Alexander Onischenko soll an die Ukraine ausgeliefert werden Drucken
Geschrieben von: Dieter Ludwig   
Mittwoch, 18. Dezember 2019 um 19:49

Alexander Onischenko 2013 beim Turnier in Paderborn

(Foto: HP Viemann)

 

Bremen. Der in Achim bei Bremen von der Polizei festgenommene Oligarch Alexander Onischenko soll an seine Heimat Ukraine überstellt werden. Gegen den Springreiter und Sponsor einer eigenen Equipe laufen verschiedene Verfahren, unter anderem wegen Korruption und Steuerhinterziehung. Er gilt als die geheimnisvollste Figur in der Szene.

 

Vor 15 Jahren kaufte der ukrainische Millionär Alexander Onischenko (50) alles, was auf dem Pferdemarkt zu erwerben war, Pferde wie Reiter. Er lockte vor allem mit Geld. Als Erste heuerte 2005 die aus Bayern stammende Katharina Offel bei ihm an. Ein Jahr zuvor war sie Deutsche Meisterin geworden, doch der deutsche Verband hielt sie anscheinend für den CHIO von Deutschland in Aachen nicht gut genug und verweigerte eine Startgenehmigung. Aus Enttäuschung nahm sie die Offerte von Onischenko an. Der Ukrainer, selbst mit mehr Ehrgeiz als Talent im Springsattel, lockte weiter mit gutem Salair und entsprechendem Beritt. Pferde erwarb er, was an Klasse auf dem Markt war. Die Equipe bei den Weltreiterspielen 2006 in Aachen bestand aus Katharina Offel, dem Holsteiner Björn Nagel sowie den inzwischen ebenfalls „eingekauften“ Belgiern Gregory Wathelet und Jean-Claude Vangeenberghe. Um Team-Bronze fehlten dem Quartett am Ende bei Punktgleichheit zwei Hundertstelsekunden gegenüber Deutschland. Er verpflichtete auch erstklassige Trainer, wie zum Beispiel Heinrich-Wilhelm („Kaiser“) Johannsmann oder Paul Schockemöhle. Er selbst leaste auf der Sunshine Tour 2008 in Andalusien den Hengst Codar des spanischen Kollegen Luis Astolfi und qualifizierte sich für die Olympischen Reiterspiele in Hongkong, wo er jedoch bereits im ersten Springen abgeläutet wurde.

In Herzlake bei Osnabrück erwarb er eine feudale Reitanlage und rekrutierte weiter für seine Kavallerie Sattelkönner wie den Brasilianer Cassio Rivetti oder den Ungarn Ferenc Szentirmai.  Dem Ruf des Geldes folgten weitere Springreiter, so der deutsche Doppel-Olympiasieger Uli Kirchhoff und später auch der dreimalige deutsche Meister Rene Tebbel. Da ritten andere bereits wieder für ihr Heimatland, wie Wathelet oder Björn Nagel, der mal sagte: „Onischenko ist unberechenbar, man weiß nicht, was er morgen macht oder plant – vielleicht alle Pferde aus einer Laune heraus verkauft.“ Bei den Olympischen Spielen 2012 in London erreichte die ukrainische Equipe mit Zahlmeister Onischenko das Finale nicht. Den Schweizer Olympiasieger und augenblicklichen Weltranglisten-Ersten Steve Guerdat hatte er 2006 geködert, aber nur für zwei Monate. Als er den Schweizer Pass gegen den ukrainischen eintauschen sollte, war der Deal beendet.

Höhepunkt wäre möglicherweise für die Söldnertruppe das Jahr 2016 geworden. Die Equipe stieg wieder in die höchste Klasse der Nationen-Preisliga (Division I) auf, hatte sich für das Finale um die Nationen-Preis-Trophäe in Barcelona qualifiziert und Startrecht bei Olympia in Rio de Janeiro. Doch wenige Wochen vor dem Abflug nach Südamerika hockte die Truppe in ziemlich gedrückter Stimmung  im Trainingszentrum Herzlake zusammen. Ihr Hauptsponsor, Pferdebesitzer und auch zusätzlich Präsident der nationalen Föderation, Alexander Alexadrowitsch Onischenko, fehlte. Der Unternehmer, gleichzeitig Mitglied im Parlament des Landes, steckte zu jenem Zeitpunkt in einem angeblichen Korruptionsskandal, seine diplomatische Immunität war aufgehoben worden, und er war einfach abgetaucht, um einer Verhaftung zu entgehen. Mit seinem Privatjet war er den möglichen Häschern in der Ukraine entkommen. Ein Verfahren wäre gegen Zahlung von 20 Millionen Dollar eingestellt worden, daran glaubte Onischenko jedoch nicht.

An jenem Abend in Herzlake war auch Paul Schockemöhle anwesend, der vielleicht größte Händler mit Springpferden weltweit. Zu ihm hatte Onischenko nicht weniger als 44 seiner rund 100 Pferde bringen lassen, zum Verkauf, doch, so sagte der dreimalige Europameister, er werde die Equipe unterstützen. So flog die Mannschaft der Ukraine ohne den Chef und Pferdebesitzer nach Rio und war dort am Ende aber nur dabei.

Dann wurde es still um Alexander Onischenko, der mit den Klitschko-Brüdern befreundet ist und neben seiner Muttersprache auch Deutsch, Französisch und Englisch spricht. Er war aus den Schlagzeilen verschwunden, auch wenn er im Süden Spaniens noch kleinere Turniere ritt. Bis ihm die „Welt am Sonntag“ die große Bühne bereitete. Gleich auf vier Seiten durfte er sich auslassen und sein Enthüllungsbuch über den damaligen  Ukraine-Präsidenten Petro Poroschenko bewerben.

In dem Exklusiv-Interview mit der „WamS“ nannte er die Politik der Ukraine korrupt, was er belegen könne, er selbst habe nämlich 2,5 Millionen Dollar an Abgeordnete berappt. Über sich erzählte er, er sei im Sommer 2016 über Weißrussland nach Deutschland geflohen, weil seine Verhaftung bevorgestanden habe. Weil ihm in Deutschland niemand die Hand reichte, zog er weiter nach Spanien und stellte einen Asylantrag, der aber negativ beschieden wurde.

Über seine eigene Geldverdiener-Karriere ist aus der „WamS“ zu erfahren gewesen, dass er nach der Wende und dem Zusammenbruch der ehemaligen UdSSR anfing, mit Gebrauchtwagen zu handeln, die er in Deutschland kaufte und mit Transportern in die Ukraine schaffte. Mit einem Lada für 800 DM habe er angefangen, den er für 2000 Mark veräußerte. Dann stieg er um auf Neuwagen, ab 2002 sei er im Gasgeschäft tätig gewesen. Bald hieß es, er nehme mit Gas am Tag eine Million Euro ein.

Von Alexander Romanowitsch Onischenko weiß man persönlich ziemlich wenig. Als Geburtsort wird die Kleinstadt Matwejew Kurgan am Don angegeben, er sei Usbeke und heiße eigentlich Kadirow, den Namen  Familiennamen Onischenko hab er von seiner zweiten Frau angenommen. Er sei Mitglied in der ukrainischgen Regierung gewesen und habe das Amt des Präsidenten  der Reiterlichen Vereinigung (FN) seines Landes übernommen. 

Zuletzt öffentlich zu besichtigen war er am 27. November in Goch bei der Reitpferde-Auktion von Holger Hetzel. Vor vier Jahren hatte er dort für 510.000 Euro die Stute Outstanding von Chacco Blue gekauft, diesmal ließ er sich nur sehen und kaufte nichts. Der belgische Pferdehändler und Olympiadritte von 1976, Francois Mathy (75), lästerte nur, „der kauft gerne – und bezahlt dann nicht…“   

 

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