Norbert Koof wurde 70 Drucken
Geschrieben von: Dieter Ludwig   
Freitag, 12. September 2025 um 19:48

Norbert Koof

(Foto: Kalle Frieler)

Willich. Nirgendwo im Sport sind Große kaum so rasch vergessen wie im Reiten. Norbert Koof könnte als Beispiel stehen, er war jüngster Weltmeister der Springreiter, dann vor 31 Jahren ein schwerer Reitunfall, an diesem 13. September wurde er 70 Jahre alt.

Dublin, 13. Juni 1982, Finale um die Springreiter-Weltmeisterschaft, noch mit Pferdewechsel im wohl ältesten Reitstadion der Welt, dort, wo alljährlich die große Dublin Horse Show organisiert wird. Die deutsche Mannschaft von Equipe-Chef Hermann Schridde in der Besetzung Gerd Wiltfang auf Roman, Paul Schockemöhle auf Deister, Peter Luther auf Livius und dem jungen Norbert Koof auf Fire hatte hinter Frankreich bereits Silber gewonnen, nun die Ritte um die Einzelmedaillen. Als einziger Deutscher am Start: Der junge Norbert Koof. Und der mischte wahrlich rotzfrech die Konkurrenz auf.

Der letzte Durchgang, keine Stange war bisher gefallen auf den Ritten mit dem eigenen und auch nicht nach dem vorgeschriebenen Pferdewechsel mit den Pferden der Konkurrenten. Nun war Norbert Koof im Parcours auf seiner letzten Runde, auf Towerlands Anglezark des Briten Malcolm Pyrah. Vor sich die Dreifache Kombination. Die weiße Krawatte baumelt lästig über dem roten Rock hin und her, wie eine Fliege vor dem Gesicht.Und was macht Norbert Koof? Er stopft den Binder lässig zurück. Noch ein Satz - und er ist Weltmeister. Der mit seinen 26 Jahren bis dahin jüngste Champion der Geschichte seit 1953, wo in Paris alles begann und der Spanier Francisco Goyoaga vor Fritz Thiedemann gewonnen hatte, Norbert Koof wird ohne einen einzigen Abwurf Weltmeister, auf vier Pferden über insgesamt 32 Hindernisse.

Glückszahl „13“

Der wuchtige und eckige Wallach Fire hatte das Final-Feld frühzeitig sortiert. Nur Norbert Koof dirigierte den Westfalen fehlerlos über die Sprünge, ein Instinktreiter, der in dieser Sternstunde seiner Karriere beweisen konnte, dass er zu den Großen zählt. Alles ist längst Geschichte, der Moment, als beispielsweise sein Vater Günther den grünen Jägerhut in Dublin auf dem Abreiteplatz leicht zurückschob, ein morgens gefundenes kupfernes One-Pence-Stück aus der Jackentasche kramte und sagte: „Das hat Glück gebracht.“ Die „13“ war sicherlich bis dahin die Glückszahl des Norbert Koof, geboren am 13. September 1955, er hatte die Startnummer 13 in Dublin und wurde an einem 13., dem 13. Juni 1982, Weltmeister.

Alles hatte auf ländlichen Turnieren begonnen, er hatte nie einen Trainer mit großem Namen. Erst als er aufstieg in der Hierarchie „trainierte ich beispielsweise beim späteren Bundestrainer Herbert Meyer“. In der Vereinschronik von Willich-Anrath steht zu lesen: „Seine sportliche Laufbahn begann im Jahre 1968 mit dem Pferd Rex. Mit den Pferden Burda und Sirius erzielte er schon beachtliche Erfolge. Vom ehemaligen Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen, Dr. Franz Meyers, kaufte sein Vater das Pferd Minister.“ Das ist nicht ganz die Wahrheit. Minister verkaufte der früher überall bekannte Pferdehändler Hans („Hänschen“) Berenz aus Aachen, und der hatte das Pferd zum Verkauf erhalten, weil nämlich der Ministerpräsident von jenem Rücken gestürzt war, der angeblich die Welt bedeutet, und im Krankenhaus landete. Hans Berenz war es dann auch, der den Frühling-Nachkommen in Minister „umtaufte“.

Am Anfang war „Minister“…

Auf dem Dunkelfuchs begann der steile Aufstieg des 16jährigen „landwirtschaftlichen Gehilfen“, beide lernten voneinander. 1972 wurde er rheinischer Juniorenmeister, ein Jahr später gewann er Bronze bei der Europameisterschaft mit der Equipe und in der Einzelwertung, 1977 wurde er hinter Hendrik Snoek in Berlin deutscher Vizemeister, ritt danach erstmals in der deutschen Senioren-Equipe bei der Europameisterschaft in Wien und kehrte mit Bronze an den Niederrhein zurück.

Nach Minister kam Fire in den alten Vierkanthof an der Haus-Broicher-Straße, fünf Jahre alt, gekauft praktisch in der Nachbarschaft für 60.000 Mark, ein Riese von 1,83 m Stockmaß, sensibel und sprunggewaltig, aber auch verletzungsanfällig. Er erhielt eine Spezialbox, größer als normal, an einer Ecke im Stall wie an einem Verkehrsknotenpunkt, dass er alles übersehen konnte. Mit Fire gehörte Norbert Koof zum festen Bestandteil der deutschen Equipe, in der damals Gerd Wiltfang auf Roman, Paul Schockemöhle auf Deister und Peter Luther auf Livius ritten. Paul Schockemöhöle sagt: „Eine wirklich großartige Equipe, ich kenne keine bessere.“ Sie wurde in München 1981 ein Jahr vor der Weltmeisterschaft Europameister.

…für Fire boten US-Amerikaner 800.000 DM

Amerikaner wollten unmittelbar nach dem kontinentalen Championat in München Fire für 800.000 Mark kaufen, doch Günther Koof, der 2007 starb, lehnte in weiser Ahnung ab. Dann kam Dublin. Fire machte seinen Reiter zum Champion und ließ den Franzosen Michel Robert, Malcolm Pyrah und den Iren Gerry Mullins auf seinem Rücken regelrecht „verhungern“.

Zuhause grüßte ab dem Tag nach Dublin ganz Willich „unseren Weltmeister“. Spruchbänder und Girlanden zierten die Haus-Broicher-Straße. Rund 600 Briefe, Telegramme und Karten schleppte der Postbote in den Bungalow der Koofs, der Bischof von Aachen schrieb einen Gruß, und aus dem entlegenen brasilianischen Busch kam Post vom Onkel, dem Missionar, der vom Triumph seines Neffen aus irgendeiner Zeitung des Landes erfahren hatte.

Dublin wurde zum letzten großen Auftritt von Fire. Krankheitsbedingt mit Problemen an Knochen und Sehnen kehrte er nie mehr in den großen Sport zurück. Und auch Norbert Koof fand keinen Nachfolger für Fire, der bis zum Ende sein Gnadenbrot auf dem Hof erhielt. Koof: „Ich hatte nach Minister nur ein Spitzenpferd, nämlich Fire.“

Schlagzeilen widerwillen

Widerwillen geriet Norbert Koof in jene Schlagzeilen, die keiner braucht, keiner will und keiner einem wünscht. 24. Februar 1994. Über Willich-Anrath kreist ein Rettungs-Hubschrauber. Eine Nachbarin erzählte später: „Ich wusste, da ist etwas Schlimmes passiert.“ Seit jenem Tag ist der einst so kernige Springreiter mit 28 Nationen-Preisen querschnittgelähmt. Er ritt in seiner Halle ein junges Pferd, fiel nach einem Sprung aus dem Sattel, „ich schlug verdreht auf dem Boden auf. Ein Sturz, wie er immer passieren kann“. Nur, er konnte nicht mehr aufstehen. Aber sprechen. Er orderte den Helikopter selbst über die Pflegerin und wurde in die Unfallklinik nach Duisburg geflogen. Dort stellten die Ärzte zwar keinen Bruch an der Wirbelsäule, aber eine Stauchung des siebten Halswirbels fest, der dadurch entstandene Bluterguss drückte auf die Nervenstränge und unterbrach so die Verbindung zwischen der Befehlszentrale Hirn und Muskeln. Anfangs vermochte er nur die Augen zu bewegen, „ich stierte stundenlang an die Decke“. Nach sechs Monaten kam er nach Hause. Zwei Tage danach wurde Tochter Sabrina geboren. .

Norbert Koof hat sich nie hängen lassen, nie resigniert. Er war immer auch hart gegen sich selbst. Er war ein Kämpfer, immer. Er quälte sich nach der Krankenhausentlassung erstmals bei Therapeuten („man muss ja fit bleiben“). Inzwischen steuert er längst ein Spezialauto, hat einen motorisierten Rollstuhl, die Wohnung und der Stallbereich wurden entsprechend umgebaut. Wer ihn trifft, merkt erst beim zweiten Blick, dass er im Rollstuhl sitzt. Norbert Koof ist positiv eingestellt, „es hätte noch schlimmer kommen können“, sagte er bald..

Immer positiv denken

Für sich, der als Reiter so stark war, dass er auch mit einer Kuh einen Parcours hätte springen können, hat er diese Devise ausgearbeitet: „Lebe jeden Tag intensiv. Blicke nicht zurück auf Vergangenes, nur vorwärts.“

Mit dem Goldenen Ring des Aachen-Laurensberger Rennvereins, den als Erste Fritz Thiedemann und der Italiener Piero d`Inzeo 1953 erhalten hatten als Auszeichnung für herausragende Persönlichkeiten der Reiterei, wurde er 1982 geehrt, beim 89. CHIO von Deutschland 2004 in Aachen zeichnete ihn der Deutsche Reiter- und Fahrerverband mit dem Silbernen Pferd aus. Die Laudatio hielt der damalige Bundesaußenminister Guido Westerwelle. Das Motto von Norbert Koof: „Man muss immer positiv denken, das Leben nehmen wie es ist – man hat nur eines.“

Privatkunden hat er längst keine mehr, die Düsseldorfer Reiterstaffel ist nach Bochum umgezogen, die verschiedenen Stalltrakte hat er verpachtet, der Zucht ist er treu geblieben. Für die Ausbildung der jungen Springpferde hat er als Bereiter Karl Georg Schäfer fest engagiert, „mit dem ich seit zehn Jahren sehr zufrieden zusammenarbeite“.

Für seinen Geburtstag hat er nichts Besonderes eingeplant, „werde einen ruhigen Tag mit der Familie verbringen, bin ja sowieso nie der Typ zum großen Feiern gewesen…“ Doch drei ehemalige Springreiter aus seiner Zeit, inzwischen längst auch echte Freunde, werden ihn an seinem 70. aufsuchen, Peter Weinberg, Willibert Mehlkopf und Julius Schulze-Hesselmann, der sagt: „An einem solchen Tag müssen wir persönlich bei ihm vorbeikommen, das lassen wir uns nicht nehmen.“

 

 

Um die Nutzbarkeit unserer Seiten zu verbessern, verwenden wir Cookies. Falls Sie mit der Speicherung von Cookies nicht einverstanden sind, finden Sie hier weitere Informationen. Weitere Informationen >>> Cookie-Hinweis.

Hinweis >>>