Lisa-Maria Klössinger oder wie aus Riesen Zwerge werden... Drucken
Geschrieben von: Alexandra Koch/ DL   
Dienstag, 25. Dezember 2018 um 12:46

München. Lisa-Maria Klössinger gilt als großes deutsches Dressur-Talent. Nun will sie sich auch im Seniorenbereich nach oben kämpfen…

 

Riesengroß war bei Lisa-Maria Klössinger insbesondere die Freude über die Bronzemedaille bei der Europameisterschaft im niederländischen Exloo. Geradezu überschwänglich könnte man sagen, obwohl die Britin Charlotte Fry Gold und Klössingers Mannschafts-Kameradin Jil-Marielle Becks vor ihr Gold und Silber errangen. „Aber endlich habe ich diese Kür-Medaille, die ich mir schon im vergangenen Jahr so sehr gewünscht hatte“, sagt die strahlende  sympathische 25 Jahre junge Reiterin.

Rückblick U25-EM 2017 in Lamprechtshausen/Österreich: Klössinger holte Gold mit der Mannschaft, Gold im Einzel. Kür-Gold war ihr großes Ziel. Doch dann kam der sintflutartige Regen, ein daraus resultierender technischer Defekt an der Musikanlage und die Absage der finalen Prüfung. Zunächst erklärte man den Reitern, dass sie möglicherweise im Rahmen des Salzburger Hallenturniers ihre EM-Prüfung reiten könnten. Doch daraus wurde nichts. Lisa Klössinger war zutiefst enttäuscht, dass ihr diese Chance verwehrt blieb. Seitdem wollte die junge Reiterin ihre hochklassige U25-Kür noch einmal beim Großereignis reiten. Es ist ihr 2018 mit Bravour gelungen.

„In Exloo hatten Daktari und ich endlich die Chance, die Kür, die wir für die Prüfungen auf U25-Niveau ausgearbeitet hatten, vor einer EM-Kulisse zu zeigen. Es hat richtig Spaß gemacht in den sechs Minuten zu meiner so geliebten Kür zu reiten. Dieses Gefühl werde ich so schnell nicht vergessen, denn natürlich war es auch ein Abschied. Für die Prüfungen bei den Senioren werden wir uns etwas Neues ausdenken müssen.“

Diese Episode ist sinnbildlich für den Charakter der jungen Frau. Sensibel, lebensfroh und zielstrebig. Ehrgeizig ist das falsche Wort. Einfach nur immer mit der Maxime vor Augen, das Beste geben und das Maximale erreichen zu wollen.

Wenn man Lisa fragt, wie sie sich selbst charakterisieren würde, antwortet sie: „Außerhalb des Stalls bin ich eine unverbesserliche Chaotin. Ich bin großartig darin, Dinge zu vergessen und zu verlegen. Ganz vorne dran: Schlüssel.“ Sie müsse sich fast alles aufschreiben oder im Handy als Erinnerung eintragen. Das sei manchmal echt mühsam und „ärgert mich meistens selbst“, sagt Lisa-Maria Klössinger. Mit der Pünktlichkeit habe sie auch oft ihre Probleme.„Aber da befinde ich mich schon auf dem Weg der Besserung“, sagt sie lachend.  Aber was ihre Pferde angeht, ist sie immer ganz penibel und organisiert. Da muss alles strikt nach Plan ablaufen. „Grundsätzlich bin ich ein bodenständiger und gelassener Mensch, mich bringt so schnell nichts aus der Ruhe. Ungerechtigkeit und Neid mag ich jedoch überhaupt“, erzählt die 25-Jährige.

Auf neuen Wegen…

Heute gilt Lisa-Maria Klössinger als eines der größten jungen Talente im deutschen Dressursport. Ab dem kommenden Jahr wird sie sich bei den Senioren behaupten müssen. „Ich bin gespannt, wo die Reise hingehen wird“, sagt sie.

Lisa-Maria Klössinger wird auch 2019 wieder im Rahmen der Deutsche Bank-Reitsport-Akademie gefördert, was ihr nach eigener Aussage besonders jenseits des Sattels weiterhalf: „Das Medientraining, der Umgang mit der Kamera und mit Interviews hat mir richtig viel gebracht. So etwas macht man ja sonst im Alltag eher wenig.“

2013 nahm die Karriere der damals 20-Jährigen richtig Fahrt auf: Verleihung des Goldenen Reitabzeichens und der dritte Platz im Piaff-Förderpreis, mit dem sie selbst am wenigsten gerechnet hatte. Ihr Partner damals war New Lord, der eigentlich Springpferd werden sollte. Der heute 17 Jahre alte Wallach ist mittlerweile in Ruhestand. Mit drei Kumpels steht er auf der Weide und „genießt sein Leben dort in vollen Zügen“. Oft und gerne wird New Lord dort von Lisa besucht und ansonsten „von einer jungen Dame liebevoll betüddelt“.

Erfolgspferd Daktari

2012 saß Lisa-Maria Klössinger auch erstmals im Sattel von FBW Daktari, dem 2005 geborenen Württemberger-Wallach. Mit ihm hatte es die junge Reiterin allerdings nicht immer einfach, auch wenn sie bereits ihren ersten großen EM-Erfolg vor vier Jahren ihm zu verdanken hat. Damals gewann das Paar im italienischen Arezzo Mannschaft-Gold sowie Silber in Einzel und Kür.

„Wir wurden schon, als er acht Jahre alt war, in den Bundeskader berufen. Aber das Problem war, dass wir nach dem Ende der Junge Reiter-Zeit nicht weiterkamen“, erinnert sie sich. Er hatte Angst bei den Einerwechseln und Piaffe/Passage. Da schien der Sprung Richtung Grand Prix unmöglich. „Außerdem kam noch hinzu, dass ich turniermüde geworden bin. Es war einfach alles über die Jahre sehr viel geworden, und ich spielte mit anderen Plänen. Also entschieden wir uns schweren Herzens, ihn zu verkaufen.“

Doch damit sollte die Geschichte selbstverständlich nicht enden. Daktari kam zu Rudolf Zeilinger, und er hat der jungen Reiterin nahegelegt, sich einfach mehr zu Zeit nehmen. So nahm alles seinen Lauf. „Ich habe wieder meinen Spaß am Reiten gefunden, und Daktari lernte langsam, aber stetig die Lektionen.“ Dadurch sind beide wieder zusammengewachsen und haben zwei Jahre nach diesem Tief ihre erste S*** gewonnen. „Das hat mir gezeigt, dass man wirklich niemals aufgeben soll“, sagt sie.

Weggeben würde sie ihren Daktari heute um keinen Preis. „Er hat wahnsinnig viel Charme – nicht nur im Viereck, sondern auch im täglichen Umgang. Daktari ist sehr sensibel, aber auch immer lernwillig, eifrig bei der Sache. Er ist sehr auf mich bezogen und würde mir am liebsten den ganzen Tag von Schritt zu Schritt beiseite stehen. Für mich ist er ein echtes Traumpferd.“

Heimat Bayern

Ihr Studium des Sport-, Event- und Medienmanagement hat Lisa im Februar abgeschlossen. Sie hatte es in ihrer Findungsphase begonnen, als Reiten nicht mehr die Hauptrolle spielen sollte. Das ist nun anders, aber dennoch ist es der jungen Sportlerin wichtig, ein zweites Standbein zu haben.

Einst war sie Schülerin von Ulla Salzgeber und eine ganze Weile in deren Stall beheimatet. Eine Zeit, in der sie wahnsinnig viel gelernt hat, berichtet die junge Reiterin. Klar möchte sie ihren eigenen Weg gehen und das klappt bekanntlich sehr gut, aber den Förderern der frühen Jahre bleibt man immer auf besondere Art und Weise verbunden.

Mittlerweile steht Lisa-Maria Klössinger fest auf eigenen Füßen. Zunächst hatte sie im Stall der Familie Marburg mit drei Pferden ihre Zelte aufgeschlagen, dann wurde klar, dass das nicht reichen würde. „Es hat sich relativ spontan Anfang dieses Jahres die Möglichkeit ergeben, zu Anna Merveldt nach Italien zum Training zu fahren. Daraus wurden fast acht Wochen. Ebenso spontan war es, dass ich all meine Pferde mitgenommen habe. Die Kombination mit ein paar nationalen und internationalen Turnieren in Italien und Frankreich sowie dem Training hat einfach gepasst“, fasst Klössinger zusammen. Erst nachdem sie einen Stall für alle ihre Pferde gefunden hatte, ist sie wieder zurück nach München. Jetzt stehen ihre Pferde am Gestüt Fichtenhof, unweit von Starnberg, in einem kleinen eigenen Stalltrakt.

Dass sie in Bayern, wenn möglich, bleiben wollte, war für Lisa immer klar. Hier ist ihre Heimat und sie liebt das Turnier „Pferd International“ in München-Riem wie kein zweites. Nur Aachen kann da noch mithalten, weil die Atmosphäre eben so besonders ist. „Aber ein großes Familienfest, das gibt es eben nur in München“, lacht sie. Ihre Familie lebt übrigens in Niederbayern. In Aicha, mitten im Bayerischen Wald. Dorthin fährt Lisa gerne, wenn sie mal runterkommen möchte. „In der Natur kann ich wunderbar entspannen“, berichtet sie. „Ich liebe es auch, in die Berge zu gehen und zu wandern. Das macht mir unheimlich viel Spaß, und zum Glück habe ich die Berge ja direkt vor der Haustüre.“

Ansonsten schätzt Lisa-Maria Klössinger die Großstadt. Auch wenn ihre Pferde in der Umgebung leben, sie selbst wohnt mitten in München „unweit der Theresienwiese, wo das Oktoberfest stattfindet“. „Gerade im Sommer genieße ich die Vorzüge der Stadt München, mit Freunden in den Englischen Garten zu gehen oder einfach an der Isar entlang. Leider macht man das immer viel zu selten. Denn im Sommer ist natürlich auch in Sachen Turniere Hochsaison“, sagt sie.

Reiten als Familienangelegenheit

Zum Reiten kam Lisa-Maria Klössinger durch ihre Familie. „Ich habe zwei ältere Brüder, und der älteste hatte ein Pferd. Nach und nach hat die ganze Familie angefangen reiten zu lernen. Bei mir begann alles schon sehr früh, da ich ja die Jüngste war. Ich hatte mit drei Jahren mein erstes Pony, Flicka. Es war alles nicht so einfach mit ihr, ich wurde gleich beim ersten Ritt abgeworfen. Bald schon saß ich auch auf den Ponys meiner Brüder, obwohl meine Mutter mir das eigentlich verboten hatte“, meint sie. „Mit zwölf Jahren hatte ich dann  mein erstes Dressurpferd, Whoopi. Sie war ein rheinisches Großpferd, und mir ihr bin ich dann auch auf Turniere gefahren. Und das, obwohl ich Dressur im Grunde langweilig fand und im Spring- und Vielseitigkeitssattel viel lieber unterwegs war.“

So ist es heute nicht mehr. Lisa-Maria Klössinger möchte dem Dressursattel auch im Seniorenlager treu bleiben. Ganz getreu ihren Lebensmottos will sie agieren: „Wenn du wirklich willst, versetzt du Berge, wenn du wirklich willst, werden aus Riesen Zwerge...“

 

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