Isabell Werth - der 41. Geburtstag schöner als der 40. ... Drucken
Geschrieben von: Dieter Ludwig   
Mittwoch, 21. Juli 2010 um 12:30

 

Rheinberg. Sie hat schon einiges hinter sich, und vieles nicht vergessen, was sich innerhalb eines Jahres um ihre Person abspielte. Sie wurde Mutter eines Sohnes, der Weltverband sperrte sie ein halbes Jahr, die deutsche Föderation zusätzlich ebenfalls sechs Monate, und dabei hatten einige Funktionsträger doch scheinheilig versichert, man werde immer an ihrer Seite stehen. Am heutigen 21. Juli 2010 wurde sie 41 Jahre alt.

 

Vor einem Jahr war der 40. Geburtstag gar kein richtiger Geburtstag, jedenfalls zum Feiern hatte sie keine Lust und auch keine Zeit. Sie flpg in die Schweiz und musste frühmorgens vor der juristischen Kommission des Weltverbandes (FEI) in Lausanne Stellung nehmen. Zu den Vorgängen um den Wallach Whisper beim Pfingstturnier in Wiesbaden. Bekanntlich war der von ihr an Pfingsten in Wiesbaden in den Rahmenprüfungen „St.Georg“ und „Intermediaire I“ erfolgreich vorgestellte  Wallach Whisper des Dopings überführt worden, als Reiterin trägt sie die Verantwortung, sie gestand, und der Tierarzt auch. Der Schweizer Veterinär hatte sich nach eigenen Worten in der Abbauzeit vertan, Spuren des Medikaments Modecate waren nicht in sechs, sondern erst nach 90 Tagen nicht mehr nachweisbar. Modecate war für Whisper vom Veterinär empfohlen worden, um das Shivering Syndrom zu behandeln. Wie die Juristin aus Rheinberg inzwischen bei ihren Recherchen selbst herausfand, litten oder leiden auch andere Weltklassepferde an dieser sogenannten Zitterkrankheit.

 

Isabell Werth – oder als Armstrong den Mond betrat

 

Brigitte Werth erinnert sich natürlich noch besonders genau an jenen 21. Juli 1969, „ich lag nämlich im Kreißsaal, als der erste Mensch den Mond betrat.“ Der Amerikaner Neil Armstrong sagte damals, als er um 03.56 Uhr seinen Fuß auf den Mond setzte: „Ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein riesiger Sprung für die Menschheit.“ 384.403 km entfernt vom Mond kam in jenen Minuten in Sevelen im Kreis Geldern ein Mädchen auf die Welt, das die beste Dressurreiterin der Welt werden sollte, eben Isabell Werth.

 

Isabell Werth stammt aus einem Elternhaus, wo niemand die Bodenhaftung verlor, trotz Erfolgen der Tochter. Hier weiß man, was es heißt, mit der Hände Arbeit sein Brot im wahrsten Sinne zu verdienen, und man erinnert sich auch noch, „auf wie vieles wir auch für den Sport verzichteten“, so Brigitte Werth. Vater Heinrich Werth hielt früher Kühe, Hühner, Enten, Gänse, Schweine, aber auch immer schon Pferde, Kenner schätzen nicht nur sein Wort als Pferdekenner,  auch ihn selbst als Züchter. Er hat den ganzen Hof umgestellt auf Aufzucht und Zucht von Pferden, hier ist jedenfalls gut, Pferd zu sein.

 

Die Rosine des Vereins...

 

Isabell Werth vom Reiterverein „Graf von Schmettow Eversael“ ritt wie auch ihre Schwester Claudia in der Jugend alles, was zu reiten war, und jede Disziplin, auch in der Vielseitigkeit, und sie fühlte sich wirklich wohl im „Busch“.  Sie schwamm manchmal mit Pferden im nahe gelegenen Rhein – und wäre einmal fast dabei ertrunken. Ihre erste Trainerinnen waren Vera Koppers-Dans für Springen und für die Dressur Josta Frohning, die sagte mal: „Isabell ist die Rosine im Verein.“ Das Reiten auf immer anderen Pferden im Verein machte sie stark, sie wurde zusätzlich geschult, sich immer wieder auf andere Tiere um- und einzustellen. Ihr erstes eigenes  Pferd hieß Abendwind, ein kleiner Satan, unberechenbar, der auch gerne mal buckelte, Stockmaß nur 1,53 m. Auf Abendwind gewann sie Prüfungen der Klasse „L“ auch gegen alle andere Konkurrenz auf Großpferden. Und sie ritt Pferde von Wilhelm Scheepers, dem Nachbarn vom großen Meistermacher Dr. Uwe Schulten-Baumer.

 

Schicksalhafte Begegnung Silvester 1986

 

An Silvester 1986 kam es zwischen beiden zur sicherlich schicksalhaften Begegnung zwischen dem „Doktor“ und ihr. Wie üblich in der Region, dass man sich um Mitternacht alles Gute für die kommenden zwölf Monate wünscht,  ging also auch Uwe Schulten-Baumer der „Doktor“ zu den Scheepers, um seine Glückwünsche für 1987 anzubringen. Isabell W. war auch da. Und da Schulten-Buamer gerade seine Bereiterin ausgefallen war, fragte er so nebenbei  die damals 17 Jahre alte Gymnasiastin, ob sie nicht Lust hätte, ihm als Bereiterin  auszuhelfen. Im Juli danach wurde er ihr Coach und Lehrmeister, er führte sie in den Olymp der Dressur.

 

Er setzte sie zunächst auf den mächtigen Wallach Weingart, den keiner mehr wollte, und der vor allem vor den Richtern keine Anerkennung fand. Auf Weingart rückte Isabell Werth blutjung in die Spitze vor, und Schulten-Baumer sagte: „Das Pferd war gut genug für ganz große Aufgaben, und Isabell zeigte ihre einmalige Begabung, nämlich das Vorausahnen von plötzlichen Reaktionen oder Aktionen eines Pferdes, sie denkt voraus.“

 

Von Mondorf  1989 bis Balve 2009

 

Auf Weingart wurde Isabell Werth 1989 in Mondorf-les-Bains/ Luxemburg erstmals Mannschafts-Europameisterin der Senioren. Der Anfang einer einmaligen Serie, bis Ende des Jahres 2008 fünfmal Olympiasiegerin, sechs Mal Weltmeisterin, zweimal Weltcupgewinnerin, elfmal Europameisterin, neunmal deutsche Titelträgerin – zuletzt 2009 in Balve -  und sechsmal mit dem Blauen Band als Beste des Deutschen Derbys dekoriert – mehr geht kaum. Unter ihr wurde der nicht unbedingt durch Schönheit aufgefallene Hannoveraner Fuchs-Wallach Gigolo zum damals erfolgreichsten und gewinnreichsten Dressurpferd aller Zeiten. Als das einmalige Championatspferd am 19. November 2000 in der Stuttgarter Schleyerhalle in einer emotionsgeladenen Feierstunde vom Leistungssport verabschiedet wurde, war er bei einer Gewinnsumme von 883.913 DM angekommen.

 

Und noch für etwas steht Isabell Werth: Nämlich Spitzensport und Studium verbinden zu können. Sie ritt auf höchstem Level und  absolvierte daneben erfolgreich ihr Jurastudium, am 26. Juni 2000 wurde sie als Anwältin vereidigt.

 

Trennung vom Doktor 2001

 

Die Trennung von Uwe Schulten-Baumer erfolgte 2001. Es kriselte bereits länger, die offizielle Bestätigung erfolgte am 27. Oktober während des Turniers in Hannover. Bereits drei Jahre zuvor hatte Madeleine Winter-Schulze schon die Wallache Richard Kimble, Apache und Satchmo dem „Doktor“ abgekauft. Nach dem CHI in Hannover gingen die drei  genannten Pferde nach Mellendorf, dorthin, wo mal der frühere Springreiter-Weltmeister Hartwig Steenken beheimatet war und wo Madeleine Winter-Schulze zuhause ist. Isabell Werth zog mit um. Sie sagte im Nachhinein zur Trennung: „Ich bin wirklich nicht undankbar gegenüber dem Doktor, ohne ihn wäre ich nie so weit gekommen, aber man muss sich auch irgendwann mal abnabeln.“ Ihr neuer Coach wurde Anfang 2002 Wolfram Wittig, seit September 2003 trainiert und arbeitet die Rheinbergerin auf ihrer eigenen Anlage in unmittelbarer Nachbarschaft ihrer Eltern.  Es hätte alles so schön weiterlaufen können, wenn da nicht der Dopingfall mit Whisper dazwischengekommen wäre – und wenn der eigene Verband mehr Kreuz gezeigt hätte.

 

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