahmen für diesen Springreiter und dieses Pferd.

 

 

„Gott begnadet“, sagte mal einer, der wie kaum ein anderer die Szene kennt, den Sport und das Drumherum. Und der das sagte, war Alwin Schockemöhle. Der  Olympiasieger von 1976 adelte mit zwei Worten den österreichischen Springreiter Thomas Frühmann. Am Samstag auf der Trabrennbahn in der Wiener Krieau, wo die Global Champions Tour der Springreiter Station macht, wird Thomas Frühmann dann dem einmaligen Westfalen-Wallach The Sixt Sense den Sattel abnehmen und das Pferd aus der Arena führen, durch das Spalier der angetretenen Kollegen vieler Jahre. Und er wird sicher am meisten weinen, auch wenn er sich oft so beherrscht und hart zu geben weiß. Im Grunde genommen hat er dicht am Wasser gebaut, was ihn in diesem harten Job mehr als sympathisch macht. Und wenn man ihm dann auch selbst ein letztes Servus zuruft, dann werden einige Taschentücher wohl zu wenig sein…

 

Thomas Frühmann stammt aus Wien, der  Vater war Psychiater, der Sohn sollte ebenfalls Arzt werden, doch die Mutter schlug sich auf seine Seite, er wurde Springreiter. Statt Abitur begann er mit 17 Jahren  in München eine Lehre bei Ottokar Pohlmann, dem ehemaligen Olympiateilnehmer der Vielseitigkeit 1960 in Rom und Parcoursbauer des Crosskurses in München 1972, der als Lehrstück für Fairness in die Geschichte einging. Nach den Pohlmann-Jahren übernahm der Wiener in seiner Heimat zunächst das Gestüt „Andlershof“, doch, „um in diesem speziellen Sport international herauszukommen, da musste ich zurück nach Deutschland.“ Deutschland war lange Jahre das Land, wo der der Springsport gemacht wurde. Sein alter Spezi Georg Ahlmann, Vater des   Doppel-Europameisters von 2003 und Weltcupgewinners Christian Ahlmann,  vermittelt ihm 1981 einen Job zum  Gestüt „Römersee“ nach Heiden, wo Gerhard Brenninkmeyer das Sagen hatte, einer der Mitbesitzer von „C&A“.

 

„Brenni“, wie er genannt wurde, war stolz, einen solchen Bereiter zu haben. Er zahlte ihm im Monat 3.000 Mark auf die Hand, er durfte die Hälfte der Gewinnprämien einsacken, 30 Prozent kamen von der Verkaufssumme ihm zu, wurde ein Pferd veräußert, und für die Wohnung war auch keine Miete zu zahlen. Doch das momentane Glück dauerte gerademal drei Jahre, dann wurde „Brenni“ von einem Infarkt gefällt. Danach holte Alwin Schöckemöhle den Österreicher nach Mühlen in seinen Turnierstall. Ab 1. September 1984 war Thomas Frühmann ein Mühlener. Schockemöhle und Frühmann passten zusammen.

 

 

Thomas Frühmann - ein lebensfroher Reiter

(Foto: Manfred Leitgeb)

 

Und der Wiener hatte auch schon einiges vorzuweisen, so z.B.  im Sattel von Donau zusammen mit Hugo Simon auf Gladstone, Georg Riedl auf Weekend und Roland Fischer auf Icarus den dritten Platz beim sogenannten „Ersatz-Olympia“ in Rotterdam hinter den erfolgreichen Kanadiern und den Briten. Und er gehörte zu jenem Trio, das zweimal ohne Fehler aus den beiden Umläufen im Nationen-Preis herauskam. Thomas Frühmann war auch immer ein wahres  Geschenk für die Medien, immer gut für einen losen Spruch wie während des Weltcup-Finals 1990 in den Dortmunder Westfalen-Hallen, als er meinte: „Tolles Turnier. Die Pferde hatten zu fressen – und wir Reiter zu saufen...“

 

Er war nie der große Stilist, „wie vielleicht Ludger Beerbaum, nicht so elegant“ (Alwin Schockemöhle), aber er reitet erfolgreich, „und meine Pferde sind alle weich im Maul“ (Frühmann).  Seine Serie kann sich sehen lassen. Auf dem Hengst Grandeur gewinnt er dreimal das Deutsche Derby in Hamburg und wurde Sieger im Großen Preis von Aachen, auf Genius holt er sich  1992 im kalifornischen Del Mar den Weltcup, wenige Monate danach kommt, wiederum im Sattel von Genius,  Olympisches Silber mit dem Team in Barcelona dazu in der Equipe mit Hugo Simon auf Apricot D, Jörg Münzner auf Graf Grande und Boris Boor auf Love Me Tender.

 

Frühmann baut in Maria Alm bei Salzburg ein Haus und zieht dort mit der Familie im April 1995 ein. Gleichzeitig tritt Thomas Frühmann von der Weltbühne des Springsports ab, die damalige Ehe zerbricht, Scheidung im Jahre 2.000, Österreichs einziger von der Herkunft her echter Vorzeigereiter scheint irgendwo als Provinzreitlehrer sein Talent zu verschludern. Im November 2002 heiratet er zum dritten Mal, und er selbst feiert sportlich ein Comeback im März 2004. Auf dem Westfalen-Wallach The Sixt Sense, der mal Zeno hieß und von Zorro T abstammt. Mit dem Wallach tritt er einen einmaligen Siegeszug an.

 

Thomas Frühmann war lange hinter dem Wallach her, aber ein Bayer als   Besitzer wollte ihn nicht verkaufen. Den Westfalen irgendwann unter dem Sattel zu haben, wurde für Frühmann eine Herausforderung wie den Mount Everest zu besteigen ohne Sauerstoffgerät. Der Eigentümer konnte wohl dem Werben und sicherlich auch  dem finanziellen Angebot  nicht mehr widerstehen. Er verkaufte das Pferd an Serena Hamberg, Frühmanns erste nicht gerade unvermögende Ehefrau, und die stellte ihm den Wallach in die Box.

 

2004 gewinnt Thomas Frühmann, dessen Leben wahrlich in jeder Beziehung einer Achterbahn gleicht, nicht weniger als acht Große Preise, er kommt nach 13 Jahren erstmals wieder 2005 zum deutschen CHIO nach Aachen, wo er 1978 und 1986 bei den jeweiligen Weltmeisterschaften bestritt und 1990 den Großen Preis gewann. Thomas Frühmann, der 66 Mal  für Österreich einen Nationen-Preis ritt, achtmal an Europameisterschaften teilnahm, dreimal an Olympischen Spielen und viermal an Weltchampionaten,  ritt 2006 The Sixt Sense derart nach oben,  dass die Internationale Züchtergemeinschaft nicht anders konnte, als den Wallach zum erfolgreichsten „Springpferd 2006“ zu wählen. Als erster Nicht-Deutscher gewann er Dank The Sixt Sense 2006 die deutsche Riders Tour und eine Prämie von 250.000 €. Im gleichen Jahr wurde er Zweiter der neu geschaffenen Global Champions Tour (212.500 €). Alwin Schockemöhle, den eine echte Freundschaft mit Frühmann verbindet: „Thomas blieb dennoch ganz normal, er ist anspruchslos, er braucht kein dickes Auto, um von A nach B zu kommen. Er ist vor allem einer, für den das Wort Freundschaft wirklich etwas bedeutet.“

 

Er hat große Siege gefeiert, musste aber auch gesundheitliche Schläge wegstecken. 2009 waren ihm zwei Stents gesetzt worden, 2014 wurde er am Herzen operiert, und vor einigen Wochen hatte er wahrlich Glück, als er einen Blinddarmdurchbruch knapp überstand.

 

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