Der große und stille Harry Boldt wurde 90 Drucken
Geschrieben von: Dieter Ludwig   
Donnerstag, 20. Februar 2020 um 16:40

 

Harry Boldt - erfolgreich als Reiter, erfolgreich als Coach

(Foto: Raimund Hesse)

Wassenberg. Zu den unterhaltsamen Plauderern einer Tischrunde gehörte er nie. Er war und blieb immer der ernste, nachdenkliche und stille Ostpreuße. Groß und nicht übersehbar wurde er als Dressurreiter: Harry Boldt. Am 23. Februar 2020 wurde er 90 Jahre alt.

 

Seinen letzten Auftritt als Reiter hatte Harry Boldt für die Olympischen Reiterspiele in Moskau 1980 geplant. Doch die meisten Westnationen ließen die Veranstaltung im Zeichen des fünfzackigen roten Sterns, Sichel und Hammer an der Moskwa ausfallen, allen voran die Reiterverbände. Aus politischen Gründen, die Rote Armee der ehemaligen UdSSR hatte Afghanistan überfallen. Harry Boldt jammerte nicht, er beschwerte sich auch nicht, so beendete er seine sportliche Laufbahn als Dressurreiter leise wie er selbst immer war. Er hörte einfach auf ohne groß inszenierte Verabschiedung wie beispielsweise Josef Neckermann, der sich auf allen jenen Plätzen in Deutschland nochmals dem Publikum zeigen wollte, auf denen er jemals ritt und nur mit Mühe von Dr. Reiner Klimke ausgebremst werden konnte.

Harry Boldt wurde nach einem Rücktritt von der sportlichen Bühne geradezu  logisch Bundestrainer. Von 1981 bis 1996 stand er am Rande des Vierecks als Coach. Sein Freund Reiner Klimke sagte damals spontan: „So einen brauchen wir.“ Beide kannten sich seit 1953, Reiner Klimke war bis zu den Spielen 2016 in Rio vor Isabell Werth Deutschlands erfolgreichster Reiter bei Olympia, Boldt ein überaus erfolgreicher Trainer. Mit ihm  gewannen deutsche Dressurreiter 50 Medaillen.

Harry Boldt wurde am 23. Februar 1930 im ostpreußischen Insterburg geboren, sein Vater Heinrich war Reitlehrer. Nach der Flucht vor den Russen engagierte der Stahl-Magnat Krupp Heinrich Boldt als Reitlehrer, dort in Essen begann auch die Karriere des jungen Harry unter der strengen Aufsicht des unerbittlichen Vaters. Reiner Klimke sah zwischen sich und Boldt immer Parallelen: „Wir hatten beide kein Geld, also auch keine Pferde, aber wir konnten reiten – man mochte uns und ließ uns mitmachen.“ Dass Harry Boldt nie ein Einzelchampionat gewann, nannte Reiner Klimke mal „nur einen unwichtigen Schönheitsfehler“. Und er sagte: „Er war der ideale Trainer, denn er versuchte nicht, einem das Reiten abzugewöhnen – wie andere vor ihm.“

In Tokio fehlte ein Pünktchen

Ganz nah am olympischen Gold war er 1964 in Tokio, wo die Punkte aus Grand Prix und einem so genannten Stechen -  ähnlich dem heutigen Grand Prix Special – zusammengezählt wurden. Boldt führte auf dem Schimmel Remus mit 21 Zählern Vorsprung nach dem Grand Prix vor dem Schweizer Henri Chammartin auf Wörmann, am Ende fehlte ihm ein winziges Pünktchen zu Gold. Er mäkelte nicht, schimpfte nicht auf die Richter, er sagte lediglich: „Silber ist doch auch ganz schön.“ Auch später hörte niemand einen Vorwurf gegen die Juroren. Er hatte so etwas wie das Fotofinish nach einem Marathonlauf über 42 km verloren, er nahm es sportlich und fair. Das ehrt ihn bis heute. Und warum er in Tokio 1964 nicht Olympiasieger wurde, darauf meinte er während den Europameisterschaften im letzten Jahr in Rotterdam ganz unaufgeregt: „Weil mein Pferd nach der Grußaufstellung am Ende der Prüfung mit einem Bein zurücktrat.“

Er gewann nie eine einzelne goldene Plakette bei einem Championat oder bei Olympia. Doch gäbe es eine Goldmedaille für Fairness, er hätte sie tausendmal verdient gehabt. Als er vor der Weltmeisterschaft 1978 in Goodwood gefragt wurde, ob er als großer Rivale der Schweizerin Christine Stückelberger Schwächen des Wallachs Granat seiner Gegnerin kenne, meinte er lächelnd: „Ich rede keine Pferde schlecht. Granat und mein Woyceck haben ihre Stärken, aber auch ihre Schwächen, warum sollte ich da eigens darauf eingehen.“

„Bestand hat nur Klasse“

Krankhafter Ehrgeiz und Eitelkeit waren Harry Boldt immer fremd, er buhlte nie um die Gunst der Öffentlichkeit, er drängelte auch nie vor die Linsen der TV-Kameras. Klamauk überließ er immer anderen. Von ihm stammt auch der Satz: „Bestand hat auf Dauer nur die Klasse.“

Seit 1990 lebt Harry Boldt in Perth/ Australien oder auch auf Mallorca, nach wie vor arbeitet der Reitmeister als Trainer, ob in Südamerika oder Europa, eben überall dort, wohin man ihn ruft.

Harry Boldt und seine größten Erfolge:

Deutscher Meister:

1996 auf Remus in Hannover

1973 auf Golo in Berlin

1977 auf Woyceck in Berlin

Europameisterschaften:

1963 Kopenhagen: Einzel Silber/ Remus (keine deutsche Equipe)

1965 Kopenhagen: Gold Mannschaft, Einzel Silber/ Remus

1967 Aachen: Gold Mannschaft/ Einzel Bronze/ Remus

1975 Kiew: Gold Mannschaft/ Einzel Silber/ Woyceck

1977 St.Gallen: Gold Mannschaft/ Einzel Silber/ Woyceck

1979 Aarhus: Gold Mannschaft/ Einzel Bronze/ Woyceck

Weltmeisterschaften:

1966 Bern: Mannschaft Gold/ Einzel Silber Remus

1970 Aachen: Mannschaft Gold/ Silverdream

1978 Goodwood: Mannschaft Gold/ Woyceck

Olympische Spiele:

1964  Tokio: Mannschaft Gold/ Einzel Silber/ Remus

1976  Montreal: Mannschaft Gold/ Einzel Silber/ Woyceck

 

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