Bianca Kasselmann - die stille Chefin als Herzstück des Pferde-Imperiums Drucken
Geschrieben von: Dieter Ludwig   
Montag, 26. Dezember 2022 um 19:37

Hagen a.T.W. Ihr Mann Ulli ist wahrlich ein Weltbekannter in der Sportpferde-Welt, seine Frau Bianca Kasselmann weniger, aber dennoch vielleicht ebenso wichtig wie er. Sie ist die stille Chefin, bei der sich auch die Angestellten ausweinen dürfen und können, sie ist das Herz des Unternehmens, denn ohne sie wäre sicherlich dieser gewaltige Industriezweig „Rund um das Pferd“ mit Millionen Umsätzen nicht entstanden.

 

Ihre Freundin Heidi sagte in der Laudatio an diesem wahrlichbesonderen Abend des Tages: „Du bist für uns eine in vieler Hinsicht bewundernswerte Powerfrau, mit unendlichem Tatendrang,einem großen Herzen und Bodenständigkeit. Dein Mitgefühl ist immer echt, für Dich zählt der Charakter Deiner Mitmenschen und nicht das, was sie besitzen.“ Und weiter sagte sie: „Du bist eine unverwechselbare Kämpferin. Dank Deiner robusten Gesundheit ist es Dir vergönnt, Deiner liebsten Passion immer noch äußerst erfolgreich nachzugehen.“ Und weiter, so die beste Freundin:„Ganz besonders schätzen wir an Dir Deine Ehrlichkeit, Du sagst,was Du denkst, oder aber Du schweigst, getreu dem Motto: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.“ Die liebenswerten Worte waren anBianca Kasselmann gerichtet, die an diesem 28. Februar 2022 70 Jahre alt wurde, eigentlich einen Tag später, nämlich am 29. Februar,doch 2022 war kein Schaltjahr.

Und dann lobte sie auch noch die teuflisch guten Kochkünste derHausherrin, die auch 1986 ein kleiner Kreis von Reitsport-Journalisten genoss. Vor allem die Nachspeise „Flambierte Banane“ voller Promille in göttlichen Fruchtsäften. Anschließend war einer gar so mutig, dass er auf dem Rücken eines ins Wohnzimmer geführten Friesenhengstes Platz nahm...

Stets offene Tür...

Wer auf dem Hof in Hagen am Teutoburger Wald einkehrt, fühlt sich sofort willkommen. Niemand steht da, und doch fühlt man sich mitHandschlag begrüßt wie ein ewiger Freund, der nach Jahren wieder einkehrt. Die Tür steht immer offen dort auf dem Borgberg in Hagen am Teutoburger Wald. Wer kommt, ist Gast. Hier ist das Zuhausevon Bianca und Ullrich Kasselmann. Der Hof Kasselmann,Elternhaus von Ullrich Kasselmann, wurde erstmals offiziell 1322 imGeschichtsbuch des Ortes festgehalten, ein wunderbares Kleinod, immer wieder modernisiert, ohne die anfällige und antike Haut des Gebäudes zu verletzen.

Bianca Kasselmann, geborene Buthmann, stammt aus Sottrum bei Bremen. Mutter Mia bildete in Soltau Remonten für die berittenenEinheiten der deutschen Wehrmacht aus, wie auch Helga Köhler, Maria Günther oder Inge Fellgiebel, spätere Ehefrau von Reitmeister George Theodorescu. Ihr Vater Wilfried handelte mit allem, nicht nur mit Pferden, doch er war im Grunde vor allem Pferdehändler, und von jener aufrichtigen Gesinnung aus einer Zeit, als der Handschlag beim Pferdeverkauf wie die von einem Notar beglaubigte Urkunde galt. Inge Fellgiebel, Helga Köhler und Bianca Buthmann wuchsen zu einer Einheit zusammen und wurden echte Freundinnen über Jahre hinweg. Helga und ihr Ehemann Hans-Joachim Köhler hatten eine Tochter, Jutta, mit welcher Bianca so eng befreundet war, dass sie selbst für die zwei, wie eine Tochter war.

Bianca selbst startete in Springen, Dressur und Vielseitigkeit sowie in damals üblichen Flachrennen. Sie hatte Können, Mut und Herz. Ihre Kindheit war eher hart, „weil mein Vater ein Kriegsgeschädigter war“, mussten auch Bianca und ihre Schwester Miriam schon früh schwere Arbeiten verrichten. Durchaus dann logisch fast, dass sie beim großen Pferdemann Hans-Joachim Köhler 1968 eine Bereiterlehre begann, Köhler gilt als der wahre Erfinder von Sportpferde-Auktionen. Die Lehre schloss sie erfolgreich mit Diplom vor der entsprechenden Kommission der deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) in Warendorf drei Jahre später ab. ​Nach der Bereiterlehre hatte sie zunächst geschworen, „die Sandkiste der Dressur werde ich nie mehr betreten...“

Schicksalsjahr 1968 in Verden

Bei Köhler lernten sich Bianca Buthmann und Ullrich Kasselmann 1968 kennen. Er war Hufbeschlagschmied in Hagen amTeutoburger Wald, seit ewigen Zeiten neugierig, suchend, nicht wissend, wohin ihn die Zukunft führen könnte oder würde, sie -Bereiterin von Auktionspferden. Kasselmann war Köhler aufgefallen bei einer Rundreise, als er für seine Versteigerungen nach geeignetem Material suchte, an Pferden und geeigneten Reitern für Auktionspferde. Dabei fiel ihm auch Ullrich Kasselmann im Sattel positiv auf, und er engagierte ihn.

An einem Morgen kreuzten sich die Lebenswege von Ullrich Kasselmann und Bianca Buthmann in der Reithalle in Verden. Fräulein Buthmann war gerade von einem jungen Auktionspferd gefallen, hatte aber die Zügel nicht losgelassen, er kam just in diesem Moment dazu. Sie sagte später: „Ich sofort wieder in den Sattel und volle Lotte...“ Er sagte später: „Ich dachte mir: Die ist ja nicht nur attraktiv, die traut sich auch noch etwas...“ Das war der Beginn einer wundervollen Partnerschaft und Liebe, mit allen Hochs, mit allen Tiefs, aber stets von Aufrichtigkeit und gegenseitigem Verständnis geprägt. Seit 1976 sind sie verheiratet. Sie sagt: „Damals gehörten zum Hof 40 Hektar, alles weitere haben wir zusammen erwirtschaftet.“

In einem Artikel des Heimatblatts war 1980 zu lesen: „Bianca Kasselmann stand ganz oben auf dem Treppchen, nahm Ehrenpreise und Auszeichnungen entgegen, ohne sich ihres Glückes sicher zu sein.“ Sie war mit ihrem Pferd Don Pedro in Atter m Westen von Osnabrück Deutsche Meisterin der Springreiterinnen geworden, Sie wurde außerdem 2008 und 2012 Deutsche Meisterin der Berufs-Dressurreiter mit Pferdewechsel im Finale. Mehr als 100-Mal siegte sie in einem Grand Prix de Dressage, über 1000-Mal war sie Erste in einer schweren Dressur-Konkurrenz – eine Bilanz, die sich mehr als sehen lassen kann. „Ich bin einfach mit allem zufrieden, was ich erreicht habe“, sagt sie. Sie glaubt an Gott und hat „in Politik oder Sport keine Vorbilder“. Ihre Berufung hat sie bei und mit den Pferden gefunden, „Bereiterin war immer mein Traumberuf“.

1981 kam Sohn Francois auf die Welt, „der schönste Tag in meinem Leben“, so Bianca Kasselmann, die an ihrem Mann vor allem schätzt „seine Ehrlichkeit und Kreativität“. Francois, der als Kind schon Gäste bekochte, legte eine schöne Karriere bei den Ponyreitern im Springen hin, war Deutscher Meister, und bei den Senioren später ritt er auch einmal für Deutschland in einem Preis der Nationen. Nun ist er fest in das Unternehmen eingebunden.

Ullrich und Bianca Kasselmann haben sich ein wahres Imperium auf dem Borgberg über Hagen am „Teuto“ wahrlich erarbeitet mit Fleiß, Weitsicht und Durchhaltevermögen. Eigene 200 Hektar Scholle. Niemand kann mehr dagegen Ansprüche geltend machen. In vom Stil her der Landschaft und Umgebung angepassten Stallungen stehen zur Zeit 250 Pferde, alle unter dem Sattel, der Hof verfügt über fünf Hallen, über mehrere Außenplätze, 100 Angestellte verdienen ihr Geld auf dem Kasselmannhof, Bereiter und andere. Bianca Kasselmann ist zusätzlich der Anlaufpunkt für alle bei Sorgen „und auch die seelische Müllhalde“.

Bianca Kasselmann reitet jeden Tag fünf bis sechs Pferde, Reiten ist ihr Leben. Nie drängt sie sich in den Vordergrund, sie ist da, ohne auffallen zu wollen. Wen sie nicht mag, den lässt sie das auch spüren, „und einige haben schon ihr Fett abbekommen“, wie Ulli Kasselmann sagt. Sie verstellt sich jedenfalls nicht. Sie bleibt immer sie selbst. Geld bedeutet ihr nicht alles, „gut ist aber, es zu haben.“ Der Tod der Eltern „war mein schmerzlichster Moment im Leben“,und sie sagt mit Blick auf die jetzige Zeit, sie habe „Angst vor der Zukunft, aber die haben doch in der heutigen Zeit alle, oder?“

Von Pferden verlangt sie Mut, Cleverness und die Bereitschaft zur Mitarbeit, an Menschen verachtet sie „Unehrlichkeit und Protz“, von Freunden erwartet sie, „dass sie in schlechten Zeiten genauso zu mir stehen – wie ich zu ihnen.“

Lieblingspferd: Welt Hit O

Jeder Reiter hat wohl im Laufe seines Werdegangs ein Pferd, an welches er sich immer wieder erinnert. Für Bianca ist dieses Pferd Welt Hit O, beide gingen durch Höhen und Tiefen. Als der Hengst drei Jhare alt war, trennten sich die Wege, zweieinhalbjährig war er zu ihr gekommen. Er war Auktions-Preisspitze und überzeugte in Jungpferdeprüfungen und wurde vierjährig sogar Bundeschampion. Nach einer schweren Kolik im Alter von sechs Jahren führte das Schicksal Bianca und Welt Hit O jedoch wieder zusammen, da sie sich anbot, ihn wieder nach oben zu bringen. Mit Erfolg: Bianca konnte ihn bis zur schweren Klasse ausbilden, sodass er 10-jährig seinen ersten Grand Prix Sieg verzeichnete. 

Doch leider erlitt er zum zwieten Mal eine schwere Kolik. In dieser schweren Zeit waren sowohl Bianca als auch Pflegerin Ella, seit 35 Jahren auf dem Kasselmannhof tätig, an der Seite von Welt Hit O. Beide wechseltern sich bei der Nachtwache an der Box ab. Der Hengst musste dann zum verten Mal operiert werden, den letzten Eingriff überlebte er nicht. Welt Hit O wird dennoch für Bianca Kasselmann immer das Lieblingspferd bleiben.

Die neue Generation

Das Unternehmen Kasselmann ist inzwischen an Sohn Francois überschrieben, er selbst, so sagt Kasselmann Senior, wäre jetzt nur noch Bauer. Francois und Ehefrau Diana traten kein leichtes Erbe an. Wie sein Vater hält er „Verbindungen in alle Winkel der Erde, besonders in die USA, nach Argentinien, Marokko, Südafrika,China, Australien, Neuseeland, Japan oder Mexiko“, so der Junior.

Auf die Frage, wie es mal weitergehen werde ohne die Eltern, sagt Francois Kasselmann: „Wir sind gut aufgestellt. Die Eltern sind nicht zu ersetzen, aber wir haben auch keine Angst vor der Zukunft.“ Und er sagt: „Man soll nicht immer danach streben, der Größe und Beste zu sein oder zu werden – gesundes Mittelmaß ist auch genug.“

Aber auch eine schon weitere Generation der Kasselmanns ist dem Reitsport treu ergeben: Emma und Lilli, die Töchter von Francois und Diana Kasselmann, sind ebenfalls begeisterte Reiterinnen. Die eine im Dressur- und die andere im Springsattel. „Es macht einfach Spaß die Beiden bei uns zu haben“, erzählt Bianca stolz, mit dem Gedanken, den Hof und die Pferde auch in Zukunft in guten Händenzu wissen.

 

 

 

 

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