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Island - vorgekaukeltes Idyll ohne Blick auf gequälte Isländer-Stuten PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von: Sascha Dubach/ DL   
Freitag, 11. Februar 2022 um 17:02

Zürich. Wie kaum ein anderes Pferdesport-Magazin geht die wöchentlich erscheinende Schweizer PferdeWoche die in bestimmten Kreisen mehr als bekannte tierquälerische Ausbeutung von Stuten der Isländerrasse an, um mit dem aus dem Blut gewonnenen Hormon die Zuchtproduktion u.a. von Schweinen zu steigern. Dazu ein Bericht von Sascha Dubach in der neuen PferdeWoche.

Eine überwältigende Landschaft, boomender Tourismus und die berühmten Islandpferde. Wer hat nicht schon einmal davon geträumt, auf diesen robusten Vierbeinern durch das urtümliche Gelände zu reiten. Idylle pur – doch der Schein trügt, wie kürzliche Recherchen des Tierschutzbundes Zürich (TSB) ergaben. Hinter den touris­tisch herausgeputzten Reiterhöfen für die internationalen Besucher existiert eine regelrechte Schattenwirtschaft. Nur wenige ausserhalb Islands wissen, dass permanent rund 5000 Stuten während ihrer Trächtigkeit Blut für die ­Pharmaindustrie abgezapft wird. Die Zustände dabei sind – gelinde gesagt – katastrophal.

Einmal mehr ist es der Tierschutzbund Zürich, der gemeinsam mit seinen Partnern einen Tierquälereiskandal aufdeckt und die breite Öffentlichkeit darüber informiert. Die sogenannten «Blutfarmen» tauchen nicht das erste Mal auf. Bereits im Oktober 2015 titelte die «PferdeWoche» in einem Artikel «Trächtige Stuten leiden für unser Fleisch». Dabei stiess man damals eher zufällig bei der Recherche rund um die Produktion von Qualfleisch in Südamerika auf erste Blutfarmen.

Fleischproduktion steigern

Dabei geht es um das Hormon «Pregnant Mare Serum Gonadotropin», kurz PMSG. Gewonnen wird dieses aus dem Blut trächtiger Stuten. Wird dieses Hormon dann anderen Säugetieren, insbesondere Schweinen, aber auch Rindern, Schafen oder Ziegen verabreicht, erhöht es deren Fruchtbarkeit und ermöglicht eine zeitlich genaue Steuerung des Geburtstermins. PMSG ist daher als Bestandteil von Tierarzneimitteln in der intensiven Tierhaltung vieler Länder zugelassen – auch in der Schweiz. PMSG beschleunigt also die Fleischproduktion und macht diese grösser, einfacher und profitabler.

Die Enthüllung des Tierschutzbundes Zürich 2015 führte glücklicherweise dazu, dass etliche große Pharmaproduzenten darauf verzichteten, PMSG aus Südamerika zu importieren. Was aber nicht heißt, dass es komplett verschwand. Man suchte nach neuen Anbietern in Europa und wurde unter anderem in Island fündig.

Seit 40 Jahren ein «Business»

Was wenige wissen, auf der Insel im Nordatlantik wird schon seit über 40 Jahren das Geschäft mit Pferdeblut betrieben. In den vergangenen zehn Jahren ist dabei die Produktion stetig gestiegen. Geht es nach der Pharma­industrie, soll diese noch viel weiter wachsen. Das isländische Pharmaunternehmen «Isteka ehf.» beantragte bei der heimischen Umweltbehörde, ihr Geschäft mit Pferdeblut von derzeit 170.000 auf 600.000 Liter Blut mehr als zu verdreifachen. Dies würde bedeuten, dass rund ein Drittel aller Stuten in Island im «Blutgeschäft» wären.

Unterscheidet sich die Blutentnahme gegenüber den 2015 entdeckten tierquälerischen Farmen in Südamerika? Ein Werbevideo suggeriert dies zumindest. Schöne, saubere Boxen, Pferde die bei der Blutentnahme sanft gestreichelt werden. Doch der Schein trügt, wie die Recherchen vor Ort nun zeigen. Auch in Island ist die Tierschutzorganisation Zeuge von quälerischen Vorgängen geworden und hat dies mit Video- und Fotoaufnahmen akribisch dokumentiert.

Die Haltung von Pferden auf den grossen natürlichen Weiden in Island ist relativ günstig. Die meisten Stuten, welche zur Blutentnahme verwendet werden, stammen aus der Fleischindus­trie und sind halbwild. Für die Pferdezüchter ist das Stutenblut rentabler (sie verdienen mit dem Blut vier- bis fünfmal so viel wie mit einem Schlachtfohlen) als die Fleischproduktion. Da davon auszugehen ist, dass die Blutentnahme bei ungezähmten Pferden mit Gewalt durchgeführt wird und für die Pferde eine sehr stressige Prozedur ist, hat sich der Tierschutzbund Zürich entschlossen, die entsprechenden Farmen genauer unter die Lupe zu nehmen. «Wir haben unsere Recherchen im August 2019 begonnen und konnten sie nach einer Zwangspause aufgrund der Corona-Pandemie im September 2021 abschliessen», erzählt York Ditfurth, Präsident des TSB. In ihrem 126 Seiten umfassenden Dossier wird deutlich, dass die Blutgewinnung in Island keine tierfreundliche Alternative zu Südamerika ist und dass es höchste Zeit ist, dem Handel mit dem Blut trächtiger Stuten endlich ein Ende zu setzen.

Die Tierschützer fanden und dokumentierten innert elf Tagen rund 40 Blutfarmen. Aktuell auf ihrer Liste sind es insgesamt deren 119. Dabei stießen sie in ers­ter Linie auf die «Abzapfstationen». Verwitterte und verrostete Holz oder Eisen­boxen und -gatter, in die die Stuten getrieben werden, um sie zu fixieren, während ihnen die Kanüle (Hohlnadel) zur Blutentnahme in den Hals gestochen wird. Dass sich dabei die halbwilden Stuten wehren, ist selbstverständlich. Wo es nur ums «Geschäft» geht, wird mit dem «Produkt» Pferd dann auch nicht zimperlich umgegangen. Videoaufnahmen mit versteckten Kameras beweisen dies. Die Stuten werden in die Fixierboxen getrieben. Dabei kommen Holzprügel oder sogar Eisenstangen zum Einsatz. Und auch Hunde werden zum Treiben eingesetzt. In der Box wird der Kopf mit einem Seil nach oben gebunden, während der Körper mittels Transportgurt nach unten festgezurrt wird. Jetzt kommen die Kanülen zum Einsatz. Sie sind besonders groß, damit man den Tieren möglichst schnell möglichst viel Blut entnehmen kann. Dafür stehen dutzende Kanister bereit. Abgezapft werden rund fünf Liter pro Woche. Auf den Video- und Fotoaufnahmen, die der «Pferde­Woche» vorliegen, sieht man, wie sich die Tiere wehren, in das Holz beißen, sich winden, ausschlagen, die Augen verdrehen – der blanke Horror.

Die Videoaufnahmen wurden auch dem Schweizerischen Nationalgestüt SNG (Agroscope) zur Verfügung gestellt. Die Expertinnen Iris Bachmann (Leiterin der Forschungsgruppe Equiden von Agroscope) und Anja Zollinger (Verantwortliche Beratungstelle Pferd) erstellten ein Gutachten. Sie beurteilten das Verhalten und die Stressbelastung der Blutstuten. «Als größte Belastung und Gefahr des gesamten Prozederes schätzen wir die Fixation der Stuten im Stand ein. Sie bedeutet für ein halbwild lebendes und nicht menschengewohntes Fluchttier höchste Bedrohung und Unfähigkeit, den angeborenen Fluchttrieb auszuleben. Es kommt also zu heftigem und potenziell gefährlichem Abwehrverhalten. Abhängig von der Einrichtung, den Hilfsmitteln und dem menschlichen Verhalten ist die Verletzungsgefahr durch Anschlagen, Einklemmen, Hinfallen erheblich», so ein Fazit.

Ein verletztes Pferd, das mutmasslich von Abwehr­reaktionen in den Fixierboxen herrührt, fanden die Tierschützer bei ihrem Besuch ebenfalls. Sie protokollierten: «Blutfarm Nr. 21, 4. September 2019. Um 12.30 Uhr entdecken wir auf einer Weide in der Nähe eines Bauernhauses am See ­Svinavatn eine schwerverletzte Stute. Die Stute hat ein Fohlen an ihrer Seite. Sie hat eine schwere offene Wunde am rechten Hinterbein, aus der Flüssigkeit austritt. Die Stute lahmt deutlich und kann das verletzte Bein nur wenig belasten. Sie muss dringend tierärztlich behandelt oder eingeschläfert werden. Ihr Hinterbein ist mit einer blauen Sub­stanz besprüht worden, vermutlich mit einem desinfizierenden Blauspray. Die Tatsache, dass die Wunde besprüht wurde – eine Behandlung, die völlig unzureichend ist – zeigt, dass die Verletzung erkannt, aber keine geeigneten Massnahmen ergriffen wurden.» Die Tierschützer alarmierten daraufhin die zuständige isländische Veterinärbehörde MAST («Matvælastofnun – Icelandic Food And Veterinary Authority»), die jedoch nichts unternahm und die Tierschützer aufforderte, die Polizei zu informieren. Daraufhin erfolgte durch den TSB eine Anzeige bei der Polizei.

Treiben nach Tierschutzgesetz in Grauzone

Der TSB traf sich vor Ort auch mit dem auf isländisches Tierschutzrecht spezialisierten Rechtsanwalt Árni Stefán Árnason. Dieser informierte die Tierschützer in einem Gespräch, daß nach seinen Recherchen im Rahmen des isländischen Tierschutzgesetzes die Produktion von PMSG in Island eindeutig in einer rechtlichen Grauzone stattfindet. Er erklärte, dass das isländische Tierschutzgesetz aus dem Jahr 2013 keine spezifischen Anforderungen oder Genehmigungen für die Produktion von PMSG enthalte, ebenso wenig wie die Verordnung zum Schutz von Pferden. Seiner Meinung nach gefährdet das Ausmass der Blutentnahme das Wohlergehen der Pferde, da die Menge des in kurzer Zeit entnommenen Blutes eindeutig die körperliche Gesundheit der Stuten gefährdet und sollte daher nach dem Tierschutzgesetz nicht erlaubt sein. In Artikel 1 heisst es eindeutig, dass das Ziel des Gesetzes darin bestehe, Tiere unter anderem vor Unbehagen, Angst, Schmerzen und Leiden zu schützen.

Die Veterinärbehörde MAST ist für die Überwachung des Agrarsektors, einschliesslich der PMSG-Produktion, zuständig. Der Rechtsanwalt bezweifelt jedoch die Wirksamkeit dieser Überwachung. Er behauptet sogar, MAST agiere sehr politisch. Der Agrarsektor habe in Island einen sehr starken politischen Einfluss. Die Beziehung zwischen MAST, den Politikern und den «Blutbauern», ist so stark verbandelt, daß sie nicht wirklich objektiv kontrollieren können.

Sowohl das deutsche Magazin «Plusminus» des Senders «ARD» als auch der «Kassensturz» von «SRF» haben ebenfalls über die Blutfarmen berichtet. Dabei ging es auch um synthetische Alternativen zu PMSG. «Plusminus» fragte beim Pharmaunternehmen «Ceva», einem Anbieter von PMSG, nach Alternativen. Die Antwort: «Wir arbeiten an der Entwicklung eines Ersatzproduktes auf synthetischer Basis und mit vergleichbarem Nutzen für die Tierärzte und die Landwirte ...» und weiter «... aber das ist ein langer Prozess mit vielen, oft unvorhersehbaren Schwierigkeiten.» Dem widerspricht Professor Axel Wehrend von der Universität Giessen. Es gäbe bereits verschiedene Möglichkeiten und Mittel auf synthetischer Basis. Das sei aber mit mehr Aufwand verbunden. Aber man könne schon heute wirtschaftlich Ferkel ganz ohne PMSG erzeugen. «Aus tierschützerischer Sicht muss man jedoch Folgendes klar festhalten: Auch wenn die Produktion von PMSG aus Stutenblut komplett verboten und und auf die synthetische Alternative gewechselt würde, wäre dies in puncto Fleischproduktion bei den Schweinen noch immer ein äusserst fragwürdiger Eingriff», hält York Ditfurth fest, der ein Verbot von PMSG fordert.

Eine erste positive Nachricht gibt es aus der EU. Denn das EU-Parlament hat bereits im Oktober vergangenen Jahres beschlossen, dass das umstrittene Hormon verboten werden soll – mit Betonung auf «soll». «Plusminus» fragte auf schriftlichem Weg den zuständigen EU-Kommissar, ob und wann der Beschluss durch eine Verordnung tatsächlich umgesetzt werde. Sie erhielten keine Antwort. Und so sieht es leider aktuell danach aus, dass die Stuten in Island fernab von der touristischen Idylle auf abgelegenen Weiden weiter leiden müssen. Es ist zu hoffen, dass die Recherchen des Tierschutzbundes Zürich eines Tages Früchte tragen werden.

In der Schweiz gibt es nur noch ein zugelassenes Arzneimittel mit PMSG als Inhaltsstoff: «P.G. 600» (seit 1973). Das Präparat ist eine Hormonkombination für Sauen, die bei der Follikelreifung und Auslösung der ­Ovulation die entscheidende Rolle spielt. Es wird als Zyklusstarter eingesetzt, die Wurfgröße wird erhöht und die Brunst wird bei Jungsauen frühzeitig eingeleitet.

Seit einigen Jahren nicht mehr zugelassen ist «Folligon», welches ebenfalls PMSG als Inhaltsstoff besass. Es wurde von Swissmedic, der Schweizerischen Zulassungs- und Aufsichtsbehörde für Heilmittel, aus dem Verkehr genommen.

 

 


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