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Wieder einmal Gewitterwolken über der Spanischen Hofreitschule PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von: ProPferd.At/ DL   
Dienstag, 02. November 2021 um 17:36

Wien. Immer wieder werden die Liebhaber der Spanischen Hofreitschule in Wien von negativen Schlagzeilen durchgeschüttelt. Auch die Aufsichtsbehörden des Weltkulturerbes Österreichs nehmen nicht mehr alles hin, was geschönt scheint. Wie nun ProPferd.At veröffentlicht.

 

 

106 Seiten umfasst der am 29. Oktober 2021 veröffentlichte Bericht vom Rechnungshof (RH) zur Spanischen Hofreitschule, der den Zeitraum von 2014 bis 2019 umfasst – und es ist wenig schmeichelhaft, was man auf diesen 106 Seiten über das weltberühmte Reitinstitut – und wie es bislang gemanagt wurde – erfährt. Es reiht sich gleichsam ein Kritikpunkt an den nächsten – von der prekären Finanzlage, die sich seit der Ausgliederung im Jahre 2001 nicht substantiell verbessert hat, über explodierende Personalkosten, einem fehlenden internen Kontrollsystem, unklaren Entscheidungskompetenzen bis hin zu einer fehlenden züchterischen Strategie für das Lipizzanergestüt Piber und noch einigem anderem mehr.

 

Für Pferdefreunde besonders beunruhigend – und für die Öffentlichkeit zweifellos äußerst sensibel – ist die Kritik an den Haltungs- und Ausbildungsbedingungen. So soll es lt. den Prüfern zu einer Überforderung der Schulhengste durch übermäßige Auftritte gekommen sein – eine Kritik, die schon in der Vergangenheit wiederholt vorgebracht worden war, seitens des Managements aber stets vehement bestritten wurde. Diese Kritiker – so auch der frühere Oberbereiter Klaus Krzisch in einem vielbeachteten ProPferd-Interview – werden nun durch den RH-Bericht nachträglich bestätigt.

 

Wörtlich heißt es dazu: „Der RH stellte fest, dass es aufgrund des wirtschaftlichen Drucks zu einer Einsatzfrequenz der Hengste kam, die sich zulasten der Gesundheit der Pferde auswirkte. Er kritisierte, dass in Vorführungen Hengste eingesetzt wurden, deren körperliche Konstitution dies nicht zuließ. Dies entsprach weder den Vorgaben der klassischen Reitkunst noch war es dem Image der Spanischen Hofreitschule zuträglich. Der RH gab zu bedenken, dass dies in der Folge auch zu höheren Ausgaben für tiermedizinische Betreuung und einer Verringerung der Einsatzdauer der Hengste führen könnte. Im überprüften Zeitraum ging das Alter, ab dem die Hengste nicht mehr für Vorführungen eingesetzt werden konnten, zurück. Das daraus resultierende geringere Ertragspotenzial der Hengste hatte nach Ansicht des RH negative wirtschaftliche Auswirkungen auf die Gesellschaft."

 

Tatsächlich haben sich, wie man an einer anderen Stelle nachlesen kann, die Kosten der veterinärmedizinischen Betreuung von 2014 bis 2019 verdoppelt – nämlich von 160.000,– Euro auf rd. 321.000,– Euro. Zwar habe sich die veterinärmedizinische Versorgung durch die Anstellung einer betriebsinternen Tierärztin seit dem Frühjahr 2018 verbessert – dennoch wies der RH auf die in diesem Bereich bedenkliche Kostenentwicklung hin.

 

Zweifellos bedenklich ist auch der Umstand, dass die Hengste nunmehr deutlich früher aus dem Dienst ausscheiden und nicht mehr so lange in Vorführungen eingesetzt werden können wie noch vor wenigen Jahren. Zitat aus dem Bericht: „Das Durchschnittsalter der Hengste bei ihrem „Pensionsantritt“ (d.h. das Alter, ab dem sie nicht mehr für Vorführungen eingesetzt wurden) lag im Jahr 2019 bei rd. 19 Jahren. 2014 war es noch bei rd. 21 Jahren gelegen. Im Durchschnitt waren die Vorführungshengste rd. 15 Jahre alt. Die Anzahl der Hengste, die in einem Alter von über 20 Jahren noch im Einsatz waren, war rückläufig."

 

Die Gründe für diese Entwicklung sieht der RH einmal mehr im wirtschaftlichen Druck und der dadurch verursachten erhöhten Zahl der Vorführungen. Zitat: „Die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft erforderte mehr Vorführungen je Jahr – und Vorführungen, die möglichst alle Programmpunkte enthielten. Da aber die Anzahl der für Vorführungen geeigneten Pferde im überprüften Zeitraum nahezu unverändert blieb, bekamen Hengste vereinzelt nicht die entsprechende Zeit für eine Rekonvaleszenz bzw. wurden – obwohl ihre körperliche Konstitution dies gemäß den Tierschutzbestimmungen und der österreichischen Turnierordnung nicht erlaubte – zu früh wieder trainiert und in Vorführungen eingesetzt. Dies führte neben anderen Faktoren (z.B. geänderte Zucht– und Ausbildungsmethoden) dazu, dass Hengste krankheitsbedingt früher nicht mehr eingesetzt werden konnten. Daher stieg die Anzahl der Hengste, die nicht mehr für Vorführungen eingesetzt werden konnten, im überprüften Zeitraum von neun auf 20."

 

Erschwerend kam lt. Rechnungshof hinzu, dass die Bewegungsmöglichkeiten für die Lipizzanerhengste in der Stallburg stark eingeschränkt sind und vor allem keine freie Bewegung zulassen würden. Zitat: „In Wien waren die Hengste in der Stallburg untergebracht. Die Magistratsabteilung (MA) 60 der Stadt Wien hatte die Genehmigung zur Pferdehaltung in der Stallburg in der Wiener Innenstadt nur in Verbindung mit Auslaufmöglichkeiten im Trainingszentrum Heldenberg und der Möglichkeit zu Ausritten im Burggarten in den Sommermonaten erteilt.
Aufgrund der baulichen Gegebenheiten hatten die Hengste in Wien in der Stallburg keine freien Bewegungsmöglichkeiten. Ihnen war nur eine kontrollierte Bewegung im Rahmen des Trainings bzw. einer Vorführung oder in der Schrittmaschine möglich. Traditionsgemäß und personell bedingt hatten die Hengste in Wien mindestens einen Stehtag pro Woche, d.h., an diesem Tag war keine Bewegung im Training, in einer Vorführung oder in der Schrittmaschine möglich."

 

Auch die Haltungsbedingungen beurteile der Rechnungshof z.T. als nicht ideal. Zitat: „Zur Verbesserung des Stallklimas und der Luftzirkulation in der Stallburg war eine Belüftung (Druckbelüftung) eingebaut, die allerdings aufgrund technischer Probleme seit einigen Jahren nicht mehr in Betrieb war. Somit konnten die Stallungen in der Stallburg nur durch die Klappfenster in den Außenmauern und durch die Tore zum Hof belüftet werden. Die teilweise Überdachung des Hofs der Stallburg beeinträchtigte die Belüftungssituation in den Stallungen zusätzlich. Die hohe Besatzdichte und die Heustaubbelastung wirkten sich ebenso negativ auf die Lüftungssituation in der Stallburg aus."

 

Insgesamt hielt der Rechnungshof fest, „dass die tierschutzkonforme Haltung der Hengste und eine entsprechende Genehmigung der MA 60 aufgrund der baulichen Gegebenheiten in der Innenstadt und fehlender Flächen zur freien Bewegung in der Stallburg nur durch den regelmäßigen Aufenthalt der Hengste im Trainingszentrum Heldenberg möglich waren. Der RH kritisierte, dass die Hengste nicht auch am Nachmittag eine zusätzliche Bewegungsmöglichkeit in der Schrittmaschine erhielten. Aus den vorhandenen Aufzeichnungen war für den RH nicht ersichtlich, ob die Hengste tatsächlich zumindest einmal täglich, entweder im Rahmen des Trainings oder in der Schrittmaschine, bewegt wurden."

 

Ein großes Kapitel ist der prekären finanziellen Lage der Spanischen Hofreitschule gewidmet, an der sich seit der Gründung der Gesellschaft im Jahr 2001 wenig geändert habe. Dazu der Rechnungshof: „Die Spanische Hofreitschule hatte bereits seit der Ausgliederung im Jahr 2001 – und damit lange vor der COVID–19–Pandemie – mit finanziellen Problemen zu kämpfen. Im Jahr 2014 war sie sogar in ihrem wirtschaftlichen Bestand gefährdet, weil ihr aufgrund der fehlenden liquiden Mittel die Zahlungsunfähigkeit drohte und auch eine Finanzierung durch Geschäftsbanken ohne Garantie des Bundes nicht mehr möglich war. Es folgte eine monatelange Auseinandersetzung um die Finanzierung zwischen dem Landwirtschaftsministerium und der Spanischen Hofreitschule. Schließlich gab es die Zusage eines jährlichen finanziellen Zuschusses für die hohen Zuchtaufwendungen von bis zu 1 Mio. EUR. Damit war jedoch für die Spanische Hofreitschule zur Erfüllung ihrer Aufgaben keine mittelfristige Planungssicherheit gewährleistet, weil sich die Zusage immer nur auf ein Jahr bezog."

 

Und weiter: „Dabei waren die Mittelflüsse von Bund sowie den Ländern Niederösterreich und Steiermark erheblich: In den Jahren 2014 bis 2019 erhielt die Spanische Hofreitschule in Summe 8,49 Mio. EUR von diesen drei Gebietskörperschaften. Jedenfalls war die Spanische Hofreitschule nur durch die öffentlichen Zuwendungen wirtschaftlich überlebensfähig. Schließlich erwirtschaftete die Spanische Hofreitschule selbst in den Jahren 2014 bis 2019 aus der betrieblichen Tätigkeit laufend Verluste. Es bestand eine Ertragslücke zwischen den Umsatzerlösen und den Aufwendungen von durchschnittlich 13 %."

 

Der Rechnungshof beanstandet auch eine fehlende innerbetriebliche Leistungsverrechnung zwischen den Standorten (Wien, Piber, Heldenberg), wodurch eine „Verzerrung der Ergebnisse" entstand, weil „die jährlich zur Verfügung gestellte Anzahl an Lipizzanern für die Spanische Hofreitschule in Wien kostenmäßig nicht berücksichtigt wurde. Eine vollständige innerbetriebliche Leistungsverrechnung mit einem Verrechnungspreis für die Aufzucht der Lipizzaner ergäbe eine klare und verursachungsgerechte Kostenzuordnung sowie Kostenverantwortung, die eine Steigerung der Qualität der Leistungserbringung ermöglichen würde." Zudem hatte die Spanische Hofreitschule auch kein umfassendes internes Kontrollsystem implementiert und auch keine „den allgemein anerkannten internationalen Revisionsstandards entsprechende Interne Revision eingerichtet", so der Rechnungshof.

 

Bezüglich des Lipizzanergestüts Piber wird eine umfassende Zuchtstrategie und klare Kompetenzverteilung angemahnt: „Zentrale gesetzliche Aufgaben der Spanischen Hofreitschule waren die dauerhafte Erhaltung und traditionsgemäße Zucht der Rasse Lipizzaner sowie Zucht und Bereitstellung der bestgeeigneten Hengste für die Spanische Hofreitschule. Für die Qualität der Zucht waren die Auswahl von geeigneten Tieren, die Erhaltung des Genpools und die Vermeidung von Inzucht sowie das Aufzuchtsmanagement von Bedeutung. Es fehlte jedoch eine umfassende Zuchtstrategie. Problematisch war das Verhältnis zwischen den züchterischen Bedürfnissen, wie die Konsolidierung der Herde, und jenen der Reitbahn hinsichtlich der Bereitstellung geeigneter Zuchthengste. Eine Ursache dafür war, dass die Entscheidungskompetenzen nicht eindeutig geregelt waren, was die Kommunikation zwischen der Zuchtleitung, der Geschäftsführung und der Reitbahn erschwerte."

 

Insgesamt ist also für die neue Geschäftsführerin Sonja Klima viel zu tun. Für das aktuelle Management sowie das zuständige Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus sprach der Rechnungshof folgende zentrale Empfehlungen aus:

 

– Einführung einer mehrjährigen Basisabgeltung, die sich an den Regelungen für andere Kultureinrichtungen (Museen, Bundestheater) orientiert;

 

– Abschluss einer verbindlichen mehrjährigen Leistungsvereinbarung zwischen Hofreitschule und Bundesministerium zur effizienten Leistungserbringung und Finanzierung;

 

– umfangreiche Neubetrachtung und Überarbeitung des Unternehmenskonzepts, um die Abhängigkeit vom internationalen Städtetourismus zu reduzieren, Öffnung für das einheimische Publikum durch Entwicklung neuer Vorführungsformate;

 

– standortbezogene Ergebnisrechnung zur Steuerung und Überwachung der effizienten Leistungserbringung, Durchführung einer umfassenden Prozess- und Kostenanalyse aller Standorte;

 

– Entwicklung einer umfassenden Zuchtstrategie für das Lipizzanergestüt Piber mit besonderem Fokus auf eine entsprechende Größe der Stutenherde sowie des Aufzuchtmanagements

 

Den vollständigen Rechnungshof-Bericht zur Spanischen Hofreitschule kann man hier nachlesen.

 

 

 

 

 


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