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Springreiter Max Kühner: „System um Doping oder Medikation funktioniert nachweislich nicht“ PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von: Monika Schaaf/ DL   
Samstag, 25. Januar 2020 um 13:50

 

Max Kühner 2017 auf Cielito Lindo bei der Riders Tour

(Foto: Kalle Frieler)

Stuttgart. Der für Österreich startende Springreiter Max Kühner äußert sich als zuständiges Vorstandsmitglied des International Jumping Riders Club (IJRC) zu den Problemen im aktuellen Doping- und Medikationssystem. Monika Schaaf vom „Reiterjournal“ sprach mit ihm.

 

Diplomkaufmann Max Kühner (46) startet seit dem 1. Januar 2015 für Österreich, davor ritt er 15 Nationen-Preise für Deutschland. Bei den Weltreiterspielen 2018 platzierte er sich mit dem Schimmelhengst Chardonnay in Tryon als Sechster. In Starnberg bei München unterhält er einen Ausbildungs- und Turnierstall. Trainiert wird der Bayer von dem Pfälzer Hugo Simon, der bis Ende 1971 ebenfalls für Deutschland in den Sattel stieg – und ab 1972 für Austria in den Parcours ritt.

Reiterjournal: Schon viele Reiter sind „Opfer“ des Medikation- und Dopingsystems geworden, unwissentlich. Durch beispielsweise Kontaminationen im Futter kam es schon häufiger vor, dass Pferde positiv getestet wurden. Steht man als Reiter immer in der Gefahr, dass die Pferde positiv getestet werden – oder könnt ihr euch gewissenhaft schützen?

Max Kühner: „Die Frage ist absolut berechtigt. Man versucht sich, so gut es geht zu schützen, aber eine hundertprozentige Sicherheit hat man nicht. Immer, wenn es zur Dopingkontrolle geht, hat man ein schlechtes Gefühl, auch wenn man genau weiß, dass man alles vorschriftsmäßig und regelkonform gemacht hat. Ich verdeutliche das gerne anhand von ein paar Zahlen: Betrachten wir alle Dopingfälle aus dem Jahr 2019, so sind im Spring-, Dressur- und Vielseitigkeitssport 24 „cases“ in der offiziell bei der FEI einsehbaren Case Status Liste zu finden. 12 von den 24 cases sind Fälle, in denen es um Substanzen geht, welche die FEI bereits als Kontamination anerkannt hat. Wir finden es auch sehr kompliziert und damit ist es gerade für die Öffentlichkeit auch nicht mehr nachvollziehbar. Das schadet natürlich unserem Sport. Und wenn ein System solche Ergebnisse produziert, mit allen Konsequenzen, die in jedem einzelnem Fall für den Reiter und alle Beteiligten eine furchtbare Zeit und schlimme Folgen bedeuten, sollte das System überarbeitet werden.“

Was passiert denn, wenn es sich um eine Kontamination handelt?

 

Max Kühner: „Per System ist immer der Reiter verantwortlich und damit erst einmal schuldig. Nun ist der Schuldige gefragt, seine Unschuld zu beweisen. Und wie schwierig und langwierig das ist, haben schon viele Beispiele gezeigt. Im Grunde muss man hoffen, dass in einem bestimmten Zeitraum oder auf einem bestimmten Turnier dann mehrfach solche Fälle mit dieser Substanz auftauchen – dann hat man vielleicht Glück im Unglück und die FEI erkennt die Kontamination an. Aber einen Renommee-Verlust mit allen Konsequenzen hat man immer und es kostet auch sehr viel Geld, was sich nicht jeder leisten kann. Einen Fachanwalt und Gutachter in so einem Fall zu beschäftigen, startet bei 20.000 Euro, aber das Honorar und die Kosten steigen auch schnell auf 50.000-100.000 Euro an.“

Häufig wird bei positiven Proben über Konzentrationen im Nanogramm-Bereich gesprochen, also um unglaublich viele Nullen hinter dem Komma. Viele beklagen, dass es sich hier nicht mehr um Leistungssteigerung handeln kann, andererseits gibt es Substanzen, die gar nicht in den Pferdekörper gehören. Wie steht der IJRC zu Grenzwerten?

Max Kühner: „In erster Linie wäre es ja erstmal wichtig zu wissen, welche Substanzen überhaupt einen leistungssteigernden Effekt haben. Für einige gängige Substanzen gibt es Grenzwerte, aber die meisten Substanzen, die auf der Liste der FEI stehen, sind in keiner Weise erforscht, und das ist doch das Problem. Insgesamt schreibt die FEI 4000 Substanzen vor, die nicht im oder am Pferd gefunden werden dürfen. Die WADA, also die World Anti Doping Agentur, im Vergleich untersucht nur etwa 10 Prtozent all` dieser Substanzen.

Wenn wir es ganz genau nehmen, hat auch Wasser einen leistungssteigernden Effekt auf ein durstiges Lebewesen. Oder wenn ein Mensch Kaffee oder Tee trinkt, hat das auch eine sehr leistungssteigernde Wirkung, wie viele kennen. Spreche ich dann aber nie wieder mit diesem Sportler, weil er mal Kaffee getrunken hat? Verurteile ich ihn dafür? Nein! Im Dopingsystem für Pferde wäre das aber der Fall! Und die breite Masse kann keinen Unterschied zum Thema Doping erkennen. Die wichtige Frage ist deswegen, wo setzen wir die Grenze? Im Humansport gibt es ein funktionierendes, erprobtes Dopingsystem der NADA bzw. weltweit der WADA. An diesem System sollten wir uns orientieren und es dann für Pferde ausbauen.“

Wenn eine Probe positiv ausfällt, erscheint der Reiter auf einer öffentlichen Liste, auch wenn er am Ende nachweisen kann, dass eine Kontamination vorlag. Vermutlich gilt es, hier zwischen sauberem Sport, an dem den Verbänden etwas liegen muss, und einer möglichen Rufschädigung der Athleten abzuwägen. Wie steht dazu der IJRC?

 

Max Kühner: „Wir wünschen uns ein System, was den wirklichen Dopingsünder, der eine Leistungssteigerung durch unerlaubte Medikamente gemacht hat, überführt. Also genau das, was die breite Öffentlichkeit auch unter Doping versteht. Das soll dann auch entsprechend transparent veröffentlich werden. Das jetzige System im Pferdesport versucht, mit einem falschen Ehrgeiz ganz genau zu sein, ist damit im Ergebnis aber mehr falsch als richtig und hat als Folge eine große Anzahl von Nebenwirkungen, die am eigentlichen Gedanken gänzlich vorbei gehen. Beispielhaft sei dazu erklärt, dass die in den zwölf Kontaminationsfällen aus 2019 gefundenen Substanzen nicht mal in der WADA Liste als verboten registriert sind, also völlig unkritisch und nicht leistungssteigernd für den Humansportler. Jedes System, was eine derartig miserable Trennschärfe des eigentlich Gewollten hervorbringt, muss doch überarbeitet werden.“

Man hört auch, dass die Dopingkontrollen nicht immer so profimäßig ablaufen, wie man es erwarten sollte… oder?

Max Kühner: „Leider ganz und gar nicht. Die sind nicht immer regelkonform. Ich habe schon Tierärzte erlebt ohne Handschuhe; Tierärzte, die Schnupfen haben und ihre tropfende Nase mit den Handschuhen abwischen und dann das Blut oder den Urin verpacken. Ich sehe regelmäßig unsaubere Boxen, auf kleineren CSI`s müssen wir oft die Boxen vom Vorgänger selbst misten, da sind dann unter Umständen noch Rückstände von Futter oder anderen Dingen drin. Ich habe auf einem Fünf-Sterne-Turnier erlebt, wie die Dopingbehälter den ganzen Tag frei herumstanden… und wenn man eine Stunde in einem FEI-abgesperrten Bereich verbringt, wird man auch immer den ein oder anderen freilaufenden Hund sehen, der irgendwo in eine Box oder ans gestapelte Stroh oder Heu in der Stallgasse pinkelt.“

Und wie geht man mit diesen Missständen um?

Max Kühner: „Wir schreiben mittlerweile alles zur Dokumentation auf. Ob das am Ende was bringt, weiß ich nicht. Wir werden in einem Pferdestall auch nie den absoluten Reinheitszustand herstellen können. Das ist ja klar und irgendwo wäre das auch unnatürlich. Ich sehe hier auch nicht die Schuld bei einem Turnierveranstalter, sondern im System, was falsche Ziele verfolgt. Wenn sich unser System auf die wirklich leistungssteigernden Substanzen konzentrieren würde, dann müssten wir uns auch keine Gedanken darüber machen, ob unser Pferd Grashalme frisst, an die eventuell mal ein Hund gepinkelt hat.“

Sicherlich keine einfache Frage: Aber was müssen die Verbände machen, damit der Sport für alle Seiten fair ist? Wie lässt sich das System „entkomplizieren“?

 

Max Kühner: „Es ist die Aufgabe der FEI, durch Aufforderung und Unterstützung der Verbände das System zu überarbeiten, um es trennscharf und fair zu machen. Wir als Reiter können nur auf die Missstände hinweisen, was an sich schon nicht sein sollte. Derjenige, der an dem bisherigen System festhält, kennt sich nicht aus oder hat sich nicht mit den Fakten auseinandergesetzt. Schaut man sich den Jahresbericht der FEI an, wurde in den Jahren 2016 bis 2019 in der Fachabteilung Doping ein Gewinn von über 2 Millionen Schweizer Franken erzielt, mit Strafzahlungen sogar über drei Millionen. Eigentlich ein Budget, was zur Verbesserung des Systems verwendet werden und nicht zur Gesamtfinanzierung oder einem Gewinn führen sollte. Im Ergebnis würde ein weniger komplexes System, das trennscharf den Dopingsünder erkennt, das bessere System sein.

Doping heißt Leistungssteigerung. Die Frage ist bei vielen Substanzen, die gefunden werden und deren Fälle auf der Liste auftauchen, sowie bei vielen Konzentrationen: Messen wir eine Leistungssteigerung? Meistens Nein! Die Substanzen kommen oft in so geringem Umfang vor, dass sie keinen Einfluss auf das Pferd haben können. Als Minderheitensport müssen wir doch keine Grenzwerte festlegen für Medikamente, die gar keine Auswirkung haben. Wir vom Springreiter-Club sind total dafür, dass wir unser System in Richtung pro Pferd verbessern. Wir möchten schwarze Schafe aussortieren, aber wir möchten nicht, dass jeder an den Pranger gestellt werden kann für Dinge, auf die er keinen Einfluss haben kann, aber für die er verantwortlich gemacht wird. Warum orientieren wir uns nicht an den funktionierenden Systemen als Ausgangstadium? Es macht keinen Sinn, einen Pool an Substanzen permanent willkürlich aufzufüllen, weil da vielleicht etwas sein könnte. Dann soll uns die FEI bitte genau begründen, warum diese Substanzen, die NADA und WADA nicht als leistungssteigernd ansehen, beim Pferd eine Leistungssteigerung  verursachen sollen. Wenn sie das überzeugend vermögen, akzeptieren wir das auch. Dann hätte auch unser System deutlich weniger verbotene Substanzen und  würde deswegen schon zu weniger Falschergebnissen führen. 

Aber nicht so wie es derzeit ist! Richtiger Tierschutz im Reitsport beinhaltet ein System, in dem Leistungssteigerung durch Manipulation verurteilt wird. Jetzt wird der Öffentlichkeit eine Wahrnehmung von Tierschutz verkauft zu Lasten des Einzelnen und nicht zuletzt auch des gesamten Sports, indem Dopingfälle produziert werden, die keine sind.“

 


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