RTL-Video oder die Meinung des Pferdekenners Peter Cronau |
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Geschrieben von: Peter F. Cronau/ DL |
Samstag, 26. März 2022 um 16:36 |
Argenbühl/ Allgäu. „Wer das Barren verbietet – muss auch das Springreiten verbieten“, sagte der bekannte Pferdedoktor Dr. Peter Cronau damals nach der Barraffaire 1990, als die Öffentlichkeit regelrecht enthemmt gegen das Springreiten zu Felde zog und sich jeder fundierten Diskussion entzog. Nun sieht sich Peter Cronau wieder veranlasst, einen Kommentar zu schreiben nach dem RTL-Video, in dem Ludger Beerbaum als Pferdequäler gebranntmarkt wird.
Die Nachricht, dass ein gewisser Herr Günter Walraff mit der Video-Darstellung eines Pferdes über einem Sprung, bei dem offensichtlich ein Gegenstand in Richtung Vorderbeine bewegt wird, hat nicht nur in der Pferdeszene, sondern auch in allen Formen von Tierverständnis Wogen geschlagen. Mutmaßlich richtet sich die Anklage gegen den Springreiter Ludger Beerbaum. Im Vokabular existieren für mich Tierliebhaber, Tierfreunde, Tierschützer und Tierschutzaktivisten. Letztere sind für mich suspekt, zumal sie nicht vor dramatischen Maßnahmen zurückschrecken, gegen jene vorzugehen, die nach ihrer Auffassung nicht im Sinne der Kreatur Tierwohl agieren. Herr Wallraff ist ein nicht unbeschriebenes Blatt. Seine Philosophie offenbart er 1985 in dem Vorwort des Buches „Ganz Unten“: „man muss sich verkleiden, um die Gesellschaft zu demaskieren, muss täuschen und sich verstellen, um die Wahrheit herauszufinden.“ Wenn man dieses Paradigma interpretiert, wird einem bewusst, wie der Autor denkt und handelt. Wer sich in den Medien Gehör verschaffen will, setzt gerne auf Gehör, indem er gezielt die Empörung seiner Gegner provoziert. Wut und Ablehnung verstellen die klare Sicht. Die Skandalisierung spielt der Staatsanwaltschaft in die Hände. Sie kann einen zur Paria einer Nation bringen und einen Würdeverlust provozieren. Die Öffentlichkeit hat Ludger Beerbaum längst schuldig gesprochen. So weit meine Gedanken zu Vorgehensweise von RTL und Günter Walraff. Ich bin im Jahr 1990 (Barraffäre) Mannschaftstierarzt der Deutschen Springreiter DOKR gewesen. Wir flogen zusammen (Mannschaft, Equipechef, Tierarzt) nach Stockholm zu den ersten Weltreiterspielen. Bei Ankunft am Flughafen wurden wir umzingelt und in Schutz-Begleitung zu einem Raum geführt, in der wir gezwungenermaßen an einer Pressekonferenz teilnehmen mussten. Sachlich und korrekt haben wir alle an uns gestellten Fragen beantwortet, ohne das Stigma der Verwerflichkeit des Handelns ablegen zu können. Als Konsequenz jenes Ereignisses initiierte die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) ein Gutachten, das ein bestimmter Professor Kuno von Plocki anfertigte. Seine Quintessenz war: „Die Kraft, die auf das Pferdebein einwirkt, ist so groß, wie wenn man ein Einmalfeuerzeug aus einem Meter auf den Boden fallen lässt“. Diese Erkenntnis nahm die FN in ihr Lastenheft auf, indem sie „die fachgerechte Anwendung des Touchierens am Sprung im Sinne der Richtlinien nicht als tierschutzrelevant einstuft“. Diese Meinung wird auch bis zur RTL-Darstellung vertreten. Da die Anwendung eine Barr-bzw. Touchierstange real und unter normalen Bedingungen objektiv nicht messbar ist, bleibt die Interpretation und Bewertung immer ungewiss. Für Außenstehende wird das Video immer in die Denkabteilung negativ eingestuft werden. Ich kann und will einer sachlichen und korrekten Aufarbeitung durch den Sportverband mit seinen juristischen Abteilungen und der Staatsanwaltschaft nicht vorgreifen, rein von einer subjektiven Empfindung heraus, kann man die Vorgehensweise her nicht belobigen oder gutheißen. Der Zeitgeist verträgt das nicht. Was sollten für Konsequenzen aus diesem Eklat gezogen werden?
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