Vor Weihnachten kehrt die Normalität zurück Drucken
Geschrieben von: Oliver Wehner "Rheinpfalz"/ DL   
Dienstag, 24. Dezember 2019 um 14:17

Bad Homburg. Ihre Sehnsucht nach Normalität spricht aus den bescheidenen Wünschen fürs neue Jahr: „Gesundheit und Zufriedenheit“. Wer erlebt hat, was die prominente Reiterfamilie Rothenberger aus Bad Homburg erleben musste, wird demütig.

 

Ein Flammeninferno zerstörte Anfang des Jahres einen Großteil ihres Lebenswerks. Doch mitten in der Katastrophe geschahen auch Wunder. Und nun, vor Weihnachten, kehrt die so ersehnte Normalität Stück für Stück zurück.

Die leichten Verbrennungen und die Rauchgasvergiftung, die Sanneke Rothenberger an jenem Spätwintermorgen erlitt, sind verheilt und vergessen. Die Wunden in der Seele sind allenfalls vernarbt. „Für Sanneke, die als erstes das Feuer entdeckt hatte, ist es ganz besonders schwer. Sie sieht nicht, dass sie 25 Pferde gerettet hat, sondern hadert immer noch damit, dass fünf Pferde gestorben sind“, weiß ihre Mutter Gonnelien Rothenberger (51), 1996 wie ihr heutiger Mann Sven (53) Dressur-Olympiamedaillengewinnerin mit der niederländischen Equipe.

Sohn Sönke Rothenberger, Mannschafts-Olympiasieger und -Weltmeister, bekommt die Bilder auch nicht mehr aus dem Kopf. „Es war sicherlich meine größte Angst, dass ich Cosmo nicht befreien kann“, erzählt er der RHEINPFALZ. Cosmo – womöglich das Pferd seines Lebens, „dem ich alles zu verdanken habe“. Dass er den Wallach doch retten konnte, ist eines der angedeuteten Wunder.

Es war kurz vor sechs am frühen Morgen jenes 28. Februar, als Hündin Nera unruhig geworden war und bellte. Sönke (25) und Sanneke (27) wachten auf, rannten nach dem Blick aus dem Fenster in Schlafanzughosen und Boxershorts aus dem Wohnhaus des Erlenhofs Richtung brennender Stallanlage. Dort schlug ihnen bereits eine Hitzewand entgegen. Fünf Pferden im Stall war schon nicht mehr zu helfen. Wie in Trance retteten die Geschwister, was zu retten war. Öffneten die Boxentüren, worauf einige Pferde in Panik flüchteten und später in einem Waldstück wiedergefunden werden konnten.

Den temperamentvollen Cosmo führte Sönke nur am Halfter „wie ein Lämmchen“ aus dem Inferno. „Diese Ruhe und das Vertrauen, das mir Cosmo in diesem Moment geschenkt hat, bedeuten mir extrem viel“, erzählt der sensible junge Mann heute: „Ich bin ihm unheimlich dankbar, dass er mir in so einer Situation das Vertrauen geschenkt hat.“

Gonnelien, Sven und die jüngste Tochter Semmieke waren am Tag des Unglücks in Belgien noch auf  einem Turnier. Sie fuhren sofort heim und standen dann vor den Trümmern ihres Lebenswerks. Der Stall niedergebrannt, die große Reithalle schwer beschädigt, die Kinder traumatisiert. „Die vielen Gespräche innerhalb der Familie, mit den behandelnden Tierärzten und die Pferde, die es überlebt haben, gaben unsere Kindern den nötigen Halt in dieser schweren Zeit“, sagt Gonnelien Rothenberger.

Es begann sofort der Wiederaufbau, nachdem die polizeilichen Ermittlungen abgeschlossen waren. Die Beamten gingen von einem technischen Defekt aus, weshalb nun massiv in die Brandvorsorge investiert worden sei. So schließen Schutztüren automatisch zur Mittagspause und am Abend, Geräte mit Akkus sind ausgelagert, Futter und Einstreumaterial werden getrennt von den Pferdeboxen gelagert, und im Fall der Fälle könne sofort mit den Löscharbeiten durch eine Löschleitung begonnen werden. „Wir haben etwa 75 Prozent wieder aufgebaut und hoffen, bis Ostern größtenteils fertig zu sein“, berichtet Gonnelien Rothenberger. Dankbar ist die Familie den Kollegen, Freunden und Verwandten, die zwischenzeitlich ihre Pferde aufnahmen. So fand Cosmo auf dem nahen Schafhof bei der Familie Rath/Linsenhoff Asyl.

Dieser Tage verschickte die Familie Weihnachtskarten an Kunden und Partner. Eine Seite ist den fünf toten Pferden gewidmet. Liebgewonnene „Rentner“ und hoffnungsvolle Sporttalente. Jedes einzelne Tier wurde bewusst nochmals beim Namen genannt; so bekommen alle eine Persönlichkeit, ein Leben: Fayola, Kid Gentleman, Paso Doble, Reactive Royal, Zum Glück. Zwei schwer verletzte Stuten, Luna und Kantate,  sind noch in der Klinik. An Silvester kann die Familie trotz allem auf sportliche Erfolge anstoßen: Sönke brillierte in Aachen und holte mit der deutschen Equipe in Rotterdam EM-Gold, Semmieke wurde dreimal Europameisterin der Jungen Reiter und gewann in Zeiskam die deutsche Meisterschaft. Das Jahresende begehen die Rothenbergers „gemeinsam mit unsere Tieren“, sagt Mutter Gonnelien - „und ohne Feuerwerk.“

 

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